Wirecard: Feststellungsziele gegen EY im Musterverfahren nicht statthaft
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat in einem Teil-Musterentscheid vom 28.2.2025 sämtliche gegen die Abschlussprüferin der Wirecard AG gerichteten Feststellungsziele als unzulässig zurückgewiesen.
Hintergrund
Hintergrund der Entscheidung ist die Frage, ob die langjährige Abschlussprüferin der Wirecard AG sich bei der Prüfung deren Konzernrechnungslegung für die Jahre 2014 bis 2018 durch die Erteilung jeweils uneingeschränkter Bestätigungsvermerke an fehlerhaften Kapitalmarktinformationen der Gesellschaft beteiligt bzw. selbst solche verbreitet hat. Zur Klärung dieser Frage hat das LG München I zur Einleitung eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) dem BayObLG im Frühjahr 2022 zahlreiche Feststellungsziele vorgelegt, mit Hilfe derer EY ein haftungsbegründendes Fehlverhalten bescheinigt werden sollte.
Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Feststellungen im KapMuG-Verfahren ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG in der bis zum 19.7.2024 geltenden Fassung (a. F.), dass die geltend gemachte Schadensersatzpflicht an die Publikation oder Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation anknüpft.
Entscheidung des BayObLG
Dies hat das BayObLG mit der wohl herrschenden Auffassung verneint. Danach fallen Schadenersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer wegen der Erteilung eines Bestätigungsvermerks jedenfalls gemäß des auf den vorliegenden Fall anwendbaren § 1 Abs. 1, 2 KapMuG a. F. nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Es fehle an dem erforderlichen unmittelbaren Bezug zwischen dem Bestätigungsvermerk, den der Abschlussprüfer an die geprüfte Gesellschaft kommuniziere, und einer öffentlichen Kapitalmarktinformation. Zwar sei der Bestätigungsvermerk eine wichtige Informationsquelle auch für den Markt und insbesondere auch für Kapitalanlageinteressenten. Allerdings veranlasse nicht der Abschlussprüfer, sondern die geprüfte Gesellschaft die mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks verbundene Unterrichtung des Kapitalmarkts.
Einordnung
Die Entscheidung des BayObLG kommt letztlich nicht überraschend. Zwar haben in der Vergangenheit neben Stimmen der Literatur das OLG Stuttgart und auch das OLG München die Ansicht vertreten, das KapMuG sei auch auf den Bestätigungsvermerk anwendbar, da es sich bei diesem um eine öffentliche Kapitalmarktinformation handele. Hiergegen sprach allerdings bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 KapMuG a. F., der ausdrücklich nur Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie Halbjahresfinanzberichte des Emittenten als öffentliche Kapitalmarktinformation bezeichnet hat. Zudem besteht der in § 1 Abs. 2 Nr. 5 KapMuG a. F. genannte Jahresabschluss gemäß § 242 Abs. 3 HGB lediglich aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung und umfasst den Bestätigungsvermerk gerade nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des BayObLG insoweit zwingend.
Im Rahmen von nach dem 19.7.2024 eingeleiteten Verfahren nach dem KapMuG dürfte die vorliegend noch verneinte Frage dagegen bejaht werden: In der seit dem 20.7.2024 geltenden Neufassung des KapMuG hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 9 KapMuG den Anwendungsbereich des Gesetzes ausdrücklich auch auf Bestätigungsvermerke von Abschlussprüfern zu offenzulegenden Jahresabschlüssen und Konzernabschlüssen des Emittenten erweitert.

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