Neues BAG-Urteil zur Unwirksamkeit einer Arbeitsvertragsklausel
Neues BAG-Urteil zur Unwirksamkeit einer Arbeitsvertragsklausel
Eine in einem Formulararbeitsvertrag verwendete Klausel, wonach der Angestellte verpflichtet ist, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten, ist vom BAG in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2011 (Az. 9 AZR 236/10) für unwirksam erklärt worden.
Der betroffene Arbeitnehmer war als Flugsicherungskraft am Flughafen Köln/Bonn beschäftigt und hatte in der Vergangenheit durchschnittlich 188 Stunden im Monat gearbeitet. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Dieser legt in § 2 fest, dass die tarifliche Mindestarbeitszeit monatlich 160 Stunden beträgt. Mit seiner Klage wollte der Angestellte, der auf Stundenbasis vergütet wurde, festgestellt wissen, dass seine monatliche Regelarbeitszeit dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang von durchschnittlich 188 Stunden entspricht. In einem weiteren Hilfsantrag verlangte er, dass seine Arbeitszeit erhöht wird.
Während das Arbeitsgericht noch eine Unwirksamkeit der Klausel bejahte, kam das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei der strittigen Arbeitsvertragsklausel um eine nach dem „blue-pencil“ Test teilbare Klausel handelt. Hiernach sei nach Auffassung des LAG nur der Passus „im monatlichen Durchschnitt“ zu unbestimmt. Allerdings sei die zahlenmäßige Höhe der Arbeitszeit „150 Stunden zu arbeiten“ klar und verständlich. Insoweit sei die Klausel in einen wirksamen und eine unwirksamen Teil zu teilen, mit dem Ergebnis, dass die monatliche Arbeitszeit mit 150 Stunden festgestellt werden konnte. Da der Arbeitgeber nicht nachweisen konnte, welche dringenden betrieblichen Gründe gegen eine Erhöhung der Arbeitszeit entsprechend § 9 TzBfG auf 160 Stunden sprechen, hat das LAG dem Hilfsantrag des Arbeitnehmers stattgegeben.
Das BAG hat nunmehr in seiner vorgenannten Entscheidung teilweise die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederhergestellt.
Eine Teilbarkeit der Klausel, wie es das LAG noch vorgenommen hat, ist nicht möglich. Nach zutreffender Auffassung des BAG ist die Klausel im Rahmen der AGB-Prüfung nach § 307 BGB als Ganzes zu unbestimmt und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen mit der Folge, dass die Klausel wegen Intransparenz unwirksam ist. Der Klausel ist nicht zu entnehmen, innerhalb welchen Zeitraums der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit durchschnittlich 150 Stunden im Monat beschäftigen muss. Der Arbeitnehmer bleibt über den Umfang seiner Beschäftigung im Unklaren.
An die Stelle der unwirksamen Arbeitsvertragsklausel tritt daher die Regelung des gültigen Manteltarifvertrages. Entsprechend § 2 dieses Vertrages liegt die monatliche Mindestarbeitszeit bei 160 Stunden. Danach ist der Arbeitnehmer dann auch folgerichtig kein Teilzeitbeschäftigter mehr, sondern Vollzeitangestellter. Sein beim LAG stattgegebener vorsorglich eingelegter Hilfsantrag war damit allerdings zurückzuweisen.
Die Entscheidung des BAG hat für die vertragliche Gestaltung von Arbeitszeitregelungen folgende Konsequenzen: Diese müssen klar und eindeutig festlegen, wie viele Stunden in welchem Zeitraum der Angestellte beschäftigt wird. Ist dies nicht der Fall, kommt der Manteltarifvertrag zur Anwendung. Sofern ein solcher nicht vorhanden ist, muss auf die tatsächlich geleisteten Stunden abgestellt werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der vertraglichen Arbeitszeitfestlegung dringend angeraten werden muss, eine klare und eindeutige Regelung im Hinblick auf Mindestbeschäftigungszeit sowie Referenzzeitraum zu treffen, um die Gefahr der Unwirksamkeit der Klausel im Rahmen einer gerichtlichen AGB-Prüfung zu vermeiden.
(BAG Urt. v. 21.06.2011, 9 AZR 236/10)
Viviane von Aretin, Rechtsanwältin