Zentrale Fallstricke der actio pro socio in der KG
Die Spruchpraxis zeigt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Erhebung einer Klage im Wege der actio pro socio vielfach unklar zu sein scheinen. Aus gegebenem Anlass äußerte sich nun das OLG Stuttgart zu Besonderheiten hierzu innerhalb einer Kommanditgesellschaft (KG).
Sachverhalt
In einer KG hielt die Klägerin als Kommanditisten knapp 95% des Gesellschaftskapitals. Der Beklagte zu 3) als geschäftsführender Kommanditist und die Kommanditistin R teilten das restliche Gesellschaftskapital unter sich auf. Als nicht am Gesellschaftskapital beteiligte Komplementärin schied die Beklagte zu 1) im Jahr 2021 aus der KG aus und wurde durch die Beklagte zu 2) ersetzt.
Nach einer Gesellschafterversammlung, an der die Klägerin nicht teilgenommen hatte, erhielt die Beklagte zu 1) von der KG neun Überweisungen über total EUR 26.452,08, welche für die Jahre 2016 bis 2024 jeweils einzeln den Verwendungszweck „Haftsumme“ trugen.
Als sie davon erfuhr, forderte die Klägerin mit an die KG gerichtetem Schreiben unter Anrede des Beklagten zu 3) Rückzahlung der Überweisungen für die Jahre 2022 bis 2024 und forderte diesen zugleich auf, jegliche geschäftsführende Maßnahmen für die KG ab sofort zu unterlassen. Mit weiteren Schreiben forderte sie von der Beklagten zu 1) die Rückzahlung aller geleisteten Zahlungen und den Geschäftsführer der Beklagte zu 2) „als statuarischen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH“ auf, die Zahlungen von der Beklagten zu 1) zurückzufordern.
Eine Reaktion erfolgte von den Beklagten nicht. Ohne eine Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über die Rückforderung der überwiesenen Beträge einzuberufen, erhob die Klägerin sodann im Wege der actio pro socio gegen die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner Klage auf vollständige Rückzahlung der EUR 26.452,08. Das Landgericht gab der Klage für die Jahre 2022 bis 2024 unter Abweisung im Übrigen statt, worauf beide Seiten Berufung einlegten.
Entscheidung
Das OLG begründete seine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils unter vollständiger Abweisung der Klage damit, dass die Voraussetzungen der actio pro socio nicht vorgelegen hätten. Die Klagen gegen alle drei Beklagten seinen mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig gewesen.
Mit Blick auf die Klage gegen die Beklagte zu 1) als ehemaligem Komplementär folge dies daraus, dass die Klägerin vor Klageerhebung weder den Geschäftsführer der KG zur Geltendmachung der Rückzahlung aufgefordert, noch sich um eine Beschlussfassung der KG zu dieser außergewöhnlichen Maßnahme bemüht hatte. Voraussetzung der Zulässigkeit der actio pro socio gemäß 715b Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB sei nämlich das „pflichtwidrige Unterlassen“ einer gerichtlichen Geltendmachung durch den Geschäftsführer, was zwingend eine vorangehende Aufforderung an ihn hierzu voraussetze. Hieran aber hatte es gefehlt, da die Klägerin in ihrem Schreiben an den Beklagten zu 3) von diesem ausdrücklich keine geschäftsführende Maßnahme verlangt, sondern diesem vielmehr jede geschäftsführende Tätigkeit untersagt hatte. Auch das Schreiben an die Beklagte zu 2) änderte hieran nichts, da diese zwar Komplementärin der KG, also solche aber von der Geschäftsführung zugunsten des Beklagten zu 3) ausgeschlossen war.
Das OLG vertritt zudem die wohl überwiegende Auffassung, dass sich der klagende Gesellschafter vor Klageerhebung um die Einberufung einer Gesellschafterversammlung habe bemühen müssen. Dies folge daraus, dass die Geltendmachung der begehrten Rückzahlungsansprüche keine „gewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung“ im Sinne des § 715 Abs. 2 Satz 2 BGB darstelle, weshalb es insoweit einer Beschlussfassung der Gesellschafter bedurft hätte. Hierum aber hatte sich die Klägerin nicht bemüht, obwohl sie aufgrund ihrer Kapitalanteile zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung ermächtigt war. Im Ergebnis fehlte es der Klägerin damit an der Prozessführungsbefugnis.
Aus den gleichen Gründen hat das OLG auch die Klagen gegen die Beklagten zu 2) und 3) als unzulässig gewesen.
Praxisanmerkung
Nachdem der BGH die Fallstricke der actio pro socio unlängst unlängst im Zusammenhang mit Organhaftungsansprüchen gegen einen GmbH-Fremdgeschäftsführer innerhalb einer zweigliedrigen GmbH aufgezeigt hat (wir berichteten), war nun im Fall des OLG Stuttgart eine Kommanditgesellschaft Ort des Geschehens.
Und wie so oft in der Praxis war in der betreffenden KG die Geschäftsführungsbefugnis entgegen § 164 HGB einem der Kommanditisten übertragen. Hier lauerte dann auch der erste Fallstrick, weil die Klägerin mit ihrer Aufforderung zur Rückforderung der Zahlungen an die Beklagte zu 2) als Komplementärin der KG im gesetzlichen Normalfall „alles richtig gemacht“ und der zum Schutz der Geschäftsführung dienenden Subsidiarität der actio pro socio genüge getan haben würde. Mangels Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu2) aber ging diese Aufforderung vorliegend ins Leere. Im Fall der Fälle lohnt daher ein näherer Blick auf die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Geschäftsführung.
Nicht wirklich überraschend ist auch die Auffassung des OLG zum Beschlusserfordernis aus § 715 Abs. 2 BGB, welches der auch insoweit subsidiären actio pro socio zum Schutz der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung vorgeschaltet ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur GmbH ist hiervon nur ausnahmsweise dann abzusehen, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen. Diese Voraussetzungen aber lagen ersichtlich nicht vor: Die Klägerin hielt knapp 95% der Gesellschaftsanteile, hätte den erforderlichen Beschluss problemlos erlangen und – falls der Beklagte zu 3) sich geweigerte hätte, den Beschluss durchzuführen – in entsprechender Anwendung der § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 46 Nr. 8 Hlbs. 2 GmbHG einen besonderen Vertreter bestellen können.
Dass die unterlassene Gesellschafterversammlung auch keine „bloße Förmelei“ dargestellt hätte, erklärt sich bereits daraus, dass der Kommanditistin R ohne eine Beschlussfassung ihr unverzichtbares Recht auf Teilhabe an der Meinungs- und Willensbildung der Gesellschaft genommen wurde.
(OLG Stuttgart, Urteil vom 4. November 2025 – 21 U 17/25)

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