Äußerungsrechte von Industrie- und Handelskammern: GvW erneut für die Handelskammer Hamburg erfolgreich
Sofern kammerzugehörige Unternehmen von ihrer Industrie- und Handelskammer getätigte Äußerungen für unzulässig halten, können sie dagegen verwaltungsgerichtlich vorgehen. Neben dem Hauptsacheverfahren steht ihnen grundsätzlich auch der einstweilige Rechtsschutz offen. Hieran sind jedoch besondere Anforderungen geknüpft. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss die hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, also der Dringlichkeit der Angelegenheit, betont:
Die Antragstellerin, eine Kammerzugehörige der Handelskammer Hamburg, begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass Teile einer durch das Plenum der Handelskammer beschlossenen Resolution zur Energiekrise nicht weiter auf der Internetseite der Handelskammer verbreitet werden. Das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte den Antrag ab. Die dagegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen.
Es führte aus, das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin schon das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht habe. An die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes seien qualifizierte Anforderungen zu stellen: Bei einer Vorwegnahme der Hauptsache müssten für den Rechtsschutzsuchenden aus der Rechtsverletzung auch ihn individuell betreffende schwere und unzumutbare Nachteile resultieren, zu deren Abwendung eine umgehende vorläufige Entscheidung des Gerichts notwendig sei. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte damit die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Hamburg, denen zufolge im Falle einer Vorwegnahme der Hauptsache einem Eilantrag nur stattgegeben werden könne, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar sei. Dies erfordere hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolges in der Hauptsache, sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile für die Antragstellerin im Falle des Abwartens einer Entscheidung in der Hauptsache. Die streitgegenständlichen Äußerungen der Handelskammer Hamburg wiesen jedoch keine hinreichende Aktualität auf, die eine Eilbedürftigkeit begründen könne. Da eine Energiekrise derzeit nicht mehr bestehe, die Versorgungssicherheit gewährleistet sei und auch die politischen Entscheidungen über den weiteren oder erneuten Betrieb von Kohle- bzw. Atomkraftwerken getroffen worden seien und derzeit nicht zur Diskussion stünden, komme den Äußerungen der Handelskammer Hamburg keine aktuelle Wirkung mehr zu.
Weiter hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass lediglich konkrete – nicht nur mittelbare – wesentliche Nachteile, die sich aus den Äußerungen der Handelskammer ergeben, eine Dringlichkeit zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung begründen könnten. Solche konkreten wesentlichen Nachteile habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
GvW hat die Handelskammer Hamburg erneut durch ein Team bestehend aus Prof. Dr. Christian Winterhoff, Dr. Michael Kleiber und Katja Henckel, alle Hamburg, vertreten.
OVG Hamburg, Beschl. v. 9.3.2023 – 3 Bs 175/22
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