März 2023 Blog

EU-Kommission veröffentlicht Maßnahmenpaket zur Beschleunigung des Breitbandausbaus

Die Europäische Kommission hat am 23.02.2023 ein als „Connectivity-Package“ bezeichnetes Maßnahmenpaket veröffentlicht. Es beinhaltet Vorhaben zur Unterstützung des digitalen Wandels in der Europäischen Union und adressiert insbesondere die europäische Telekommunikationsbranche. 

Das Maßnahmenpaket beinhaltet im Wesentlichen drei Kernaspekte: (1.) das Vorhaben einer schon jetzt stark umstrittenen Verpflichtung von datenmächtigen OTT-Anbietern (Netflix, Google, Amazon etc.) zur kostenpflichtigen Teilhabe an bestehenden Netzinfrastrukturen nationaler Telekommunikationsanbieter, (2.) eine öffentliche Konsultation zur Zukunft der TK-Branche sowie (3.) den sog. Gigabit Infrastructure Act (GIA), welcher nachfolgend in seinen Kernpunkten und voraussichtlichen Auswirkungen auf Deutschland unter Berücksichtigung des Status quo vorgestellt wird. 

Hintergrund

Notwendig ist das europäische Maßnahmenpaket aus naheliegenden Erwägungen: Die zunehmende Verbreitung fortschrittlicher, digitaler Technologien begründet seit einigen Jahren und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie dringenden Bedarf an mehr Bandbreite und höheren Geschwindigkeiten, um intelligentere, flexiblere und innovativere Dienste für BürgerInnen, Unternehmen und den öffentlichen Sektor zu ermöglichen. Hier sind nur die Entwicklung und Nutzung von Technologien wie Cloud, künstlicher Intelligenz (KI), Datenräume, virtuelle Realität oder das Metaverse zu nennen, die schon heute immense Datentransporte erfordern. Durch eine (Neu-) Fokussierung auf digitale Hochgeschwindigkeitsnetze im Zuge des GIA soll der wachsenden Nachfrage nach schnelleren, zuverlässigeren und datenintensiven Verbindungen in den nächsten Jahren Rechnung getragen werden. 

Der GIA wird die Richtlinie zur Senkung der Breitbandkosten („Kostensenkungsrichtlinie“) ersetzen und soll neue Standards beim Bau und dem Betrieb von digitalen Gigabit-Netzen setzen. Die Kostensenkungsrichtlinie aus dem Jahr 2014 bildete bislang die Grundlage für die Teilhabe von Dritten an Telekommunikationsinfrastrukturen. Sie fand 2016 im Rahmen des Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetz-Gesetz) ihre Umsetzung in Deutschland. Ziel des Gesetzes war es, beim Breitbandausbau bestehende Synergieeffekte bei der Teilhabe von Netzen bestmöglich zu nutzen und schon beim Neubau von Netzinfrastrukturen eine Teilhabe sowie den Einbau von Komponenten von Netzen mit hoher Kapazität sicherzustellen. 

Der Gigabit Infrastructure Act

Trotz eines im europaweiten Vergleich schleppenden Breitbandausbaus in Deutschland ist zu fragen, inwieweit der geplante GIA tatsächlich eine effektive Beschleunigung bringen kann. 

Der GIA zielt darauf ab, die Herausforderung des langsamen und kostspieligen Aufbaus der zugrundeliegenden physischen Infrastruktur zu überwinden, um effizient fortschrittliche Gigabit-Netzwerke zu unterstützen. Er soll den Verwaltungsaufwand sowie die Kosten im Zusammenhang mit der Errichtung von neuen Gigabit-Netzen verringern. Hierzu sollen die Genehmigungsverfahren vereinfacht (Stichwort „Genehmigungsfiktion“ nach Zeitablauf) und digitalisiert werden. Der GIA soll auch die Koordinierung der Bauarbeiten zwischen den einzelnen Netzbetreibern verbessern, um die zugrundeliegende physische Infrastruktur zu errichten und sicherstellen, dass die betreffenden Akteure Zugang erhalten. Entsprechende Koordinierungsarbeiten machen üblicherweise bis zu 70 % der Kosten eines Netzausbaus aus und sollen entsprechende Einsparungspotentiale bieten. 

Darüber hinaus müssen alle neuen oder grundlegend renovierten Gebäude, außer in begründeten Fällen, mit Glasfaserleitungen ausgestattet werden. BürgerInnen sollen „fibre ready“ gemacht werden, um zukunftsfähige Anschlussdienste nutzen zu können. Das bedeutet, dass die Glasfaser-In-House-Verkabelung bis zum Netzabschlusspunkt in der Wohnung des Endnutzers zu verlegen ist. Eigentümer entsprechend modernisierter Gebäude sollen dafür eine Zertifizierung erhalten und damit Anreiz zur Umsetzung haben.

Interessant ist auch, dass erstmals Netze öffentlicher Stellen, die bisher weitestgehend autark waren und Zugangsverpflichtungen grundsätzlich nicht unterlagen, zu den fokussierten Infrastrukturen gehören sollen. Außerdem werden auch Anbieter physischer drahtloser Infrastrukturen wie Mastunternehmen erfasst sein. Hiermit soll u.a. eine weitgehende 5G-Netzabdeckung erreicht werden. Die relevanten (Geo-)Daten, die sich beim Neubau von Gigabit-Netzen ergeben, sind an eine nationale Stelle zu übermitteln, damit Dritten die Mitnutzung der Netze ermöglicht wird.

Bemerkenswert ist, dass der Entwurf des GIA im Wege der Verordnung ausgestaltet ist und damit die Umsetzung durch ein nationales Gesetz entfallen würde. Insofern werden die Mitgliedsstaaten – wenn überhaupt – nur geringe Anpassungsmöglichkeiten haben, was durchaus als Zeichen der Entschlossenheit der Kommission und Unzufriedenheit der Ergebnisse unter der Kostensenkungsrichtlinie zu werten ist. Es wird sich allerdings zeigen müssen, ob der GIA nach den anstehenden Diskussionen im Europäischen Rat und dem EU-Parlament noch als Verordnung und nicht als Richtlinie ausgestaltet wird.

Auswirkungen auf Deutschland

Es bleibt zweifelhaft, ob der GIA in Deutschland zu einer spürbaren Beschleunigung des Bereitbandausbaus beitragen kann. Einige der genannten Punkte wurden durch den deutschen Gesetzgeber in den letzten Jahren bereits angegangen. Beispielsweise müssen Infrastrukturdaten von Netzen bereits an den sog. Infrastrukturatlas gemeldet und nachfragenden Unternehmen die Informationen offengelegt werden. Im Förderkontext sogar mit wesentlich kürzeren Fristen als nach dem TKG. Auch sieht der § 142 TKG bereits die Möglichkeit der Informationsgewinnung zur Koordinierung von Bauarbeiten vor. Die praktische Wirksamkeit der TKG-Vorschriften ist – insbesondere der Netz-Mitnutzungsansprüche §§ 138, 155 TKG – aber insgesamt hinter der Intention des deutschen Gesetzgebers und der EU-Kommission zurückgeblieben.

Ein aktuell drängendes Problem der TK-Branche adressiert der GIA allerdings nicht: Den derzeit stattfindenden (strategischen) Überbau von Glasfasernetzen. Branchenvertretern zufolge ist sogar zu befürchten, dass der GIA den volkswirtschaftlich zweifelhaften Glasfaser-Doppelausbau fördern wird.

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