November 2019 Blog

Sitten­widrig­keit einer Besuchs­pflicht im Tes­ta­ment

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat eine testamentarische Bedingung, welche die Erbeinsetzung der Enkelkinder des Erblassers an eine Besuchspflicht knüpfte, als sittenwidrig und damit nichtig angesehen.

Sachverhalt

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zugrunde lag das Testament eines Erblassers, welcher eine Ehefrau sowie zwei Söhne (nachfolgend „A“ und „B“ genannt) hinterließ. Mit Sohn „B“ war der Erblasser jedoch zerstritten. Er setzte deswegen in seinem Testament seine Ehefrau sowie Sohn „A“ zu jeweils 25% als Erben ein. Hinsichtlich der restlichen 50% hatte er im Testament verfügt, dass dieses Geld seine beiden Enkelkinder – Kinder von Sohn „B“ – zu gleichen Teilen bekommen sollten, „aber nur dann, wenn sie mich mindestens sechs Mal im Jahr besuchen […] Sollte das nicht der Fall sein, werden die restlichen 50% des Geldes zwischen meiner Frau […] und meinem Sohn [„A“] […] aufgeteilt.“ Eine Abschrift des Testaments hatte der Erblasser zu Lebzeiten Sohn „B“ mit einer (vom Erblasser so bezeichneten) „Vollstreckungsandrohung“ zugestellt.

In der Zeit zwischen Testamentserrichtung (sowie dessen Zustellung an Sohn „B“) und Tod des Erblassers besuchten seine Enkelkinder ihn jedoch nicht so häufig, wie im Testament gefordert. Das zuständige Nachlassgericht stellte daher nach dem Tod des Erblassers einen Erbschein aus, welcher die Witwe sowie Sohn „A“ als hälftige Miterben auswies (und die beiden Enkelkinder nicht berücksichtigte). Hiergegen legten die beiden Enkelkinder Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat der Beschwerde stattgegeben. Die vom Erblasser aufgestellte Bedingung, welche die Erbenstellung der Enkelkinder von der Erfüllung der ihnen auferlegten Besuchspflicht abhängig machte, sei sittenwidrig und damit nichtig. Die grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit müsse im Einzelfall zurückstehen, wenn ein Erblasser unter Berücksichtigung der höchstpersönlichen oder wirtschaftlichen Umstände die Entschließungsfreiheit der bedingten Erben unzumutbar unter Druck setze und hierdurch Verhaltensweisen bewirken wolle, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen.

Erschwerend kam im vorliegenden Fall aus Sicht des Gerichts hinzu, dass die Erfüllung der Besuchspflicht durch die Enkelkinder von der Mitwirkung des Sohnes „B“ abhing, womit sich die Enkelkinder (aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zwischen dem Erblasser und ihrem Vater) in einer Zwickmühle befanden. Dies hatte der Erblasser aus Sicht des Gerichts durch die Zustellung der Abschrift des Testamentes an Sohn „B“ auch forcieren wollen.

Aus diesem Grund sind nach dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main auch die beiden Enkelkinder je zu ¼ Erben geworden (ebenso wie die Witwe und Sohn „A“).

Praxishinweise

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat ein breites mediales Echo gefunden, sowohl in der Tagespresse als auch in der juristischen Fachliteratur.

Im juristischen Schrifttum wurde die Entscheidung dabei auch teils durchaus kritisch beurteilt. Die Testierfreiheit ist nämlich ein hohes und durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Gut. Auch ist die Rechtsfigur der Erbeinsetzung unter einer aufschiebenden Bedingung ausdrücklich in den §§ 2074 ff BGB gesetzlich verankert. Schließlich ist der vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Nichtigkeitsgrund der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) ein sehr unbestimmter Rechtsbegriff.

Einerseits mag der von ihm konkret zu entscheidende Einzelfall dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main als ungerecht vorgekommen sein, weshalb das Gericht die beiden Enkelkinder jeweils zu ¼ als Miterben einsetzte. Andererseits wird durch eine solche auf Billigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen gestützte Entscheidung neben der Testierfreiheit des Erblassers auch die Rechtssicherheit ein Stück weit ausgehöhlt.

In der testamentarischen Gestaltungspraxis ist die Entscheidung aber in jedem Fall zu berücksichtigen. Es ist sorgfältiger als früher zu prüfen, inwiefern die Erbeinsetzung im Testament an Bedingungen geknüpft werden kann.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.02.2019 – 20 W 98/18)

Dr. Daniel Komo LL.M. (Bristol), Rechtsanwalt und Notar
Frankfurt am Main

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