Mietrecht: Legionelleninfektion beim Mieter - Vermutung der Kausalität zum Nachteil des Vermieters
Infiziert sich der Mieter eines legionellenverseuchten Mietgegenstandes mit Legionellen, wird die Ursächlichkeit der Legionellenbelastung des Mietgegenstandes für die Infektion des Mieters vermutet.
Sachverhalt
Nachdem der Mieter an akuter Legionellen-Pneumonie erkrankte, wurde in der Mietwohnung eine stark erhöhte Legionellenkonzentration festgestellt. Die Warmwasseraufbereitungsanlage genügte den gesetzlichen Anforderungen nicht und war überdies vom Vermieter jahrelang nicht gewartet worden. Der Vermieter bestritt den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Mieters und dem Legionellenbefall in seinem Objekt und machte geltend, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Mieter sich die Erkrankung andernorts zugezogen habe. Das Berufungsgericht wies die Klage des Mieters deswegen ab.
Die Entscheidung
Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und stellte die Anforderungen an das Beweismaß für den vom Mieter zu erbringenden Vollbeweis der haftungsbegründenden Ursächlichkeit des Legionellenbefalls für seine Erkrankung klar. Nach Auffassung des BGH legte die Vorinstanz nämlich überspannte Beweisanforderungen an. Es sei dem Mieter nicht abzuverlangen, zweifelsfrei nachzuweisen, dass seine Erkrankung auf dem Legionellenbefall in seiner Mietwohnung beruhe, zumal dies naturwissenschaftlich gar nicht möglich sein dürfte (Anm. d. Autors).
Vielmehr dürfe und müsse sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem „für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“.
Es lag eine Häufung von aussagekräftigen Indizien vor, die den Schluss auf eine Ansteckung des Mieters durch das kontaminierte Wasser in seiner Mietwohnung mit zufriedenstellender Gewissheit nahelegten. So zeigte sich der beim Mieter diagnostizierte spezielle Erregertyp auch in der Wohnung. Zweitens war nicht ersichtlich, dass der Mieter im fraglichen Inkubationszeitraum aerosoliertes Wasser (namentlich durch Duschen) an einem anderen mit denselben Legionellen verseuchten Ort aufgenommen haben konnte; zu beachten ist hierbei, dass bloßes Händewaschen oder Aufenthalt den fraglichen Erreger nicht übertragen kann. Drittens war von gleichartigen Legionellenausbrüchen an Orten, die der Mieter im fraglichen Inkubationszeitraum aufgesucht hat, nichts bekannt.
Demgegenüber griffen nach Auffassung des BGH vom Vermieter vorgebrachte bloß theoretische Zweifel, der Mieter könne sich die Infektion auch andernorts zugezogen haben, nicht durch. Konkrete Umstände, die vernünftige Zweifel daran begründen könnten, waren nicht vorgetragen. Insbesondere genügt hierzu nicht die Feststellung, dass der Mieter im fraglichen Inkubationszeitraum ein reges gesellschaftliches Leben hatte und in einem Sportverein aktiv gewesen ist oder dass er andere Orte als seine Wohnung aufgesucht hat.
Ausblicke für die Praxis
Die Entscheidung verdeutlicht instruktiv die Beweislastverteilung bei Legionellenschäden. Der geschädigte Mieter muss dartun und (bei Bestreiten des Vermieters) beweisen, dass eine relevante Legionellenkonzentration in der Mietsache im fraglichen Inkubationszeitraum vorlag. Er muss weiterhin dartun und beweisen, dass die Mietsache nicht den gesetzlichen Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprach, etwa, weil dass die gesetzlichen Kontroll- und Wartungspflichten objektiv nicht eingehalten wurden.
Sind die beim Mieter und in der Mietsache festgestellten Erreger identisch, so wird schließlich im Sinne einer Beweislastumkehr widerleglich vermutet, dass die Infektion des Mieters ursächlich auf der Legionellenkonzentration in der Mietsache beruht.
Es ist dann am Vermieter, konkrete Umstände darzutun und zu beweisen, die geeignet sind, die vermutete Ursächlichkeit widerlegen. Das Aufzeigen theoretischer Alternativkausalitäten genügt nicht. Der Vermieter muss dann also dartun und beweisen, dass der Mieter im fraglichen Inkubationszeitraum einen anderen legionellenverseuchten Ort aufgesucht und in übertragungsgeeigneter Weise genutzt hat (Aufnahme von Aerosol). Dies wird man als „Teufelsbeweis“ ansehen dürfen.
Die Entscheidung war notwendig, weil sie mit willkommener Klarheit dem Vermieter wohlfeile Schutzbehauptungen und unsubstantiiertes Bestreiten abschneidet. Die Entscheidung darf in der Sache auch Geltung für das Gewerberaummietrecht beanspruchen.
(BGH, Urteil vom 6.5.2015 - VIII ZR 161/14)
Dr. Magnus Dorweiler, Rechtsanwalt