Update Lebensmittel- und Futtermittelrecht 03/2024

Das Wichtigste in Kürze:

++ § 40 Abs. 1a LFGB: Strenge Anforderungen an die Information der Öffentlichkeit bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht

++ EuGH: „Hautfreundlich“ – irreführende Werbung für Desinfektionsmittel

++ BGH: „Klimaneutral“ – Erläuterung in der Werbung erforderlich

++ BGH: Wettbewerbswidrige Mogelpackung beim Online-Verkauf

++ OLG Karlsruhe: Gesundheitsbezogene Aussagen für Globuli-Kügelchen und Tee zur Förderung der Schwangerschaft

++ LG München I: "Mini Rostbratwürstchen" kein Hinweis auf "Nürnberger Bratwürste (g.g.A.)"

++ LG Hamburg: „Omega-3-Fettsäuren sind lebensnotwendig“ als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe

++ VG Berlin: Verpackung aus Bienenwachsbeuteln und -tücher

++ LG Trier: Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung für Futtermittel

 

§ 40 Abs. 1a LFGB: Strenge Anforderungen an die Information der Öffentlichkeit bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht

Der VGH Mannheim, Beschl. v. 01.02.2024 – 9 S 1954/23, hebt in seiner Entscheidung hervor, dass die einzelfallbezogene Überprüfung und konkrete Bewertung der Kontaminationsrisiken erforderlich ist, um eine Veröffentlichung über die Ergebnisse behördlicher Kontrollen in Produktionsstätten veranlassen zu können. Fälle, in denen allein Ekel und Widerwillen bei Verbrauchern ausgelöst werden können, rechtfertigen grundsätzlich nicht die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB.

weitere Entscheidungen


EuGH: „Hautfreundlich“ – irreführende Werbung für Desinfektionsmittel

Die Angabe „hautfreundlich“ auf einem Desinfektionsmittel hat auf den ersten Blick eine positive Konnotation, die die Erwähnung jeglicher Risiken vermeidet. Sie ist nicht nur geeignet ist, die schädlichen Nebenwirkungen des fraglichen Produkts zu relativieren, sondern auch anzudeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe ist nach Art. 72 Abs. 3 Verordnung Nr. 528/2012 irreführend, sodass das Verbot ihrer Verwendung in der Werbung für das fragliche Biozidprodukt nach Ansicht des EuGH, Rs. C-296/23 –dm –, gerechtfertigt ist.

 


BGH: „Klimaneutral“ – Erläuterung in der Werbung erforderlich

Der BGH hat mit Urt. v. 27.06.2024 - Az. I ZR 98/23, entschieden, dass die Werbung mit dem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff "klimaneutral" regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt. Die beanstandete Werbung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2023 - I-20 U 152/22) irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff "klimaneutral" nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung - nicht anders als von Verbrauchern - sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann.

Bei einer Werbung mit mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen wie "klimaneutral", muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend.

 


BGH: Wettbewerbswidrige Mogelpackung beim Online-Verkauf

Nach Ansicht des BGH, Urt. v. 29.05.2024 – I ZR 43/23, liegt eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung (sog. "Mogelpackung") nach § 5 UWG vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Fertigpackung nur zu zwei Dritteln gefüllt ist, sofern nicht die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert oder die gegebene Füllmenge nicht auf technischen Erfordernissen beruht.

 


OLG Karlsruhe: Gesundheitsbezogene Aussagen für Globuli-Kügelchen und Tee zur Förderung der Schwangerschaft
 

Nach Ansicht des OLG Karlsruhe, Urt. v. 19. 03. 2024 – 14 U 63/23, verstößt die Bewerbung von Lebensmitteln („Babytraumtee“, „Babytraum Globuli für Sie/Für die Frau“, „Babytraum Globuli für Ihn/Für den Mann“, „Glücklich Schwanger Tee“ und Himbeerblättertee) mit gesundheitsbezogenen Angaben, die nicht wissenschaftlich nachgewiesen sind, gegen §§ 3 Abs. 1, 3a, 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit Art. 3 Unterabsatz 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.

Eine Produktpräsentation von Globuli mit dem Zusatz „radionisch informiert“ ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der Fassung vom 10. 12. 2015, wenn dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der (falsche) Eindruck erweckt wird, dass es sich hierbei nicht nur um reine Zuckerkügelchen handelt.

 


LG München I: "Mini Rostbratwürstchen" kein Hinweis auf "Nürnberger Bratwürste (g.g.A.)"

Das LG München, Urt. v. 16.06.2024 - 33 O 4023/23, sieht in der Bezeichnung "Mini-Rostbratwürstchen" keine Anspielung auf den geschützten Namen "Nürnberger Rostbratwürste" bzw. "Nürnberger Bratwürste". Durch Größe und Form der Rostbratwürste werde kein Bezug zu einer bestimmten geographischen Herkunft hergestellt.

 


LG Hamburg: „Omega-3-Fettsäuren sind lebensnotwendig“ als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe

Die Aussage „Essenzielle Omega-3-Fettsäuren sind lebensnotwendig, da der menschliche Körper sie nicht selbst herstellen kann“ verstößt nach Ansicht des LG Hamburg, Urt. v. 15.03.2024, Az. 416 HKO 99/2, gegen Art. 12 lit. a) Verordnng (EG) Nr. 1924/2006, das Eindruck erweckt werde, durch Verzicht auf das beworbene Nahrungsergänzungsmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden.

 


VG Berlin: Verpackung aus Bienenwachsbeuteln und -tücher

Der Vertrieb von Bienenwachsbeuteln und -tüchern als Alternative zur Plastikfolie darf nicht dauerhaft untersagt werden, wenn unklar ist, ob Bienenwachstücher eines bestimmten Herstellers gegenwärtig negative Auswirkungen auf darin verpackte Lebensmittel haben. Das hat das VG Berlin, Beschl. v. 10.05 2024 - VG 14 L 509/23, entschieden.

 


LG Trier: Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung für Futtermittel

Die Grundsätze aus dem Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel, dass eine Werbeaussage wissenschaftlich hinreichend gesichert sein muss, gelten nach Auffassung des LG Trier, Urt. v. 19.04.2024 – 7 HK O 43/23, auch im Bereich der Futtermittel für Tiere. Das Verbot des Art. 13 Abs. 3 Nr. 3 lit. a) Verordnung (EG) Nr. 767/2009 gilt unabhängig von dem Irreführungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB, so dass es auf die objektive Richtigkeit einer Werbeaussage, die die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beinhaltet, bei Futtermitteln nicht ankommt. 


Zum Archiv

Ausgabe 01/2024

++ LG München I: Anforderungen Herkunftsangaben und klimaneutrale Werbung

++ Green Claims: „Foot Print reduziert Deinen CO2 Fussabdruck“

++ Hygienepranger: Anforderungen an die Bestimmtheit der Veröffentlichung

++ Geflügel: Voraussetzungen einer Bestätigungsbeprobung

++ Rieselhilfe: Abgrenzung Zusatzstoff und Verarbeitungshilfsstoff

++ Reisextrakt: Nicht zugelassener Zusatzstoff in Nahrungsergänzungsmitteln

++ Neuartige Lebensmittel: Nahrungsergänzungsmittel mit Maquibeeren-Extrakt

++ Haftung eines Plattformbetreibers: Bezeichnung eines Sojaprodukts als „Milch“

++ Nährwertbezogene Angeben: „Ohne Zucker“-Werbung für Rum

++ „Referenzpreis“ nach der PAngV

und weitere

Ausgabe 02/2024

++ OVG Bautzen: Anforderung zur Widerlegung der Chargenvermutung

++ EuG: "Halloumi" bleibt weiterhin als Ursprungsbezeichnung geschützt

++ BVerwG: umfassende Meldepflicht der Laborverantwortlichen nach § 44 Abs. 4a LFGB

++ VGH Mannheim: Hygienepranger - Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB

++ LG Hamburg: Geringere Füllmenge bei gleicher Packungsgröße

++ LG Bochum: (kein) Müsli gegen Müdigkeit

++ Regulatorische Entwicklung: Vorschlag einer Richtlinie über Umweltaussagen

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