Kundenabwerbung: Einlösen von fremden Rabattgutscheinen zulässig
Kundenabwerbung: Einlösen von fremden Rabattgutscheinen zulässig
Auf umkämpften Märkten wird häufig mit harten Bandagen gekämpft, um den Wettbewerbern Kunden auszuspannen. Dazu gehört auch die Werbung, dass im eigenen Geschäft auch Rabattmarken oder Gutscheine von Wettbewerbern eingelöst werden können. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass auch solche Werbeaktionen zum Wesen des Wettbewerbs gehören und grundsätzlich nicht untersagt werden können.
Sachverhalt
Ein Drogerie-Unternehmen warb im Jahr 2014 mit einer Werbeaktion, dass es Gutscheine von Wettbewerbern über einen Rabatt von 10 % auch im eigenen Geschäft einlöse. Die Wettbewerbszentrale beanstandete diese Werbeaktion (mutmaßlich auf Veranlassung eines Wettbewerbers, der diese Rabattgutscheine ausgab) als unlauter, weil sie Mitbewerber behindere und Verbraucher irreführe. Die beiden Vorinstanzen haben die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen.
Entscheidung
Die Revision der Wettbewerbszentrale zum BGH hatte keinen Erfolg. Die Werbeaktion des Drogerieunternehmens stellt keine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne von § 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Der Tatbestand der gezielten Behinderung ist durch viele von Gerichten gebildete Fallgruppen geprägt. Die beanstandete Werbeaktion wird jedoch laut BGH von keiner Fallgruppe erfasst und ist daher zulässig.
Insbesondere stellt die Werbung kein unlauteres Eindringen in einen fremden Kundenkreis dar, weil das Ausspannen von Kunden grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs gehört. Die Inhaber von Rabattgutscheinen sind ebenso wenig wie die Inhaber von Rabatt- oder Kundenkarten bereits als Kunden des ausgegebenen Unternehmens anzusehen. Zudem wird nicht in unzulässiger Weise auf die Kunden eingewirkt, weil diese weiterhin frei darin sind, die Rabattgutscheine bei dem ausgebenden Unternehmen einzulösen.
Auch wird die Werbung des die Rabattgutscheine ausgegebenen Unternehmens nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Falls ein Kunde den Rabattgutschein bei einem Wettbewerber einlöst, wird dessen Werbewirkung allein durch die freie Entscheidung des Kunden beeinträchtigt, und nicht durch die beanstandete Werbeaktion. Vergleichbar ist dies mit einem Nachziehen auf Preissenkungen von Wettbewerbern, das ebenfalls zulässige Folge eines gewünschten Leistungswettbewerbs ist.
Schließlich ist die Werbeaktion auch nicht unter den Gesichtspunkt eines unlauteren Ausnutzens einer fremden Einrichtung unzulässig. Diese Fallgruppe, die ursprünglich für den Telekommunikationsbereich entwickelt wurde, ist hier nicht einschlägig, weil durch die Werbeaktion kein unmittelbar bevorstehender Geschäftsabschluss verhindert wird. Die Inhaber von Rabattgutscheinen sind noch nicht als Kunden des ausgebenden Unternehmens anzusehen. Zudem sind diese weiterhin frei darin, die Rabattgutscheine auch bei dem ausgebenden Unternehmen einzulösen. Schließlich gehört es auch zum Wesen des Wettbewerbs, dass durch ein solches Anhängen an die Werbung von Wettbewerbern möglicherweise Kostenvorteile erzielt werden, weil es den Druck und die Verteilung eigener Gutscheine erspart.
Praxishinweis
Das Urteil des BGH setzt die liberale europarechtlich geprägte Linie der Rechtsprechung fort. Bereits in der Vergangenheit wurden ähnliche Werbeaktionen, wie Tiefstpreisgarantien, für zulässig erachtet. Die Grenze zur Unzulässigkeit ist erst dann überschritten, wenn die Werbeaktion gezielt auf die Vernichtung von Werbemitteln der Wettbewerber gerichtet ist. Das Urteil ist damit ein weiterer Ausdruck für das in § 1 UWG kodifizierte Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb. Die Verbraucher wird es freuen.
(BGH, Urteil vom 23.06.2016, Az. I ZR 137/15 – Fremdcoupon-Einlösung)
Dr. Christian Triebe, Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Hamburg