Anlagenbau: Rügepflicht bei Einbau eines Bauteils in ein Bauwerk
Wie jeder andere Käufer im Rahmen eines Handelsgeschäftes unterliegt auch der Bauunternehmer, der sich die Baustoffe für sein Bauwerk liefern lässt, der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, hat der BGH in einer neuen Entscheidung nochmals klargestellt: Die Rügepflicht darf nicht überspannt werden.
Sachverhalt
Im hier zu besprechenden Fall hatte ein Bauunternehmen, welches mit dem Bau einer Trocknungsanlage für Klärschlamm in China beauftragt worden war, sich von einem weiteren Unternehmen Bauteile liefern lassen. Bei diesen Bauteilen handelte es sich um speziell konstruierte Walzen, welche dann vom Bauunternehmer in die Trocknungsanlage eingebaut wurden. Kurze Zeit nach dem Einbau stellten sich an den Walzen erhebliche Mängel heraus, die einen Betrieb der Anlage unmöglich machen. Eine daraufhin vorgenommene Untersuchung ergab, dass die Walzen bereits fehlerhaft hergestellt worden waren. Der Hersteller der Walzen berief sich im anschließenden Schadenersatzprozess darauf, dass der Bauunternehmer die Walzen bei Empfangnahme nicht ausreichend untersucht habe. Er hätte einen Sachverständigen hinzuziehen müssen; wohl auch von einer Ultraschalluntersuchung der Walzen war die Rede.
Der Bauunternehmer hatte die Walzen lediglich einer Sichtprüfung unterzogen, da er auch keine besonderen Hinweise auf eine Mangelhaftigkeit hatte.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass an die Prüfpflicht gemäß § 377 HGB keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Zwar führt der BGH zunächst aus, dass sich die Anforderungen an Art und Weise der Untersuchungen nicht allgemein festlegen lasse. Maßgebend ist insoweit, welche Maßnahmen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges von einem ordentlichen Kaufmann erwartet werden können. Im Einzelfall hat hier eine Interessenabwägung zwischen den Käufer- und Verkäuferinteressen stattzufinden, wobei auch der Kosten- und Zeitaufwand, der beim Käufer entsteht, zu berücksichtigen ist, insbesondere ist auch zu berücksichtigen, welche Prüfungsmöglichkeiten dem Käufer selbst zur Verfügung stehen.
Dem Urteil des BGH ist eine leichte Tendenz dahingehend zu entnehmen, dass hier im Zweifel die Käuferinteressen überwiegen. So lässt sich insbesondere dem Urteil entnehmen, dass ohne besondere Anhaltspunkte, etwa aus Erfahrungen mit demselben Verkäufer oder derselben Ware in der Vergangenheit, keine besonderen Anforderungen an den Untersuchungsumfang durch den Käufer gestellt werden. So wird in der Regel eine reine Sichtprüfung ausreichend sein, ohne dass der Käufer verpflichtet wäre, hier einen sachverständigen Dritten hinzuziehen.
Hinweise für die Praxis
Das vorliegende Urteil des BGH setzt die bisherige Rechtsprechung fort, zeigt aber gleichzeitig auf, dass im konkreten Einzelfall eine eingehendere Prüfung erforderlich sein kann. Will hier der Bauunternehmer sichergehen, dass er nicht durch eine zu oberflächliche Prüfung seiner Rechte verlustig geht, sollte er sich hier in Zweifel Sachverständigenrat einholen.
Urteil des BGH vom 24.02.2016 (AZ: VIII ZR 38/15)
Johannes Schuhmann
Rechtsanwalt, Frankfurt am Main