März 2022 Blog

Staatliche Beihilfen und Ukraine-Krieg: Neuer Befristeter Krisenrahmen der EU-Kommission zur Stützung der europäischen Wirtschaft

Die Europäische Kommission hat am 23. März 2022 einen Befristeten Krisenrahmen angenommen, der die EU-Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, den in den EU-Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum zu nutzen, um die europäische Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland zu stützen.

Die von der EU und ihren internationalen Partnern gegen Russland verhängten Sanktionen haben beträchtliche Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Aber sie belasten auch die EU-Wirtschaft. Die Kommission will es deshalb den Mitgliedstaaten ermöglichen, den in den Beihilfevorschriften gebotenen Spielraum zu nutzen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges abzufedern und stark betroffene Unternehmen und Branchen zu unterstützen.

Der Befristete Krisenrahmen – C(2022) 1890 final – ergänzt das bestehende Instrumentarium für staatliche Beihilfen um weitere Möglichkeiten, die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung stehen, wie z. B. Maßnahmen zur Entschädigung von Unternehmen für unmittelbar durch außergewöhnliche Umstände erlittene Schäden und Maßnahmen, die in den Mitteilungen der Kommission über die Entwicklung des Energiemarkts aufgezeigt sind. Der neue Rahmen bietet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, 1.) Unternehmen, die von der derzeitigen Krise oder den deshalb verhängten Sanktionen und Gegensanktionen betroffen sind, begrenzte Beihilfen zu gewähren, 2.) dafür zu sorgen, dass den Unternehmen weiterhin ausreichende Liquidität zur Verfügung steht, und 3.) Unternehmen für die Mehrkosten zu entschädigen, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen.

Diese Arten von Maßnahmen werden auch Unternehmen in Schwierigkeiten offenstehen, da sie aufgrund der derzeitigen Umstände nach der COVID-19-Pandemie unter Umständen einen akuten Liquiditätsbedarf verzeichnen. Diese Maßnahmen gelten nicht für von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden.

In dem auf Art. 107 Abs. 3 lit. b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten „Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ wird anerkannt, dass das Wirtschaftsleben der gesamten EU beträchtlich gestört ist. Zur Behebung dieser Störung können nach dem Befristeten Krisenrahmen drei Arten von Beihilfen gewährt werden:

  • Begrenzte Beihilfebeträge: Die Mitgliedstaaten werden Regelungen auflegen können, mit denen sie von der Krise betroffene Unternehmen, die in Landwirtschaft, Fischerei oder Aquakultur tätig sind, Beihilfen von bis zu 35.000 EUR je Unternehmen gewähren können. Betroffene Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen können jeweils bis zu 400.000 EUR erhalten. Diese Beihilfen müssen nicht als Ausgleich für einen Anstieg der Energiepreise konzipiert sein, da die Krise und die restriktiven Maßnahmen gegen Russland die Wirtschaft in vielfältiger Weise treffen, unter anderem durch Störungen der physischen Lieferketten. Diese Unterstützung kann in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, gewährt werden.
  • Liquiditätshilfe in Form von staatlichen Garantien und zinsvergünstigten Darlehen: Die Mitgliedstaaten werden vergünstigte staatliche Garantien und zinsvergünstigte öffentliche und private Darlehen bereitstellen können. Mit den staatlichen Garantien soll sichergestellt werden, dass die Banken weiterhin Darlehen an alle von der derzeitigen Krise betroffenen Unternehmen vergeben.
    • Die Mitgliedstaaten können für Bankdarlehen von Unternehmen staatliche Garantien gewähren oder Garantieregelungen einführen. Die Garantieprämien für neue Darlehen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Nicht-KMU werden durch die Senkung des geschätzten Marktsatzes für Jahresprämien vergünstigt.
    • Die Mitgliedstaaten können zinsvergünstigte öffentliche und private Darlehen an Unternehmen ermöglichen. Diese Darlehen müssten zu einem Zinssatz gewährt werden, der mindestens dem risikofreien Basiszinssatz zuzüglich der für KMU und Nicht-KMU jeweils anwendbaren Kreditrisikomarge entspricht.

Für beide Beihilfearten gelten Obergrenzen für den Darlehenshöchstbetrag in Abhängigkeit von den betrieblichen Erfordernissen des jeweiligen Unternehmens, wobei der Umsatz, die Energiekosten oder der besondere Liquiditätsbedarf zu berücksichtigen sind. Die Darlehen dürfen sowohl für Investitions- als auch Betriebsmittelbedarf gewährt werden.

  • Beihilfen zum Ausgleich erhöhter Energiepreise: Die Mitgliedstaaten werden in der Lage sein, Unternehmen, insbesondere energieintensive Unternehmen, teilweise für Mehrkosten zu entschädigen, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen. Diese Unterstützung kann in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, gewährt werden. Die Gesamtbeihilfe je Empfänger darf sich zu keinem Zeitpunkt auf mehr als 30 % der beihilfefähigen Kosten oder mehr als 2 Mio. EUR belaufen. Wenn dem Unternehmen Betriebsverluste entstehen, können weitere Beihilfen erforderlich sein, um die Aufrechterhaltung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewährleisten. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten Beihilfen gewähren, die diese Obergrenzen übersteigen, und zwar bis zu 25 Mio. EUR für energieintensive Unternehmen und bis zu 50 Mio. EUR für Unternehmen, die in bestimmten Wirtschaftszweigen wie der Erzeugung von Aluminium und anderen Metallen, Glasfasern, Zellstoff, Düngemitteln oder Wasserstoff und vielen Grundchemikalien tätig sind.

Der Befristete Krisenrahmen gilt bis zum 31. Dezember 2022 und soll rückwirkend von der Kommission ab dem 1. Februar 2022 angewendet werden. Ob und wie nun die EU-Mitgliedstaaten entsprechende konkrete Beihilfemaßnahmen im Einzelnen ausgestalten, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach ist in Deutschland derzeit auf dieser Basis ein entsprechendes Förderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Vorbereitung, das sodann freilich noch von der Bundesregierung bei der Kommission angemeldet und von dieser anhand der Kriterien des Befristete Krisenrahmens geprüft und genehmigt werden muss.

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