17 November 2015 Pressemitteilungen

Richtungsweisende Entscheidung des EuGH: Durchbrechung der Rechtskraft nationaler Urteile durch EU-Beihilfenrecht – GvW Graf von Westphalen erringt wichtigen Sieg für das Land NRW

Die effektive Durchsetzung des EU-Beihilfenrechts kann durch ein nationales rechtskräftiges Gerichtsurteil nicht ausgehebelt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner bahnbrechenden Entscheidung vom 11. November 2015 (C-505/14) entschieden und damit dem von GvW vertretenen Land Nordrhein-Westfalen (NRW) Recht gegeben, das von dem österreichischen Klausner-Konzern vor dem LG Münster auf Zahlung von 56 Mio. Euro Schadensersatz und Lieferung von ca. 1,5 Mio. Kubikmeter Fichtenstammholz verklagt worden war (Gesamtstreitwert: ca. 123 Mio. Euro). Das LG Münster hatte das Verfahren ausgesetzt und den Luxemburger Gerichtshof angerufen. Die Luxemburger Richter sind damit der Argumentation von GvW gefolgt.

Das nunmehr verkündete EuGH-Urteil hat auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung und ist von grundsätzlicher Tragweite, da es Maßstäbe dafür setzt, wann eine Rechtskraftdurchbrechung im Hinblick auf nationale Urteile vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes geboten ist.
Dem derzeit beim LG Münster anhängigen Rechtsstreit, der den Hintergrund der EuGH-Entscheidung bildet, liegt ein Vertrag zwischen Klausner und dem beklagten Land NRW aus dem Jahre 2007 zu Grunde. Unter Berufung auf diesen Vertrag macht Klausner eine Schadensersatzforderung und die Lieferung von Fichtenstammholz geltend (mehr zum Sachverhalt hier).

In einem vorangegangenen zwischen den Parteien geführten Prozess hatte das OLG Hamm im Jahr 2012 noch rechtskräftig durch Urteil festgestellt, dass der Vertrag wirksam ist. GvW war in diesem vorherigen Rechtsstreit nicht tätig und wurden erstmals vom Land NRW in dem vor dem LG Münster geführten Folgeprozess mandatiert. Hier schaffte GvW den turn-around. Die GvW-Anwälte haben die Beihilfenrechtswidrigkeit des Klausner-Vertrags erstmalig zum Gegenstand gemacht und konnten das LG Münster von ihrer Rechtsauffassung überzeugen: Das Gericht sieht in dem Klausner-Vertrag eine unzulässige wettbewerbsverzerrende Beihilfe zugunsten Klausners und geht deswegen von der Nichtigkeit des Vertrags aus.
 
Mit Blick auf das 2012 im Vorprozess ergangene Feststellungsurteil des OLG Hamm hatte das LG Münster auf Anregung der GvW-Anwälte mit Beschluss vom 17.9.2014 dem EuGH die Rechtsfrage zur Klärung vorgelegt, ob das EU-Recht verlangt, ein früheres rechtskräftiges Gerichtsurteil, in dem das Fortbestehen eines „beihilfeninfizierten“ Vertrages festgestellt wurde, außer Acht zu lassen, wenn nach dem nationalen Recht die Vollziehung des beihilfenrechtswidrigen Vertrages nicht anders abgewendet werden kann. Diese Frage hat der EuGH nunmehr in seinem jüngst verkündeten Urteil eindeutig bejaht. Der Rechtsstreit wird nun vor dem LG Münster fortgesetzt. In seinem Vorlagebeschluss hatte das Gericht angekündigt, die Klage abzuweisen, wenn – wie nunmehr vom EuGH klargestellt – das Europäische Recht im hier vorliegenden Fall verlangt, die Rechtskraft des Urteils des OLG Hamm außer Acht zu lassen. Denn der streitgegenständliche Vertrag sei dann nichtig und könne die von Klausner geltend gemachten Ansprüche nicht begründen. Der weitere Fortgang des Verfahrens bleibt abzuwarten.

GvW berät und vertritt das Land Nordrhein-Westfalen durch ein standortübergreifendes Team bestehend aus Dr. Frank Süß (Federführung/Prozessführung, Frankfurt), Dr. Gerd Schwendinger, LL.M. (Beihilfenrecht, Hamburg/Brüssel); Dr. Bettina Meyer-Hofmann (Vergaberecht, Düsseldorf), Christian Kusulis (Wettbewerbs- und Kartellrecht, Frankfurt), Stephen-Oliver Nündel (Prozessführung, Frankfurt), Dr. Ronald Steiling, Saskia Soravia, Corinna Lindau (Öffentliches Wirtschaftsrecht, Hamburg).

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