Dezember 2022 Blog

Verbot von Windenergieanlagen in Waldgebieten verfassungswidrig

Im September dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschrift im Thüringer Waldgesetz (ThürWaldG), die eine Umwandlung von Waldgebieten zur Nutzung für Windenergieanlagen verbietet, verfassungswidrig und damit nichtig ist.

Sachverhalt

Bei den Beschwerdeführern handelte es sich um mehrere Eigentümer verschiedener Waldflächen im Freistaat Thüringen. Einige der Waldflächen sind unter anderem durch Schädlingsbefall erheblich geschädigt worden. Die Eigentümer beabsichtigen, auf ihren Flächen Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben.

Im Wege der Verfassungsbeschwerde wenden sie sich gegen § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG. Nach dieser Norm, die erst Ende des Jahres 2020 in das ThürWaldG aufgenommen worden ist, ist die Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen unzulässig. Um jedoch in einem Waldgebiet eine Windenergieanlage errichten zu können, müssen die dafür erforderliche Rodung und die Umwandlung des Waldbodens in die neue Nutzungsart zuvor durch die Forstbehörde genehmigt werden. Die von den Beschwerdeführern angegriffene Regelung schließt damit die Errichtung von Windenergieanlagen in Waldgebieten im Land Thüringen ausnahmslos aus.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr mit Beschluss vom 27. September 2022 entschieden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 des ThürWaldG verfassungswidrig ist, weil die Norm die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG verletzt.

Denn das Verbot der Umwandlung einer Waldfläche zur Nutzung für Windenergieanlagen beschränkt das durch Art. 14 GG geschützte Recht des Eigentümers, nach freiem Belieben über die Nutzung seiner Waldfläche zu entscheiden.

Zwar gewährt das Grundgesetz keine schrankenlose Eigentumsfreiheit. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen Regelungen treffen kann, die die Eigentumsfreiheit zugunsten der Rechte anderer begrenzen. Erlässt der Gesetzgeber eine solche Regelung, darf er seinerseits aber nicht gegen das Grundgesetz verstoßen.

Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat der thüringische Landesgesetzgeber durch den Erlass der angegriffenen Regelung im ThürWaldG gegen das Grundgesetz verstoßen. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sei formell verfassungswidrig, weil der Landesgesetzgeber für den Erlass des Gesetzes nicht zuständig gewesen sei. Die Regelung sei dem Bodenrecht zuzuordnen, für das nach Artt. 72 Abs. 1 und 74 Abs. 1 Nr. 18 GG das Prinzip der konkurrierenden Gesetzgebung gilt. Danach können die Landesgesetzgeber nur soweit und solange tätig werden, wie der Bundesgesetzgeber keine eigene Regelung getroffen hat. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bundesgesetzgeber die Flächennutzung für Windenergieanlagen jedoch abschließend geregelt hat. Insbesondere mit § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) habe der Bundesgesetzgeber klargestellt, dass Windenergieanlagen im Außenbereich grundsätzlich zulässig sind. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber daneben bodenrechtliche Regelungen der Länder habe zulassen wollen, die ihrerseits die Flächennutzung zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald ausschließen.

Mit der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Norm, also der Frage, ob der Ausschluss der Nutzung von Waldflächen für Windenergieanlagen das Grundrecht der Eigentumsfreiheit in einem unverhältnismäßigen Maße verkürzt, hat das Gericht sich nicht befasst. 

Auswirkungen und Ausblick

Das Bundesverfassungsgericht hat § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG in seinem Beschluss für nichtig erklärt. Die Nichtigkeit führt dazu, dass die Norm sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit keine Rechtskraft entfaltet. Rechtlich gesehen führt die Nichtigkeit also zu dem Zustand, als ob das Gesetz niemals erlassen worden wäre.

Mit der Entscheidung dürfte der Ausbau von Windenergieanlagen im Bundesland Thüringen neuen Aufschwung bekommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Waldflächen im Land Thüringen etwa 34 % der Gesamtfläche ausmachen und ein großer Teil der dortigen Waldflächen von Sturmschäden und Schädlingsbefällen betroffen ist. Diese Flächen stehen nun für die Errichtung von Windenergieanlagen wieder zur Verfügung. 

Auch in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt haben die Landesgesetzgeber vergleichbare Regelungen zu der nunmehr für verfassungswidrig erklärten Norm erlassen. Es ist davon auszugehen, dass diese Regelungen vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zu korrigieren sind.

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