Tierschutzrecht - Gerichte betonen Vorrang der Einzelfallprüfung und zeigen Grenzen der Klagerechte von Tierrechtsorganisationen auf
Sachverhalt
In gleich zwei bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidungen haben Verwaltungsgerichte sich kürzlich erneut mit landesrechtlich geregelten Verbandsklagerechten von Tierrechtsvereinen befasst. In beiden Verfahren unterlagen die klagenden Tierrechtsorganisationen.
In einem Verfahren vor dem VGH Baden-Württemberg begehrte der klagende Tierschutzverein in zweiter Instanz vom zuständigen Landratsamt den Erlass einer Allgemeinverfügung zur Untersagung sämtlicher künftiger Langstreckentransporte nicht abgesetzter Kälber aus dem betroffenen Landkreis. Unter anderem begehrte er zudem die Feststellung der Rechtswidrigkeit grenzüberschreitender langer Transporte nicht abgesetzter Kälber.
In einem weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück beantragte ein anderer anerkannter Tierschutzverein festzustellen, dass das Unterlassen eines tierschutzrechtlichen Einschreitens betreffend angeblich tierschutzwidrige Zustände in einer Hühnermastanlage gegen § 16a des Tierschutzgesetzes (TierSchG) verstoße.
Grundlegende Entscheidung
Die Tierrechtsvereine unterlagen in beiden Fällen.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Berufung im erstgenannten Fall zurück und betonte, dass die Tierrechtsorganisation keinen Anspruch auf die beantragte Verbotsverfügung habe. So vermitteln ausweislich der Entscheidungsgründe weder § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG noch Art. 21 Abs. 4 bzw. Art. 138 der VO (EU) 2017/625 (KontrollVO) einen Anspruch auf Erlass der begehrten Regelung. Die Behörde sei lediglich verpflichtet, im Einzelfall die Einhaltung tierschutzrechtlicher Anforderungen zu prüfen. Dabei hoben die Richter hervor, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Erlass einer Regelung als Allgemeinverfügung bestehe, da dies das Verfahrensermessen der Behörde in unzulässiger Weise beschränke.
Im Rahmen der Ausführungen zur Klagebefugnis nach dem baden-württembergischen Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG) stellte der zuständige Senat zudem fest, dass es nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche, das Verbandsklagerecht auch auf Feststellungsklagen zu erstrecken. Für eine Feststellungsklage besteht keine Verbandsklagebefugnis nach dem TierSchMVG. Nach § 3 Abs. 1 TierSchMVG kann eine anerkannte Tierschutzorganisation, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, Widerspruch und Klage nach § 42 Abs. 1 VwGO gegen die im Einzelnen unter den nachfolgenden Nrn. 1 bis 3 genannten behördlichen Entscheidungen einlegen. Nach Auffassung des Senats ergibt sich hieraus eine Beschränkung des Klagerechts auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, denn „Klagen nach § 42 Abs. 1 VwGO“ sind nur diese beiden Klagearten. In Anbetracht des klar gefassten Wortlauts bestünde kein Raum für eine weitere Gesetzesauslegung.
Darüber hinaus fehlte es für einen weiterhin gestellten Verpflichtungsantrag – wie auch in dem zweitgenannten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück – an einer vorherigen Aufforderung an die beklagte Behörde.
Zu dem Erfordernis der vorherigen Aufforderung an die beklagte Behörde führte das Verwaltungsgericht Osnabrück aus, dass sich die Voraussetzung in Fällen, in denen die Behörde keine Entscheidung über ein tierschutzrechtliches Einschreiten nach § 16a TierSchG getroffen hat, aus allgemeinen verwaltungsprozess- sowie verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergebe. So sei der für Verpflichtungsklagen anerkannte Grundsatz auf Feststellungsklagen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen (NdsMitwKlagrechTSchOG) zu übertragen. Schon der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 NdsMitwKlagrechTSchOG, wonach in den Fällen des § 16a TierSchG auch die „bewusste“ Unterlassung als Entscheidung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 NTierSchKG gilt, lege dies nahe. Eine „bewusste“ Unterlassung setze die behördliche Befassung mit dem als tierschutzrechtlichen Verstoß i.S.d. § 16 a TierSchG monierten Sachverhalt voraus. Andernfalls könne die Behörde Anordnungen nicht bewusst, d.h. in bzw. trotz Kenntnis des Sachverhalts, unterlassen. Dem Erfordernis der vorherigen Aufforderung an die Behörde steht dabei ausweislich der gut begründeten Entscheidung weder die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 NdsMitwKlagrechTSchOG noch die in § 2 Abs. 2 Nr. 5 NdsMitwKlagrechTSchOG normierte Klagefrist von einem Monat entgegen.
Praxishinweise
Mit den Entscheidungen hat eine weitere praxisrelevante Konkretisierung der Grenzen des tierschutzrechtlichen Verbandsklagerechts stattgefunden.
Tierrechtsorganisationen müssen – unabhängig von etwaigen Verbandsmitwirkungsrechten – für eine zulässige Klageerhebung vor Klageerhebung einen erfolglosen Antrag an die zuständige Behörde zur Befassung mit dem Sachverhalt gestellt haben. Dies gilt auch dann, wenn die Klage sich auf Fälle des § 16a TierSchG bezieht, bei denen eine Beteiligung der Tierschutzorganisationen im Verwaltungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist (§ 1 Abs. 2 NdsMitwKlagrechTSchOG).
Auch bei tatsächlichen oder behaupteten Vollzugsdefiziten bleibt es Sache der zuständigen Behörde, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Transport stattfinden kann. Eine „Ermessensreduktion auf Null“ kommt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht und kann nicht auf das generelle Verfahrensermessen ausgeweitet werden. Tierschutzorganisationen können kein bereits präventives behördliches Einschreiten erzwingen.
(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 1. August 2024, Az: VGH 6 S 254/23V; Verwaltungsgericht Osnabrück, 2 A 210/23 Urteil vom 21. November 2024, Az: 2 A 210/23)

Melden Sie sich hier zu unserem GvW Newsletter an - und wir halten Sie über die aktuellen Rechtsentwicklungen informiert!