Maßnahmenpaket der Bundesregierung zum Umgang mit den Folgen der COVID-19-Pandemie
Nachdem die Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche angekündigt hatte, alles Notwendige zu unternehmen, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern, gibt es inzwischen bereits konkrete Vorschläge für die gesetzliche Einbettung dieser Maßnahmen. Das Bundeskabinett hat heute einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen beschlossen. Der Bundestag soll am Mittwoch über den Entwurf abstimmen. Die Formulierungshilfen der Bundesregierung stoßen für die Wirtschaft bedeutsame Änderungen im Zivil- und Insolvenzrecht sowie im Gesellschaftsrecht und in der Strafprozessordnung an. Über sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch ergebende Änderungen halten wir Sie auf dieser Seite informiert. Der aktuelle Entwurf hat unterschiedliche Stellschrauben im Blick. Im Mittelpunkt steht dabei die Schaffung von Mechanismen, die es ermöglichen, den durch die COVID-19-Pandemie bedingten Liquiditätsengpässen kurzfristig zu begegnen.
Im Insolvenzrecht werden für Insolvenzen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie u.a. die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote vorerst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Ergänzend werden Anreize geschaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird überdies das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen sollen per Verordnung bis zum 31. März 2021 verlängert werden können. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier:
- Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
- Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechts
- Erleichterungen von Sanierungsfinanzierungen
Die im Bereich des Allgemeinen Zivilrechts geplanten Änderungen sehen Sonderrechte für vor dem 8. März 2020 abgeschlossene wesentliche Dauerschuldverhältnis vor. Dauerschuldverhältnisse sind Verträge, die über einen längeren Zeitraum widerkehrenden Leistungen zum Gegenstand haben. Wesentlich im Sinne des Gesetzentwurfs sind diese, wenn sie zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Erfasst sind damit nur Dauerschuldverhältnisse, die für den Unternehmensbetrieb besonders wichtig sind. Die geplanten Sonderrechte können nur von Kleinstunternehmen ausgeübt werden. Sie gelten also zunächst nur zugunsten von Unternehmen, bei denen weniger als 10 Personen beschäftigt sind und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz EUR 2 Mio. nicht überschreitet. Vertragsschuldner der beschriebenen Unternehmenskategorie, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, erhalten das Recht, ihre Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden (Moratorium). Das Leistungsverweigerungsrecht soll vorerst bis zum 30. Juni 2020 befristet sein. Eine Verlängerungsoption (bis maximal 30. September 2020) ist allerdings bereits im Formulierungsvorschlag zum Gesetz angelegt. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts ist ausgeschlossen, wenn seine Ausübung dem Vertragsgläubiger wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall bleibt dem Kleinstunternehmer die Möglichkeit, sich durch Kündigung aus dem Dauerschuldverhältnis zu befreien. Ein vergleichbares Leistungsverweigerungsrecht soll es zugunsten von Verbrauchern im Zusammenhang mit als Dauerschuldverhältnis gestalteten Verbraucherverträgen geben. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Die genannten Sonderregelungen gelten nicht für Arbeitsverträge. Für das Miet-/Pacht- und Darlehensrecht gelten vorrangige, sogleich dargestellte Sonderbestimmungen.
Die für das Mietrecht vorgesehenen Maßnahmen gelten sowohl für Wohn- als auch Gewerbemietverträge sowie für Pachtverhältnisse. Mieter sollen zwar dem Grundsatz nach zur Zahlung der Miete verpflichtet bleiben. Der Vermieter soll das Mietverhältnis allerdings nicht aufgrund eines Zahlungsverzugs des Mieters kündigen können. Die Beschränkungen des Kündigungsrechts beziehen sich auf Mietzahlungen, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 nicht gleistet wurden. Eine Verlängerungsoption für Mietrückstände, die bis maximal 30. September 2020 entstanden sind, ist im Entwurf angelegt. Die Geltung der Kündigungsbeschränkung setzt voraus, dass die Nichtleistung der Mietzahlungen auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht, was glaubhaft gemacht werden muss. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Für Darlehensverträge sind ebenso bestimmte Sonderregelungen vorgesehen. Diese gelten allerdings vorerst nur für Verbraucherdarlehensverträge. Eine mögliche personelle Erweiterung des Anwendungsbereichs (z.B. auf Kleinstunternehmen) ist in dem aktuellen Entwurf bereits angelegt. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie in Kürze hier.
Für das Gesellschaftsrecht soll es ebenfalls krisenbedingte Neuerungen geben. Mit diesen wird insbesondere auf die geltenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten reagiert, welche die Handlungsfähigkeit von Unternehmen teils erheblich beeinträchtigen. Insofern sind u.a. Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen in Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), von Versicherungsvereinen a.G. (VVaG) und der Europäischen Gesellschaft (SE) vorgesehen. Für Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft und Mitgliederversammlungen von Vereinen gilt Entsprechendes. Anvisiert ist u.a. die Nutzung digitaler Medien für virtuelle Versammlungen sowie die Beschlussfassung und Stimmrechtsausübung in schriftlicher oder elektronischer Form. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.
Im Strafverfahrensrecht soll die Möglichkeit vorgesehen werden, die strafgerichtliche Hauptverhandlung länger als bisher zu unterbrechen, damit eine Aussetzung und vollständige Neuverhandlung der Verfahren vermieden wird. Befristet auf ein Jahr soll es möglich sein, die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie hier.