Schwerbehindertenvertreter muss auch bei „Interessenkollision“ beteiligt werden
In einem Betrieb, für den eine Schwerbehindertenvertretung besteht, ist die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Entscheidung über die Bewerbung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeiters auch dann zu beteiligen, wenn die Vertrauensperson sich selbst auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden.
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem sich der stellvertretende Schwerbehindertenvertreter, der selbst schwerbehindert war, auf zwei ausgeschriebene Stellen als „Tischchef“ in dem Casino seines Arbeitgebers bewarb. Neben diesem Mitarbeiter bewarben sich 26 weitere interne und externe Personen, zu denen auch der Schwerbehindertenvertreter gehörte. Diesem teilte der Arbeitgeber mit, dass er wegen der aus seiner Sicht bestehenden Interessenkollision weder ihn noch seinen Stellvertreter an der Auswahlentscheidung beteiligen werde. Der Arbeitgeber führte das Bewerbungsverfahren daraufhin ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durch und entschied sich schließlich für zwei an-dere Kandidaten. Der stellvertretende Schwerbehindertenvertreter, dessen Bewerbung erfolglos geblieben war, sah sich im Hinblick auf die unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung als schwerbehinderter Mensch diskriminiert und erhob gegen den Arbeitgeber Klage auf Zahlung einer Entschädigung. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen seine Klage ab.
Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des schwerbehinderten Mitarbeiters mit Urteil vom 22. August 2013 (Az.: 8 AZR 574/12) stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung hätte beteiligen müssen. Die Tatsache, dass sich sowohl die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen als auch sein Stellvertreter auf die zu besetzenden Stellen beworben hatten, lasse die Pflicht des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung umfassend an dem Beförderungsverfahren zu beteiligen, nicht entfallen. Nach der gesetzlichen Regelung dürfe allein der schwerbehinderte Bewerber selbst eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ablehnen. Es bleibe daher dem Bewerber selbst überlassen, ob er bei der Möglichkeit einer Interessenkollision die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ablehnen will. Dem Arbeitgeber stehe ein derartiges Ablehnungsrecht nicht zu.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nun unter Berücksichtigung des vorerwähnten Urteils zu klären, ob und ggf. in welcher Höhe dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zuzubilligen ist.
Arbeitgeber sind demzufolge gut beraten, die Schwerbehindertenvertretung bei der Entscheidung über die Bewerbung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auch im Falle der Möglichkeit einer „Interessenkollision“ zu beteiligen. Nur dann, wenn der schwerbehinderte Bewerber die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt, ist eine solche entbehrlich. Lehnt der Bewerber die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ab, sollte der Arbeitgeber sich die Ablehnung durch den Bewerber zu Beweiszwecken schriftlich geben lassen. Kommt es zum Streit über eine mögliche Diskriminierung wegen der unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, kann der Arbeitgeber auf diese Weise nachweisen, dass der Bewerber den Ausschluss der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich wünschte.
(BAG, Urteil v. 22. August 2013 – 8 AZR 574/12)
Marius Bodenstedt, Rechtsanwalt