Januar 2025 Blog

Enges digitales Zugangsrecht von Gewerkschaften zu Betrieben

Gewerkschaften haben keinen Anspruch darauf, von Unternehmen die dienstlichen E-Mail-Adressen ihrer Beschäftigten mitgeteilt zu bekommen. Auch können sie nicht verlangen, dass Privatunternehmen auf der Startseite ihres Intranets einen Link zur Gewerkschafts-Website veröffentlichen. Dieses arbeitgeberfreundliche Urteil hat das Bundesarbeitsgericht am 28.01.2025 gefällt (Az. 1 AZR 33/24).

Anspruch auf Zutritt zum Betrieb für Mitgliederwerbung

Gewerkschaften sind grundsätzlich berechtigt, Betriebe zu betreten, um dort Mitgliederwerbung zu betreiben. Das folgt mittelbar aus dem Grundrecht gemäß Art. 9 Abs. 3 GG, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Zu den geschützten gewerkschaftlichen Tätigkeiten zählt die Mitgliederwerbung im Betrieb.

Dieses Betretungsrecht auch durch Betriebsfremde gilt jedoch nicht schrankenlos. Unternehmen können sich auf Grundrechte berufen, die der sog. Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaften entgegenstehen. Das sind vor allem die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, das Hausrecht und die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1, 13 und 14 GG.

Im Streitfall haben die Arbeitsgerichte einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Grundrechten herzustellen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Ausmaß und die Intensität des von der Gewerkschaft begehrten Zugangsrechts.

Kein Anspruch auf umfassenden digitalen Zugang zum Betrieb 

Der nun vom BAG entschiedene Fall betrifft die Digitalisierung der Arbeitswelt. Im betroffenen Unternehmen erfolgte die betriebsinterne Kommunikation zu großen Teilen auf elektronischem Weg. Die klagende Gewerkschaft wollte das durch die Rechtsprechung anerkannte gewerkschaftliche Betretungsrecht „digitalisieren“, unterlag aber in allen Instanzen.

a) Keine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen

Die Gewerkschaft wollte mehrere Tausend Arbeitnehmer des Unternehmens anschreiben, um Mitgliederwerbung zu betreiben. Sie verlangte von der Arbeitgeberin, die dienstlichen E-Mail-Adressen ihrer Beschäftigten herauszugeben. 

Die Vorinstanzen und das BAG verneinten eine solche Pflicht. Sie würde Unternehmen erheblich in ihrer durchs Grundgesetz geschützten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit beeinträchtigen. Nachteilig betroffen wären zudem Arbeitnehmer, die ihre personalisierte E-Mail-Adresse nicht weitergeben wollten. Die klagende Gewerkschaft sei nicht unbillig belastet. Sie könnte die Arbeitnehmer vor Ort in den Betrieben nach ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse fragen und anschließend darüber kontaktieren.

b) Kein eigener E-Mail-Account in betrieblichem Netzwerk

Die Gewerkschaft verlangte einen eigenen E-Mail-Account im betrieblichen E-Mail-Netzwerk, um darüber mit allen Mitarbeitern kommunizieren zu können. Das BAG lehnte einen solchen Anspruch der Gewerkschaft gegen das beklagte Unternehmen ab. 

c) Kein umfassender Zugang zum konzernweiten Intranet

Nach Auffassung des BAG war die Gewerkschaft auch nicht berechtigt, Zugang zum konzernweiten Intranet zu erhalten. Der damit verbundene Zugriff auf Daten von über 64.000 Beschäftigten sei nicht gerechtfertigt.

d) Kein Link zu Gewerkschafts-Homepage auf betrieblicher Intranet-Startseite

Ohne Erfolg blieb auch das Ansinnen der Gewerkschaft, das Unternehmen zu verpflichten, ihre Homepage auf der Startseite des betrieblichen Intranets zu verlinken. Nach Auffassung des BAG folgt ein solcher Anspruch nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Auch eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 3 S. 2 BPersVG, wonach auf Verlangen einer Gewerkschaft die Dienststelle in ihrem Intranet den Internetauftritt der Gewerkschaft zu verlinken hat, komme nicht in Betracht; es fehle an einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke.

Fazit

Die Entscheidung des BAG vom 28.01.2025 verdeutlicht, dass der digitale Zugang von Gewerkschaften zu unternehmensinternen Netzwerken und Kommunikationsplattformen nur in engen Grenzen besteht. Solange es keine gesetzliche Regelung zum Umfang der digitalen Zutrittsrechte von Gewerkschaften gibt, können Unternehmen ihre digitalen Schotten für gewerkschaftliche Werbemaßnahmen weitgehend dicht machen. 

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