Novellierung der Dual-Use-Verordnung rückt näher
Das Inkrafttreten einer novellierten Dual-Use-Verordnung, die die geltende Verordnung (EG) Nr. 428/2009 ablösen wird, rückt näher. Zwar wird mit der Novelle die Systematik der Kontrollen im Bereich der Dual-Use-Güter (d. h. der Güter die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können) nicht grundlegend geändert. Dennoch führt sie zu einigen Änderungen.
Aktueller Stand
Nachdem die Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union vier Jahre über einen Kommissionsvorschlag von September 2016 verhandelt hatten, war am 9. November 2020 eine vorläufige politische Einigung über den Wortlaut der Verordnung erzielt worden. Mit der in erster Lesung am 25. März 2021 erfolgten Zustimmung durch das Europäische Parlament steht nun lediglich noch die formale Zustimmung des Rates aus. Dann kann der Text der Dual-Use-Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und würde dann im Anschluss mit einer Übergangsfrist von 90 Tagen in Kraft treten. Die Zustimmung der Mitgliedstaaten über den Rat der Europäischen Union erfolgt möglicherweise noch im Laufe des April 2021, so dass derzeit eine Veröffentlichung im Mai und ein Inkrafttreten im August wahrscheinlich sind. Inzwischen ist der Text auch in deutscher Sprache verfügbar und hier abrufbar.
Inhalt der Novelle
Auch wenn mit der Novelle keine grundlegende Änderung der Systematik im Bereich der Kontrolle von Dual-Use-Gütern einhergeht, führt sie dennoch zu diversen materiell-rechtlichen Änderungen, die im Folgenden kurz überblicksartig dargestellt werden sollen:
Überwachungstechnologie
Kontrovers diskutiert wurden insbesondere strengere Kontrollen für die Ausfuhr digitaler Überwachungstechnologie. Die Novelle sieht nun eine Catch-All-Klausel für die Ausfuhr von nicht-gelisteter digitaler Überwachungs- und Abhörtechnik vor. Die Ausfuhr solcher Güter wird genehmigungspflichtig sein, wenn der Ausführer von der zuständigen Behörde davon unterrichtet worden ist, dass die betroffenen Güter ganz oder teilweise für die Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder bestimmt sein können. Wird einem Ausführer aufgrund von „im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht erlangten Erkenntnissen“ bekannt, dass nicht-gelistete Güter für digitale Überwachung für eine der vorgenannten kritischen Verwendungen bestimmt sind, trifft den Ausführer eine Unterrichtungspflicht gegenüber der zuständigen Behörde. Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten werden allerdings nicht näher konkretisiert.
Weitere Änderungen
- Künftig wird die technische Unterstützung von der Dual-Use-Verordnung erfasst. Es besteht dann ein Genehmigungserfordernis für die Bereitstellung von technischer Unterstützung im Zusammenhang mit gelisteten Dual-Use-Gütern, wenn Anhaltspunkte für eine sensitive Endverwendung bestehen oder die zuständige Behörde über eine solche informiert hat.
- Wenn ein anderer Mitgliedstaat weitere Dual-Use-Güter auf einer nationalen Kontrollliste listet und diese Listung im Amtsblatt veröffentlicht ist, kann dies auch zu einer Genehmigungspflicht in anderen EU-Mitgliedstaaten führen, wenn die zuständige Behörde den Ausführer darüber informiert hat, dass die Ausfuhr der Güter aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder mit Blick auf die Menschenrechte bedenklich ist.
- Es werden zwei neue Allgemeingenehmigungen geschaffen: Zum einen für den konzerninternen Export von Software und Technologie an Tochter- und Schwestergesellschaften im Hinblick auf bestimmte Güter in bestimmte Destinationen (EU007); zum anderen für Verschlüsselungsgüter (EU008), wobei der Gebrauch der deutschen nationalen Allgemeingenehmigung 16 (Telekommunikation und Informationssicherheit) weiterhin möglich sein wird.
- Es wird eine Genehmigung für Großprojekte mit einer grundsätzlich maximalen Geltungsdauer von vier Jahren eingeführt (in hinreichend begründeten Fällen, die sich aus der Laufzeit des Projekts ergeben, kann die Geltungsdauer auch darüber hinausgehen).
- Der Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden und der Kommission, aber auch zwischen den Genehmigungs- und Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten, wird verstärkt.
- Ferner wurden einige Definitionen, darunter diejenige des „Ausführers“, überarbeitet.
Marian Niestedt, Rechtsanwalt
Hamburg