Update Lebensmittel- und Futtermittelrecht 01/2024

Das Wichtigste in Kürze:

++ LG München I: Anforderungen Herkunftsangaben und klimaneutrale Werbung

++ Green Claims: „Foot Print reduziert Deinen CO2 Fussabdruck“

++ Hygienepranger: Anforderungen an die Bestimmtheit der Veröffentlichung

++ Geflügel: Voraussetzungen einer Bestätigungsbeprobung

++ Rieselhilfe: Abgrenzung Zusatzstoff und Verarbeitungshilfsstoff

++ Reisextrakt: Nicht zugelassener Zusatzstoff in Nahrungsergänzungsmitteln

++ Neuartige Lebensmittel: Nahrungsergänzungsmittel mit Maquibeeren-Extrakt

++ Haftung eines Plattformbetreibers: Bezeichnung eines Sojaprodukts als „Milch“

++ Nährwertbezogene Angeben: „Ohne Zucker“-Werbung für Rum

++ „Referenzpreis“ nach der PAngV

 

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Anforderungen Herkunftsangaben und klimaneutrale Werbung

Das LG München I hat einem Handelsunternehmen untersagt, das von ihm vertriebene Bier mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse zu vertreiben, an der das Bier jedoch nicht gebraut wurde; das Gericht sah hierin eine Täuschung über die Herkunft. Ebenfalls darf das Bier zukünftig nicht mehr mit den Angaben „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche in Verkehr gebracht werden, sofern dem Verbraucher nicht offengelegt wird, auf welche Art und Weise (d.h. durch Einsparung oder Kompensationsmaßnahmen) die Klimaneutralität erreicht wird.

weitere Urteile


Green Claims: „Foot Print reduziert Deinen CO2 Fussabdruck“

Die auf dem vorderen Flaschenetikett einer Weinflasche blickfangmäßig herausgestellte Werbeangabe „FOOT PRINT REDUZIERT DEINEN CO2 FUSSABDRUCK“ ist nach Ansicht des OLG Nürnberg, Beschluss v. 15.11.2023 – 3 U 1722/23 mangels ausreichender aufklärender Hinweise irreführend, wenn nicht auch der in der Flasche enthaltene Wein in irgendeiner Weise zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks beiträgt. Bei einer Werbung mit der Umweltverträglichkeit einer Ware sind an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen.

 


Hygienepranger: Anforderungen an die Bestimmtheit der Veröffentlichung

Die gebotene Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels bei einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 LFGB richtet sich nach Ansicht des OVG Lüneburg, Beschluss v. 26.01.2024 – 14 ME 131/231, nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen ist. Dabei können sich die Anforderungen an die Bestimmtheit des Produktbezugs auch je nach Betriebsart unterscheiden. Die Feststellung einer allgemeinen Ansteckungsgefahr (hier mit dem Hanta-Virus) bei einem Aufenthalt in einem Lebensmittelmarkt, in dem ein Mäusebefall festgestellt wurde, reicht im Rahmen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB nicht aus. Es muss vielmehr aufgrund der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung bestimmter oder auch sämtlicher Erzeugnisse bestehen.

 


Geflügel: Voraussetzungen einer Bestätigungsbeprobung

Eine Bestätigungsbeprobung nach Anhang II Teil D Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 ist in europarechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift nur in Ausnahmefällen dann anzuordnen, wenn begründete Zweifel an der Validität des Erstuntersuchungsergebnisses bestehen. Solche begründeten Zweifel sind jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn ein Lebensmittelunternehmer lediglich behauptet, dass eine amtliche Probenahme i.S.d. Nr. 2.1 Satz 4 Buchst. a des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 517/2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, im Übrigen aber keine substantiierten, objektiv belastbaren Anhaltspunkte für ein nicht fachgerechtes Vorgehen der Behörde vorliegen. Dies entschied der VGH München mit Beschluss vom 07.11.2023 – 23 ZB 20.654.

 


Rieselhilfe: Abgrenzung Zusatzstoff und Verarbeitungshilfsstoff

Ein Lebensmittelzusatzstoff i.S.v. Art. 3 Abs. 2 lit. a) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 liegt nach Ansicht des VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 21.11.2023 – B 7 K 23.35 auch dann vor, wenn ein für die Herstellung verwendeter Stoff keine technologische Funktion bezogen auf das Endprodukt hat. Ist ein konkreter Stoff gleichzeitig ein Verarbeitungshilfsstoff i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und ein Lebensmittelzusatzstoff im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, so führt dies dazu, dass der Stoff in seinen Rechtsfolgen einzig als Verarbeitungshilfsstoff zu behandeln ist. Ein als sogenannte Rieselhilfe eingesetzter Stoff ist keine Verarbeitungshilfe i.S.v. Art. 3 Abs. 3 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, wenn der Stoff nach der Verarbeitung in dem Lebensmittel im zugesetzten Umfang vorhanden bleibt.

 


Reisextrakt: Nicht zugelassener Zusatzstoff in Nahrungsergänzungsmitteln

Für die Beurteilung, ob es sich um einen Lebensmittelzusatzstoff im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 handelt, ist nach Ansicht des VG Augsburg, Urteil v. 27.11.2023 – Au 9 K 22.2392 (zitiert nach beck-online), auf den fraglichen Stoff in der Zusammensetzung und Beschaffenheit abzustellen, die er im maßgeblichen Zeitpunkt des Zusatzes aufweist. Handelt es sich bei einem Reisextrakt um einen nicht nach Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zugelassenen Lebensmittelzusatzstoff, dürfen Produkte, die diesen Zusatzstoff enthalten nach Art. 5 Verordnung (EG) 1333/2008 nicht in den Verkehr gebracht werden.

 


Neuartige Lebensmittel: Nahrungsergänzungsmittel mit Maquibeeren-Extrakt

Die Neuartigkeit eines Lebensmittels muss anhand aller Merkmale des Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs beurteilt werden. Für die Frage der Neuartigkeit eines Lebensmittels kommt es nach Ansicht des VG Würzburg, Urteil v. 10.11.2023 – W 8 K 23.340, nicht auf den Ausgangsstoff, sondern auf das daraus erzeugte zu beurteilende Produkt an. Der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, reicht nach Ansicht des VG Würzburg nicht dafür aus, das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung anzusehen, da nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann.

 


Haftung eines Plattformbetreibers: Bezeichnung eines Sojaprodukts als „Milch“

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.12.2023 – 6 U 154/22 ist der Betreiber einer Verkaufsplattform verpflichtet, künftige gleichartige Verletzungshandlungen auch jenseits des konkreten Angebots zu verhindern, sofern er auf Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften (hier: Bezeichnung eines Sojaproduktes als „Milch“) hingewiesen wird.

 


Nährwertbezogene Angeben: „Ohne Zucker“-Werbung für Rum

Das LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.12.2023 – 3-06 O 12/23, untersagte Amazon die Verwendung der Angabe „ohne Zucker“ bei der Werbung für einen Rum mit einem Alkoholgehalt von 40 %. Grund für das Versäumnisurteil war eine Unterlassungsklage eines Wettbewerbsverbands, der in der beanstandeten Werbung einen Verstoß gegen die Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sah.

 


„Referenzpreis“ nach der PAngV

Nach Ansicht des LG Amberg, Urteil v. 29.01.2023 –  41 HK O 334/23, kann ein Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe des niedrigsten vorherigen Preises bei einer Preisermäßigung auch dann vorliegen, wenn dieser „Referenzpreis“ tatsächlich genannt wurde. Ein Verstoß ergibt sich nach Auffassung des Gerichts insbesondere, wenn der Verbraucher den Hinweis auf diesen Preis aufgrund einer komplexen Aufmachung der Werbung nicht versteht. Das Urteil ist eine der ersten Entscheidungen zur Pflicht der Angabe eines „Referenzpreises“; diese Verpflichtung wurde durch die seit Mitte 2022 geltende Vorschrift des § 11 PAngV eingeführt.

 


 

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