Befangenheit, politische Einflussnahme und die „5G-Frequenzauktion“
Im Jahr 2019 fand die sog. „5G-Frequenzauktion“ statt. Das Verwaltungsgericht Köln hat jetzt wesentliche der Versteigerung zugrundeliegende Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur für rechtswidrig erklärt und aufgehoben.
Sachverhalt
Im Rahmen der 5G-Frequenzauktion wurden Frequenzen im Umfang von insgesamt 420 MHz in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz versteigert. Der Bund nahm Versteigerungserlöse in Höhe rund 6,55 Mrd. € ein. Der Versteigerung lagen insgesamt vier Teilentscheidungen der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26.11.2018 zugrunde. Diese Teilentscheidungen betrafen die Anordnung eines Vergabeverfahrens, die Auswahl des Versteigerungsverfahrens sowie jeweils die Festlegung der Vergabebedingungen und der Versteigerungsregeln. Alle vier Vergabeentscheidungen wurden von Marktteilnehmern – Mobilfunknetzbetreibern und Diensteanbietern – angefochten.
Entscheidung
In zweiter Runde – nach Zurückverweisung der Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht – waren die Klagen von zwei Diensteanbieterinnen gegen die Teilentscheidungen zur Festlegung der Vergabebedingungen und der Versteigerungsregeln vor dem Verwaltungsgericht Köln erfolgreich. Die Klägerinnen hatten im Verwaltungsverfahren die Auferlegung einer Diensteanbieterverpflichtung mit Kontrahierungszwang in den Vergabebedingungen beantragt; die Präsidentenkammer hatte sich demgegenüber – nach den Feststellungen des Gerichts rechtswidrig – für die Auferlegung eines bloßen Verhandlungsgebots ohne Kontrahierungszwang entschieden. Das Gericht hob die betreffenden Teilentscheidungen mit Urteilen vom 26.08.2024 (Az. 1 K 8531/18 und 1 K 1281/22) auf und verpflichtete die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung der Anträge der Klägerinnen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Das Verwaltungsgericht stellte die Besorgnis der Befangenheit aller drei Mitglieder der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur fest. Auf Basis der einschlägigen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätze in §§ 20, 21 VwVfG führte das Gericht aus, dass bereits der böse Schein der Parteilichkeit der handelnden Amtsträger für die Annahme einer Befangenheit ausreicht. Im vorliegenden Fall war nach Auffassung des Gerichts die Verfahrensgestaltung der Präsidentenkammer so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für die davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entstehen musste. Dies galt nach den Feststellungen des Gerichts auch für die Klägerinnen hinsichtlich der Entscheidung der Präsidentenkammer über die von ihnen beantragte Diensteanbieterverpflichtung.
Das Gericht stützte seine Feststellungen auf eine detaillierte Prüfung und Auswertung der dem Präsidentenkammerverfahren zugrundeliegenden Verwaltungsvorgänge. Dabei mussten die Klägerinnen die Einsicht in entscheidungserhebliche Teile der Verwaltungsvorgänge zunächst in einem parallelen verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes erstreiten. Es handelte sich dabei um Akten des BMVI, des damaligen BMWI und des Bundeskanzleramts, die insgesamt in Verbindung mit den Akten der Bundesnetzagentur erst das vollständige Bild des Verfahrens der Präsidentenkammer zeigten.
Die behördlichen Akten belegten nach Überzeugung des Gerichts einen massiven politischen Druck, insbesondere seitens des BMVI auf die Präsidentenkammer mit dem Ziel, die Verfahrensabläufe und die Inhalte des Frequenzvergabeverfahrens zu beeinflussen. Das Gericht stellte fest, dass der behördeninterne Umgang mit diesem politischen Druck mit Blick auf die gesetzliche Vorgabe einer transparenten Verfahrensgestaltung unzureichend war. Termine auf politischer Ebene waren in den Akten nur unzureichend dokumentiert. Politische Forderungen des BMVI wurden den Verfahrensbeteiligten nicht offengelegt. Dem Ministerium wurde ein privilegierter Zugang zu Arbeitspapieren und Entscheidungsentwürfen gewährt, während andere Verfahrensbeteiligten nicht in gleicher Weise zu laufenden behördeninternen Entscheidungsprozessen informiert wurden. Dem politischen Druck wurde nach Überzeugung des Gerichts auch teilweise nachgegeben. Damit wurde gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur verstoßen. Schließlich stellte das Gericht faktische Vorfestlegungen der Präsidentenkammer durch ministerielle Vorgaben hinsichtlich einzelner Vergabebedingungen und Versteigerungsregeln fest, so u.a. bei den Festlegungen zu Fälligkeitszeitpunkt, Zahlungsaufschub und Stundung von Zahlungen. Hinsichtlich der Entscheidung der Präsidentenkammer über die von den Klägerinnen beantragte Diensteanbieterverpflichtung war nach Auffassung des Gerichts nicht nachvollziehbar, zu welchem Zeitpunkt im Verfahren und aus welchen Gründen sich die Präsidentenkammer entgegen ihrer ursprünglichen Erwägungen für ein (bloßes) Verhandlungsgebot und gegen eine (harte) Diensteanbieterverpflichtung entschied.
Praxisfolgen
Die Urteile des Verwaltungsgerichts sind noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen hat die Bundesnetzagentur Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Werden die Urteile rechtskräftig, entfallen maßgebliche Rechtsgrundlagen der 5G-Frequenzauktion. Die auf Basis der Versteigerungsergebnisse erlassenen individuellen Frequenzzuteilungen an die erfolgreichen Bieter sind nach der gesetzlichen Konzeption eigenständige Verwaltungsakte; sie bleiben demnach ungeachtet eines Wegfalls der Vergabeentscheidungen und der daraus folgenden Rechtswidrigkeit wirksam. Die Bundesnetzagentur hätte daher über eine Rücknahme der Zuteilungsbescheide nach § 48 VwVfG zu entscheiden. Zwar steht die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde und ist bei begünstigenden Verwaltungsakten nur unter den gesetzlich definierten Voraussetzungen zulässig. Die Zuteilungsbescheide beruhen jedoch maßgeblich auch auf den für rechtswidrig erklärten Vergabeentscheidungen. Werden diese aufgehoben, liegt daher hinsichtlich der Rücknahme der Zuteilungsbescheide eine Ermessensreduzierung der Bundesnetzagentur auf null nahe.
Hiervon ausgehend dürfte – sollten die Urteile des Verwaltungsgerichts bestandskräftig werden – eine Wiederholung der Versteigerung auf Basis vollständig neuer Vergabeentscheidungen rechtlich gefordert sein. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts wiegen schwer. Danach haben politische Einflussnahme, Befangenheit der Präsidentenkammer, Verstoß gegen die unionsrechtlich gesicherte Unabhängigkeit der BNetzA als nationale Regulierungsbehörde, faktische Vorfestlegungen und abwägungsfehlerhafte Festlegungen das Vergabeverfahren maßgeblich geprägt. Frequenzen sind ein knappes öffentliches Gut und von erheblicher wirtschaftlicher, sozialer und gesellschaftlicher Bedeutung. Im Mobilfunkmarkt sind Frequenzen eine maßgebliche Marktzutrittsressource mit entsprechender Wettbewerbsrelevanz. Für die Verteilung dieser knappen Ressource trägt die Bundesnetzagentur gesetzlich die Verantwortung; hierbei hat sie eine grundrechtskonforme, transparente und nichtdiskriminierende Vergabe sicherzustellen. Verfahrensrechtliche Absicherungen gegen politische Einflussnahme, eine unparteiliche und transparente Verfahrensgestaltung unter Beachtung verwaltungsverfahrensrechtlicher Pflichten der Bundesnetzagentur dürften in einer Neuauflage der Versteigerung auch wesentliche Voraussetzung dafür sein, das Vertrauen der Marktteilnehmer in wettbewerbs- und grundrechtssensible Entscheidungsprozesse der Bundesnetzagentur wiederherzustellen.

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