Neue HOAI 2021 und „Altfälle“
Der deutsche Gesetzgeber war aufgrund der EuGH-Rechtsprechung zu den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI 2013 gezwungen, die HOAI entsprechend anzupassen. Grundsätzlich standen dem Gesetzgeber hier mehrere Wege zur Verfügung, entschieden hat er sich letztlich für eine vollständige Abschaffung der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze. Die Rechtslage in Bezug auf Altfälle ist damit aber noch nicht geklärt.
Ausgangslage
Die bisherige HOAI 2013 einschließlich aller vorherigen Versionen sah die Geltung eines verbindlichen Preisrechtes für Architekten- und Ingenieurleistungen vor. Das Honorar musste sich im Rahmen der geltenden Mindest- und Höchstsätze halten, sonst war es - abgesehen von Ausnahmefällen - unwirksam. Besondere Bedeutung kam dabei den Mindestsätzen durch sog. „Mindestsatzklagen“ bei einem unterhalb der Mindestsätze vereinbarten Pauschalhonorar zu.
Mit vielbeachtetem Urteil des EuGH vom 04.07.2019 erklärte das Gericht jedoch die Mindest- und Höchstsätze als unvereinbar mit europäischem Recht, insbesondere mit der Dienstleistungsfreiheit (wir berichteten: EuGH erklärt HOAI-Mindest- und Höchstsätze für europarechtswidrig). Dabei hatte der EuGH ausdrücklich offen gelassen, wie die Europarechtskonformität hergestellt werden kann (denkbare wäre beispielsweise auch eine Zulassungsbeschränkung gewesen, d.h. nur bestimmte qualifizierte Personen dürften Architekten- und Ingenieurleistungen anbieten).
Die geänderte HOAI 2021
Mit der HOAI 2021 hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, sich vom alten System der HOAI mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen komplett zu verabschieden. Stattdessen ist das Honorar nunmehr frei vereinbar, wobei ein sog. „Basishonorar“ neu eingeführt wurde, welches als Auffanghonorar gilt, sollte keine ausdrückliche Honorarvereinbarung erfolgt sein. Dieses Basishonorar gilt auch im Falle von Verbraucherverträgen als Auffanghonorar, falls der Hinweis an den Verbraucher auf die freie Vereinbarkeit höherer oder niedriger Honorare in der gehörigen Form (Textform) unterblieben sein oder nicht rechtzeitig erfolgt sein sollte.
Die freie Vereinbarung des Honorars ist an keine besondere Form mehr gebunden, im Gegensatz zu den vorherigen Versionen der HOAI, welche Schriftform bei Vertragsschluss erforderte.
Praxishinweise
Die neue HOAI 2021 gilt für alle Verträge über Architekten- und Ingenieurleistungen, die ab dem 01.01.2021 abgeschlossen werden. Offen bleibt dabei allerdings die Frage, wie mit Honorarforderungen aus Verträgen umzugehen ist, die noch vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden („Altfälle“). Denn sowohl die unmittelbare Anwendbarkeit der betreffenden Richtlinie als auch eine richtlinienkonforme Auslegung wird vom BGH in der Tendenz eher abgelehnt. Der BGH hat sich gleichwohl entschieden, im Rahmen eines laufenden Verfahrens ein sog. Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze zu richten (Beschluss vom 14. Mai 2020 - VII ZR 174/19). Bis zu einer Entscheidung des EuGH bleibt die Frage der „Altfälle“ daher weiter offen.