Dezember 2025 Blog

Die Gigabit-Infrastrukturverordnung als neue Stufe für Europas digitale Infrastruktur

Ein neuer strategischer Rahmen für Europas digitale Netze

Mit dem Inkrafttreten der Gigabit-Infrastrukturverordnung (Gigabit Infrastructure Act – GIA – VO (EU) 2024/1309) am 12. November 2025 setzt die Europäische Union einen regulatorischen Akzent für den flächendeckenden Ausbau moderner digitaler Netze. Die Verordnung verfolgt ein ambitioniertes Ziel: den Aufbau einer europaweit einheitlichen, effizienten und kostengünstigen Infrastruktur für Netze mit sehr hoher Kapazität. Damit soll der bislang fragmentierte Rechtsrahmen überwunden werden, der vielerorts zu Verzögerungen, Insellösungen und erheblichen Investitionshemmnissen geführt hat. Dies war zurückzuführen auf ein wenig harmonisiertes Zusammenspiel aus bestehenden Regelungen im TKG, sowie Vorgaben aus der europäischen Kostensenkungsrichtlinie aus 2014, die europaweit unterschiedlich umgesetzt wurde (in Deutschland durch das DigiNetzG). Der Ansatz der GIA zeigt, dass die EU den Ausbau digitaler Infrastrukturen als strategisches und vor allem europäisches Projekt begreift. Die Verordnung orientiert sich an dem Grundsatz, dass vorhandene physische Infrastrukturen stärker genutzt, Verwaltungsprozesse konsequent digitalisiert und Genehmigungen beschleunigt werden müssen. Sie bildet damit einen systematischen und harmonisierten Gegenentwurf zu den bisher national geprägten Modellen der alten Kostensenkungsrichtlinie und gilt unmittelbar – unabhängig von der Geschwindigkeit nationaler Gesetzesanpassungen.

Erweiterter Pflichtenkreis: Mitnutzung und Transparenz als Kerninstrumente

Zentraler Bestandteil des GIA ist die Erweiterung der Kreis der Verpflichteten. Erstmals werden nicht nur Telekommunikationsunternehmen, sondern auch Betreiber sonstiger physischer Infrastrukturen mit Versorgungsbezug (Gas, Strom, Wärme, Wasser) oder Verkehrsinfrastruktur sowie öffentliche Stellen einbezogen. Sie müssen künftig umfangreiche Informationen über Lage, Art und Nutzbarkeit ihrer Infrastrukturen bereitstellen und unter bestimmten Voraussetzungen deren Mitnutzung ermöglichen. Gerade der Umfang der Mitnutzung bestehender Infrastrukturen war in Vergangenheit ein regelmäßiger Zankapfel beim Ausbau, dem Zugang und der Mitnutzung von Netzen. Die Transparenzpflichten, die ab 12. Mai 2026 wirksam werden, verlangen Datenbereitstellungen an sogenannte zentrale Informationsstellen (ZIS), wo sie von Betreibern und Telekommunikationsinfrastruktur zwecks Ausbauplänen abgerufen werden können. Die FAQ des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) verdeutlichen, dass diese Angaben detailliert sein müssen und technische wie organisatorische Standards erfordern, die vielerorts zunächst geschaffen werden müssen.

Beschleunigte Verfahren durch digitale Prozesse und Genehmigungsfiktion

Ein weiterer Schwerpunkt der Verordnung liegt in der Verfahrensbeschleunigung und reiht sich damit in diverse andere Vorhaben auf EU-Ebene (etwa Digital Omnibus) ein. Der GIA verpflichtet die Mitgliedstaaten, Genehmigungen für den Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität grundsätzlich innerhalb von vier Monaten zu erteilen. Bleibt eine Entscheidung aus, tritt eine Genehmigungsfiktion ein – eine erhebliche Verschärfung gegenüber bisherigen nationalen Regelungen. Für Behörden bedeutet dies, interne Abläufe neu zu strukturieren und digitale Antragswege einzuführen, da die Verordnung einen vollständig digitalisierten Genehmigungsprozess vorsieht. Vor allem für Kommunen entsteht dadurch kurzfristig erheblicher Modernisierungsdruck, zugleich aber auch die Chance, Prozesse effizienter und transparenter zu gestalten. Deutschland hat bereits mit der zum 30. Juli 2025 in Kraft getretenen Änderung des Telekommunikationsgesetzes den Netzausbau als überragendes öffentliches Interesse normiert, was erheblichen Einfluss auf die Abwägungsprozesse in Genehmigungsverfahren haben wird.

Glasfaser als Standard: Neue Vorgaben für Neubauten und Renovierungen

Hoch relevant für Bauwirtschaft, Wohnungsunternehmen und Immobilienentwickler ist die neue Pflicht ab 12. Februar 2026 zur Ausstattung von Neubauten sowie bestimmten größeren Renovierungen mit glasfaserfähigen, gebäudeinternen Infrastrukturen und Glasfaserverkabelung (sog. Netzebene 4). Die Vorgaben gehen deutlich über bisherige Pflichten wie die Installation von Leerrohren hinaus. Wie das BMDS im FAQ betont, betrifft dies insbesondere Mehrfamilienhäuser und gewerblich genutzte Gebäude. Damit gibt die EU gewissermaßen Zukunftsfähigkeit by design vor. Hierfür anfallende Mehrkosten dürften am Ende bei den Mietern landen. Gleichzeitig bestehen Unsicherheiten, da detaillierte technische Normen in Deutschland zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht vollständig vorlagen und erst im Zuge der nationalen Ausgestaltung präzisiert werden müssen.

Übergangsphase mit Rechtsunsicherheiten: Vorrang des EU-Rechts

Die Einführung der GIA leitet eine anspruchsvolle Übergangsphase ein. Bis zur weiteren Anpassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und darauf basierender Rechtsverordnungen und technischen Regelwerke gilt der GIA unmittelbar und parallel zu bestehenden Normen. Das BMDS weist ausdrücklich darauf hin, dass EU-Recht im Konfliktfall Vorrang hat. Für Marktakteure kann dies insbesondere dann Unsicherheiten verursachen, etwa hinsichtlich Zugangspflichten, Antragsfristen oder technischer Anforderungen Einzelheiten und Details offen sind und Streitpotential bergen. Eine schnelle und konsistente nationale Umsetzung ist daher zentral, um Investitionen nicht zu bremsen und die Rechtssicherheit zu stärken.

Chancen und Herausforderungen für Deutschland

Die Gigabit-Infrastrukturverordnung markiert eine konsequente Fortführung des europäischen Infrastrukturausbaus gemäß der Datenstrategie 2030 der EU. Sie setzt auf digitale Verwaltungsprozesse, Transparenzpflichten, sektorenübergreifende Kooperation und verbindliche Fristen – und eröffnet damit die Chance, langjährige Ausbauhemmnisse zu überwinden. Für Deutschland bietet der GIA die Möglichkeit, den Glasfaser- und Mobilfunkausbau insbesondere in ländlichen Regionen entscheidend voranzutreiben. Gleichzeitig wird sich erst in der Praxis zeigen, ob die neuen Regelungen tatsächlich zu einem beschleunigten Ausbau führen oder ob technische Unklarheiten und föderale Hürden den Prozess weiterhin bremsen. Gerade Transparenz- und Mitteilungspflichten können einen überbordenden bürokratischen Aufwand für Unternehmen bedeuten. Klar ist: Der GIA soll ein strategischer Baustein europäischer digitaler Souveränität sein – doch erst eine zügige und kohärente Ausformung von Details und Verfahren auf nationaler Ebene wird darüber entscheiden, ob die ambitionierten Ziele wie beabsichtigt Wirklichkeit werden.

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