Oktober 2023 Blog

Kein Nachtrag bei erkennbarem Verstoß gegen die Anforde­rungen zur Aufstellung einer Leistungs­beschreibung nach § 7 Abs. 1 VOB/A

Diese Grundsätze der Rechtsprechung zum Verhältnis der vergaberechtlichen Regelungen der VOB/A zur Vertragsauslegung nach Zuschlag finden erneut Bestätigung. Im vorliegenden Fall erhielt ein Spezialbauunternehmer für Sanierung und Abbruch den Zuschlag für die Entkernung eines Schulgebäudes. Im Zuge dessen war mit Asbest kontaminierter Putz abzubrechen und zu entsorgen. Die zu entfernenden Putzflächen waren nach Flächenmaß (m²) ausgeschrieben, die Entsorgung des fachgerecht abgebrochenen und verpackten kontaminierten Materials nach Masse (t). Den Aufwand für den Abbruch kontaminierten Putz-Materials (Einrichtung Schwarz-/Weißbereiche, Verpacken und Ausschleusen des kontaminierten Materials) kalkulierte der Auftragnehmer anhand der im Leistungsverzeichnis geschätzten Massen des zu entsorgenden, kontaminierten Materials (120 t). Tatsächlich vielen über 500 t kontaminiertes, zu entsorgendes Material an.

Den hieraus folgenden Mehraufwand für die Behandlung des kontaminierten Materials im Schwarzbereich rechnet der Auftragnehmer im Wege eines Nachtrags zusätzlich ab – zu Unrecht. Das Gericht folgte nicht der Argumentation des Auftragnehmers, er habe zur Kalkulation des Abbruchaufwandes mangels Angaben zur Stärke des Putzes keinerlei Angaben zum Raummaß des abzubrechenden, kontaminierten Materials gehabt und musste daher auf die im Leistungsverzeichnis angegebenen, wesentlich geringeren Massen des zu entsorgenden Materialien zurückgreifen. Zwar erkannte auch das Gericht, dass es dem Leistungsverzeichnis an tauglichen Kalkulationsgrundlagen für den Arbeitsaufwand betreffend das abzubrechende, kontaminierte Material fehlte, da im vorliegenden Altbau die Dicke der Putzschichten nicht bekannt waren. Eine Leistungsbeschreibung im Sinne des § 7 Abs. 1 VOB/A, die es den Bietern ermöglicht Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen zu können, liegt damit nicht vor. Dieses Risiko sei aber aus dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters heraus, damit für die spätere Klägerin erkennbar gewesen. Ein Anspruch auf Mehrvergütung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B scheide daher aus.

Diese Entscheidung steht in einer Reihe ähnlicher Entscheidungen zur Übernahme von Risiken durch unklare oder unvollständige Leistungsbeschreibungen durch die Bieter, wenn die Bieter solche Unklarheiten nicht im Zuge der jeweiligen Vergabeverfahren durch die dort vorgesehenen Mittel, z.B. Bieterfragen, ausräumen lassen.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2022 – 21 U 71/22)

Anmeldung zum GvW Newsletter

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!