Zum lückenlosen Nachweis einer Vollmachtkette in Form von § 80 S. 1 ZPO
Der BGH hat im Wege eines Beschlusses kürzlich erneut zum Ausdruck gebracht, dass in Fällen, in denen die Prozessvollmacht nicht unmittelbar durch die Partei oder deren gesetzlichen Vertreter erteilt wurde, die Vollmachtkette lückenlos in der Form von § 80 S. 1 ZPO nachgewiesen werden muss. Der Nachweis kann dabei nur durch Einreichung der Originalurkunde (ggf. in beglaubigter Form) und nicht durch Einreichung von Kopien oder einem sonstigen urkundlichen Nachweis erfolgen.
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelte es sich um eine vermögenslose Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz in Madeira, welche von den Beklagten Schadensersatz wegen wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen verlangt hat.
Nachdem die Klägerin die Klage gegen einen der Beklagten zurückgenommen hatte, wies das Landgericht die Klage im Übrigen durch Endurteil ab und legte der Klägerin die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten auf. Die Klägerin legte hiergegen durch die Rechtsanwälte A Berufung ein, wobei sich am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist ebenfalls Rechtsanwalt B für die Klägerin bestellte und die Berufungsbegründung einreichte.
Das Berufungsgericht bat die Klägerin daraufhin um Mitteilung, durch welchen Rechtsanwalt sie vertreten werde und setzte ihr eine Frist für die Einreichung der Prozessvollmachten der für sie aufgetretenen Rechtsanwälte. Die Klägerin übersandte infolgedessen die Fotokopie einer Generalvollmacht, in welcher sie und ihr damaliger Geschäftsführer Rechtsanwalt B u.a. zur Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten bevollmächtigten sowie die Fotokopie einer Vollmacht, mit welcher Rechtsanwalt B auf Grundlage der Generalvollmacht die Rechtsanwälte A zur Prozessführung im Namen der Klägerin bevollmächtigte.
Das Berufungsgericht ließ die Rechtsanwälte der Klägerin daraufhin unter Fristsetzung für die Beibringung der Genehmigung der Prozessführung gegen Sicherheitsleistung einstweilen zur Prozessführung zu. Als Grund hierfür führte das Berufungsgericht an, dass die Erteilung wirksamer Prozessvollmachten mit den eingereichten Schriftstücken nicht nachgewiesen werden könne. Die gegenüber Rechtsanwalt B erteilte Vollmacht stelle aus Sicht des Berufungsgerichts keine Prozessvollmacht dar, da sie keinen konkreten Rechtsstreit bezeichne und die Führung eines Anwaltsprozesses nicht umfasse. Die durch Rechtsanwalt B gegenüber den Rechtsanwälten A erteilte Vollmacht sei hingegen unwirksam, da den Rechtsanwälten A bewusst sein musste, dass diese Vollmacht für die Führung eines von vorneherein aussichtslosen Prozesses der offensichtlich vermögenslosen Klägerin missbraucht worden sei.
Rechtsanwalt B übersandte daraufhin zwei von ihm im Rahmen seiner Generalvollmacht im Namen der Klägerin ausgestellte Prozessvollmachten im Original, mit welchen die Rechtsanwälte A zur Prozessführung ermächtigt wurden. Nach erneutem Hinweisbeschluss verwarf das Berufungsgericht die Berufung gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig, da eine wirksame Bevollmächtigung gem. § 80 ZPO nicht nachgewiesen, die Prozessführung nicht genehmigt und die festgesetzte Sicherheit nicht geleistet worden sei.
Die Klägerin wendete sich dagegen mittels Rechtsbeschwerde. Im Zuge dessen wurde erneut das Vorliegen einer wirksamen Prozessvollmacht gerügt, woraufhin die Klägerin zunächst das Original einer durch Rechtsanwalt B gegenüber dem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt C für die dritte Instanz zunächst mündlich erteilten Prozessvollmacht vorlegte. Eine Vorlage des Originals der seitens der Klägerin gegenüber Rechtsanwalt B erteilten Generalvollmacht erfolgte trotz einem entsprechenden Hinweis des BGH hingegen nicht, da diese nicht mehr auffindbar gewesen sei. Stattdessen wurde lediglich eine Kopie der Generalvollmacht vorgelegt, auf welcher der damalige Geschäftsführer der Klägerin seine Unterschrift zwischenzeitlich wiederholt hatte.
Entscheidung des BGH
Der BGH wies die gem. §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig zurück, da diese nach Auffassung des BGH durch einen vollmachtlosen Vertreter eingelegt und die Einlegung seitens der Klägerin auch nicht genehmigt worden sei.
Zunächst stellte der BGH fest, dass die Prozessvollmacht gem. § 80 S. 1 ZPO schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen sei. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar durch die Partei oder deren gesetzlichen Vertreter erteilt, müsse die Vollmachtkette lückenlos in der Form von § 80 S. 1 ZPO nachgewiesen werden. Hierbei müsse auch für die einen Bevollmächtigten erteilte Generalvollmacht zu den Gerichtsakten gegeben werden, wobei der Nachweis der schriftlichen Vollmacht nur durch Einreichung der Originalurkunde – ggf. in beglaubigter Form gem. §§ 415, 435 ZPO – geführt werden könne. Die Vorlage von Kopien oder ein sonstiger urkundlicher Nachweis reiche hierfür hingegen nicht.
Aus Sicht des BGH entsprachen die im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens zum Nachweis der Prozessvollmachten vorgelegten Unterlagen diesen Anforderungen nicht, da die gegenüber Rechtsanwalt B erteilte Generalvollmacht auch nach richterlichem Hinweis nicht durch Vorlage des Originals gem. § 80 S. 1 ZPO nachgewiesen wurde. Hieran ändere auch die nachträglich unterzeichnete Kopie nichts. Die Unterzeichnung könne unter Umständen lediglich als Genehmigung im Sinne von § 89 ZPO gewürdigt werden. Vorliegend habe es jedoch an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen gefehlt, da der damalige Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin war und für diese daher keine bindenden Erklärungen mehr abgeben konnte.
Praxishinweis
Der dem Beschluss des BGH zugrundeliegende Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig die Aufbewahrung von Originalvollmachten ist.
Dies ist dabei nicht nur für den Nachweis der Prozessvollmacht gem. § 80 S. 1 ZPO von Bedeutung. Auf die Vorlage der Originalvollmacht kann es u.a. auch bei der Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts durch einen Bevollmächtigten ankommen. Die Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts gilt gem. § 174 S. 1 BGB nämlich dann als unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Originalvollmacht (oder eine Ausfertigung hiervon) vorlegt und das einseitige Rechtsgeschäft aus diesem Grund vom anderen Teil unverzüglich zurückgewiesen wird. Handelt der Bevollmächtigte aufgrund einer Untervollmacht, dürfte auch hier die Vorlage sowohl der Unter- als auch der Hauptvollmacht im Original erforderlich sein.
Hat der Vollmachtgeber den anderen Teil jedoch über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt, ist eine Zurückweisung gem. § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen.
(BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – VI ZB 88/21)