Für viel Werbung reicht ein Klick. Wird das so bleiben?
Unternehmen, die ihre Werbung auf mehreren Kanälen ausbringen wollen (z.B. Telefon, SMS, E-Mail), benötigen hierfür laut Bundesgerichtshof (BGH) nur eine einzige Einwilligung, um die Vorschriften des UWG einzuhalten. Es stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung auch im Hinblick auf den künftig geltenden europäischen Rechtsrahmen Bestand haben kann.
Sachverhalt
Der BGH musste die Frage klären, ob eine einzige Einwilligungserklärung für mehrere Werbekanäle ausreicht. Geklagt hatte der Verbraucherzentralen Bundesverband e.V. Die streitgegenständliche Klausel einer AGB lautete:
„Ich möchte künftig über neue Angebote und Services der T per E-Mail, Telefon, SMS oder MMS persönlich informiert und beraten werden.“
Diese Einwilligung konnten Kunden mit nur einem einzigen Klick abgeben. Der klagende Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sah in dieser Klausel eine unangemessene Benachteiligung für Verbraucher und ging gerichtlich dagegen vor. Die Klausel sei weder im Hinblick auf die Zeitdauer noch auf die Reichweite ausreichend transparent.
Entscheidung des BGH
Der BGH entschied, dass kein Verstoß gegen § 307 BGB gegeben sei. Die Kunden könnten der oben genannten Klausel entnehmen, für welche konkreten Zwecke ihre Daten verarbeitet werden. Die Einwilligung der Kunden erfolge demnach in Kenntnis der Sachlage und für den konkreten Fall (mehrere Kanäle zur Kontaktaufnahme). Ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liege somit nicht vor.
Diese Entscheidung des BGH markiert den derzeitigen status quo der Anforderungen an die Einwilligung in den Erhalt elektronischer Werbung; insbesondere aus wettbewerbsrechtlicher Sicht. Im Hinblick auf den zukünftigen EU-Rechtsrahmen könnte sich dies jedoch ändern.
Zukünftiger EU-Rechtsrahmen
Von Bedeutung und spannend ist die BGH-Entscheidung insbesondere deshalb, weil die EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die EU Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation (ePrivacyVO) künftig den maßgeblichen Rechtsrahmen für digitales Marketing und Werbung setzten.
Kann die BGH-Entscheidung ab Geltung der DSGVO (ab 25. Mai 2018) und der ePrivacyVO (voraussichtlich nicht vor 2019) in Zukunft Bestand haben?
DSGVO
Die DSGVO enthält – mit Ausnahme des Widerspruchsrechts für Direktwerbung in Art. 21 – keine spezifische Regelung für digitales Marketing; ihr lassen sich jedoch grundlegende Voraussetzungen für die Verarbeitung von Kontaktdaten als personenbezogene Daten entnehmen. Die Kontaktaufnahme durch Unternehmen setzt – wie jede andere Verarbeitung von personenbezogenen Daten – eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung voraus. Neben die – vor allem im deutschen Recht bisher sehr prominente – Einwilligung tritt nun das „berechtigte Interesse“ des Unternehmens als mögliche gesetzliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung (vgl. EG 47 S.7).
Sofern ein Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung hat (hierzu können auch rein wirtschaftliche Zwecke wie Werbung zählen), findet eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Betroffenen und denen des Unternehmens statt.
Für Bestandskunden könnte deshalb zukünftig argumentiert werden, dass ein Interesse des Unternehmens an einer Kontaktaufnahme zu Marketingzwecken überwiegt, mit der Folge, dass eine gesonderte Einwilligung nicht erforderlich ist.
Für Neukunden wird jedoch auch weiterhin eine informierte und freiwillige Einwilligung durch das Unternehmen einzuholen sein. Diese wird vor dem Hintergrund des DSGVO-Grundsatzes der Rechenschaftspflicht aus Art. 5 Abs. 2 sowie der Beweislastumkehr aus Art. 82 durch das Unternehmen zu dokumentieren sein.
Ob die BGH-Entscheidung unter der DSGVO Bestand haben und eine Einwilligung für alle Werbekanäle ausreichen wird, bleibt deshalb mit Spannung abzuwarten.
ePrivacyVO
Der Europäische Gesetzgeber verfolgt mit der Einführung der ePrivacyVO unter anderem das Ziel, die Vorschriften in Bezug auf elektronische Werbung für den gesamten Geltungsbereich zu vereinheitlichen und gleichzeitig an die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen anzupassen. Die Werbeempfänger (Nutzer) sollen die größtmögliche Souveränität bezüglich ihrer Privatsphäre erhalten. Aus diesem Grund soll vor einer Übersendung elektronischer Werbung – unabhängig von der konkret gewählten Form – die Einwilligung der Nutzer eingeholt werden, da stets ein ähnlich schwerer Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer erfolgt. Die Kontaktaufnahme zu Bestandskunden soll nach derzeitigem Verständnis des Verordnungstextes auch gemäß der ePrivacyVO weiterhin ohne Einwilligung möglich bleiben.
Der Europäische Gesetzgeber verfolgte ursprünglich das ehrgeizige Ziel, DSGVO und ePrivacyVO parallel zu verabschieden, um eine zeitgleiche Geltung zu ermöglichen. Die ePrivacyVO befindet sich jedoch noch immer im Entwurfsstadium. Dieses Ziel einer gleichzeitigen Geltung ist nicht mehr zu erreichen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist mit einer Geltung der ePrivacyVO nicht vor 2019 zu rechnen.
Praxistipp und Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie die DSGVO und später auch die ePrivacyVO in der Praxis umgesetzt werden. Bisher stehen lediglich die Verordnungstexte an sich sowie die begleitenden Gesetzgebungsmaterialien zur Verfügung. An vielen Stellen werden nationale Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und Gerichte die konkrete Umsetzung der europäischen Vorgaben für die Praxis festlegen müssen.
Um auch in Zukunft Verstöße gegen nationales oder europäisches Recht zu vermeiden, ist es daher umso wichtiger, sämtliche Marketingmaßnahmen, insbesondere solche mittels elektronischer Kommunikationsmittel, fortlaufend auf ihre Rechtskonformität hin zu prüfen bzw. prüfen zu lassen und gegebenenfalls die notwendigen Anpassungen prozesshaft durchzuführen.
(BGH, Urteil vom 01.02.2018, Az. III ZR 196/17)
Stephan Menzemer, Rechtsanwalt
Sven-Erik Holm, Rechtsanwalt
beide Frankfurt am Main