20 Oktober 2020 Blog

Neue Elek­tronik = neue Risi­ken?

Die Technik macht selbstverständlich auch nicht vor der logistischen Abwicklung halt. Der Frachtbrief des 19. Jahrhunderts mit der Dokumentation einer Übernahme wird zunehmend durch eine Scannung eines Barcodes ersetzt und auch die Ankunftszeiten selbst eines Lkw werden inzwischen durch IT Anwendungen nicht nur geplant sondern real ermittelt und danach Abholungen und Anlieferungen zeitlich determiniert. Tatsächlich aber ist insbesondere das deutsche HGB immer noch auf dem Stand - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - des Frachtbriefes, also des schriftlichen Dokumentes: Beide Parteien haben sich das abzuliefernde Gut angesehen und danach gemeinsam ein Dokument aus Papier unterzeichnet.

In der Realität kommt heute ein Fahrer vorbei, der meist einen eigenen kleinen Computer dabei hat, mit dem er das abzuliefernde Paket scannt, der Empfänger hat häufig ein gleichartiges Gerät, mit dem er den gleichen Vorgang auf seinem eigenen Gerät vornimmt und dann gibt es meist doch immer noch daneben eine Form von Frachtdokument, genannt Speditionsauftrag, Ausrollliste o. ä., das dann auch wieder noch von beiden Seiten unterschrieben wird. Nun haben wir also möglicherweise 3 verschiedene Ergebnisse, 2 elektronische, 1 in Papierform. Was soll denn nun geschehen, wenn sich diese 3 Dokumente widersprechen, weil zum Beispiel auf dem Gerät des Fahrers gar keine Abschreibungen vorgenommen worden sind?

Ähnliches stellt sich zum Beispiel bei den modernen ETA-tools, mit denen also die Ankunftszeiten von Lkw im modernen Straßenverkehr möglichst präzise in Echtzeit geplant und nachverfolgt werden können. Sind das denn nun automatisch verbindliche Fixtermine, bei denen eine Verspätung zu einer entsprechenden Haftung führt, wer trägt überhaupt die Verantwortung für eine solche Vorhersage, wenn es zum Beispiel der Empfänger ist, der den Einsatz dieser elektronischen Werkzeuge fordert? Kann der Frachtführer Standgeld verlangen, wenn er sich innerhalb der elektronisch gemeldeten Ankunftszeit bewegt, die aber durchaus früher liegt als die ursprünglich geplante Zeit, dann aber eben nicht zeitgerecht abgefertigt wird?

Letztlich sollen die beiden Beispiele eigentlich nur verdeutlichen, dass unbestritten die elektronischen Hilfsmittel die Abwicklung beschleunigen und auch in vielen Bereichen präzisieren. Trotzdem bleiben insbesondere rechtliche und damit vertragliche Probleme, die man im Vorhinein prüfen und abwägen sollte, um spätere Schwierigkeiten zu vermeiden. Im Fall des Ablieferprozesses mittels Scannung müssen möglicherweise Vorrangregelungen vor einer vielleicht noch vorhandenen Papierform getroffen werden, auch Prozessschritte, um sicherzustellen, dass eben auch Abschreibungen in die elektronische Dokumentation für beide Seiten erkennbar einfließen können. Im 2. Beispielsfall der vorhergesagten Ankunftszeit müssen tatsächlich Verantwortungen, die sich aus dem Einsatz des elektronischen Werkzeuges ergeben zugeordnet werden und dann sind die potentiellen Fragen klären, was ist mit einer Verspätung, wann werden Standgelder bezahlt und Ähnliches.

Wir können Sie in diesen Szenarien sowohl zu den tatsächlichen wie den vertraglichen Konsequenzen beraten und Sie bei der entsprechenden Klärung der Absprachen mit Ihrem Vertragspartner unterstützen.

Dr. Marcus Schriefers

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