Billiges Ermessen bei Bonusentscheidungen
Die früher in Arbeitsverträgen häufig verwendeten Freiwilligkeitsvorbehalte bei zusätzlich zur Grundvergütung gewährten Leistungen (z.B. bei Bonuszahlungen) werden seit ein paar Jahren von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung mehr und mehr eingeschränkt und unter verschärfte Voraussetzungen gestellt. Daher gehen Unternehmen immer häufiger dazu über, zusätzlich zu der monatlichen Vergütung gewährte Leistungen nicht mehr als freiwillige Leistung zu bezeichnen, sondern als Leistungen mit einem echten Rechtsanspruch, die Höhe der Leistung jedoch billigem Ermessen anheimzustellen. Dies soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Höhe der Leistung im Einzelfall weitgehend kontrollfrei festlegen zu können.
Auch dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht jetzt in einer aktuellen Entscheidung erste Schranken gesetzt. Es ging um den Fall eines Mitarbeiters einer internationalen Großbank, der laut Arbeitsvertrag einem Bonussystem der Bank in der jeweils gültigen Fassung unterliegen sollte. Dieses Bonussystem gewährte ihm einen Jahresbonus, der seitens der Bank nach billigem Ermessen festgelegt werden sollte.
Während der Mitarbeiter im ersten Jahr seiner Tätigkeit noch einen Bonus in sechsstelliger Höhe erhielt, erhielt er im zweiten Jahr „nur“ noch eine Zahlung von unter 10.000 €, im dritten Jahr wurde gar kein Bonus mehr gewährt. Der Arbeitgeber setzte den Bonus also quasi nach billigem Ermessen auf Null fest, während andere Mitarbeiter durchaus Boni bekamen.
Der Fall ging durch den Instanzenzug bis zum Bundesarbeitsgericht. Dieses hat nun am 3. August 2016 entschieden, dass es zwar durchaus zulässig sei, einen Bonus zu vereinbaren, der vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen festgelegt werden soll. In einem solchen Fall ist es dann allerdings Sache des Arbeitgebers, hinreichend detailliert darzulegen und zu begründen, wie der Arbeitgeber denn zur Festsetzung des Bonus in einer bestimmten Höhe gekommen sein will. Insbesondere bei einer Festsetzung auf Null hat der Arbeitgeber die Berechtigung dafür im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen. Das LAG hatte noch entscheiden, der Arbeitnehmer habe hinreichende Anhaltspunkte für eine gerichtliche Bonusfestsetzung vorzutragen.
Fehlt eine Darlegung des Arbeitgebers oder erachtet sie das Gericht für nicht ausreichend, gilt die Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber als unverbindlich, und in einem solchen Fall erfolgt die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB dann durch das Gericht. § 315 Abs. 3 BGB regelt folgendes: Soll die Bestimmung (einer Leistung) nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen.
Etwas verwirrend an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist die Aussage, Grundlage für die gerichtliche Leistungsbestimmung und Festsetzung der Bonushöhe sei der Sachvortrag der Parteien; es gebe keine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinne. Wie diese recht kryptische Aussage in gerichtlichen Verfahren in der Praxis umgesetzt werden soll, bleibt mit Spannung abzuwarten. Das Bundesarbeitsgericht brauchte dieses Problem nicht zu lösen: Da es sich bei der gerichtlichen Leistungsbestimmung nach § 315 BGB um eine Sache der Tatsacheninstanzen handele, konnte und musste das Bundesarbeitsgericht den Fall nicht abschließend entscheiden, sondern konnte ihn an das zuständige Landesarbeitsgericht Hessen zurückverweisen, wo er nun erneut verhandelt wird.
BAG, Urteil vom 3. August 2016 (10 AZR 710/14)
Christoph J. Hauptvogel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
München