Dezember 2024 Blog

15. Sanktionspaket: Neue Embargomaßnahmen gegen Russland und Belarus

Am 16. Dezember 2024 hat die Europäische Union mit ihrem 15. Sanktionspaket neue Sanktionen gegen Russland und Belarus verabschiedet. Diese Maßnahmen sind eine Reaktion der EU auf die anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine und die Unterstützung Russlands durch Belarus. 

Neue Sanktionen gegen Russland

Neue personenbezogene Sanktionen 

Neue Listungen in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 

Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2024/3183 wurden personenbezogene Sanktionen gegen 54 Personen und 30 Einrichtungen in die Liste der mit restriktiven Maßnahmen belegten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE) in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 aufgenommen. Die EU sanktioniert hiermit etwa Personen, die ein Kinderkrankenhaus in Kiew angegriffen haben, sowie leitende Manager im Energiesektor und Verantwortliche für Kinderdeportationen und Propaganda. Zudem werden russische Verteidigungs- und Schifffahrtsunternehmen sowie erstmals chinesische Akteure, die Drohnen- und Mikroelektronikkomponenten liefern, sanktioniert.

Neue Ausnahmevorschrift für EU-Zentralverwahrer

Ferner wurde mit der Verordnung (EU) 2024/3189 eine neue Ausnahme vom Einfrieren von Vermögenswerten in Artikel 6b Absatz 5j der VO 269/2014 eingeführt. Diese ermöglicht es Zentralverwahrern (Central Securities Depositories, CSDs), in der EU die Freigabe von Barmitteln zu beantragen, um rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und auf Rechtsstreitigkeiten und Vergeltungsmaßnahmen in Russland zu reagieren, die die Vermögenswerte des Zentralverwahrers in der EU betreffen. 

Neue Personenlistungen angesichts der destabilisierenden Aktivitäten Russlands

Die Verordnung 2024/264 (VO 2024/2642) vom 8. Oktober 2024 zielt darauf ab, destabilisierende Aktivitäten Russlands gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten zu unterbinden. Zu diesem Zweck sind restriktive Maßnahmen gegen POE vorgesehen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen der Regierung der Russischen Föderation verantwortlich sind, die die Grundwerte der Union, ihre Sicherheit, Unabhängigkeit oder Unversehrtheit, die Stabilität, Sicherheit oder Unabhängigkeit ihrer Mitgliedstaaten, internationaler Organisationen oder von Drittländern oder die Souveränität von Mitgliedstaaten oder Drittländern untergraben oder bedrohen, oder die solche Handlungen oder politischen Maßnahmen durchführen oder unterstützen. Die restriktiven Maßnahmen umfassen in Art. 2 VO 2024/2642 das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verbot, diesen POE Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Durchführungsverordnung (EU) 2024/3188 vom 16. Dezember 2024 füllt nun erstmals die VO 2024/2642 mit Leben und listet 16 natürliche Personen und drei juristische Personen, die für destabilisierende Aktionen verantwortlich sind. 

Weitere neue Sanktionen

Die Verordnung (EU) 2024/3192 (VO 2024/3192) ergänzt die Russland-Embargo-Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (VO 833/2014).

Neue Listungen in Anhang IV VO 833/2014

Die VO 2024/3192 fügt 32 POE in Anhang IV der VO 833/2014 hinzu. Hierbei handelt es sich um POE, die militärische Endnutzer sind, zum militärisch-industriellen Komplex Russlands gehören oder kommerzielle oder sonstige Verbindungen mit dem Verteidigungs- und Sicherheitssektor Russlands unterhalten oder diesen anderweitig unterstützen. Sie unterliegen somit strengeren Ausfuhrbeschränkungen für Dual-Use-Güter sowie für Güter und Technologien, die zur technologischen Stärkung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen können. Einige dieser POE befinden sich in Drittländern wie China, Indien, Iran, Serbien und den Vereinigten Arabischen Emiraten und waren an der Umgehung von Sanktionen oder der Beschaffung sensibler Güter, z.B. für die Herstellung von Drohnen und Raketen, beteiligt. Mit den Maßnahmen soll verhindert werden, dass diese Akteure weiterhin zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands beitragen können.

Neue Listungen von Schiffen der russischen „Schattenflotte“

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Verordnung ist die Aufnahme von 52 Schiffen in den Anhang XLII. Diese Schiffe sollen Teil der sog. „Schattenflotte“ sein, mit der die Ölpreisobergrenze umgangen wird oder mit denen militärische Ausrüstung oder gestohlenes ukrainisches Getreide befördert wurde. Die Schiffe unterliegen nun den Sanktionen nach Art. 3s VO 833/2014 und damit unter anderem dem Verbot des Zugangs zu Häfen und Schleusen der EU-Mitgliedstaaten sowie zu einer Vielzahl von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Seeverkehr.

Neue Vorschrift zum Schutz vor russischen Gerichtsentscheidungen

Zudem wurde Art. 11c neu in die VO 833/2014 eingefügt. Hiernach dürfen gerichtliche Entscheidungen und Anordnungen, die auf Artikel 248.2 der Arbitrageprozessordnung der Russischen Föderation oder ähnlichen russischen Gesetzen basieren, in keinem Mitgliedstaat anerkannt oder durchgesetzt werden. Der deutsche Wortlaut ist irreführend, denn es handelt sich nicht um Schiedsgerichte in Russland, sondern um russische staatliche Gerichte für Wirtschaftsstreitigkeiten und die entsprechende Prozessordnung. Auch die Norm wurde nicht richtig zitiert. Das Verbot der Anerkennung und Vollstreckung gilt auch für Rechtshilfeersuchen und Strafen im Zusammenhang mit solchen Entscheidungen. Art. 248.1 Punkt 1 Nr. 1 der russischen Arbitrageprozessordnung (Wirtschaftsprozessordnung) sieht eine ausschließliche Zuständigkeit der russischen Wirtschaftsgerichte für Streitigkeiten mit Personen vor, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt wurden, sofern ein völkerrechtlicher Vertrag der Russischen Föderation oder eine Gerichtsstandsvereinbarung der beteiligten Parteien nicht die Zuständigkeit eines ausländischen ordentlichen Gerichts oder eines Schiedsgerichts vorsieht oder wenn eine solche Gerichtsstandsvereinbarung durch den russischen Verfahrensbeteiligten nicht erfüllt werden kann, weil die ihm auferlegten einschränkenden Maßnahmen den Zugang zum Gerichtsverfahren behindern. Gemäß Art. 248.2 der der russischen Arbitrageprozessordnung (Wirtschaftsprozessordnung) kann die Einleitung oder Fortsetzung des ausländischen Gerichtsverfahrens untersagt werden. Zudem kann das russische Wirtschaftsgericht den (ausländischen) Prozessgegner zur Zahlung einer Geldsumme verurteilen, sofern das ausländische Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren trotz Untersagungsverfügung fortgesetzt wird. Unter Nutzung der ausschließlichen Zuständigkeit russischer Wirtschaftsgerichte wurden durch russische POE Verfahren gegen EU-Vertragspartner wegen sanktionsbedingter Nichterfüllung geschlossener Verträge angestrengt, Schadensersatzansprüche in beträchtlicher Höhe geltend gemacht und u.a. Sicherungsmaßnahmen und vorläufige Rechtsmittel gegen russische Niederlassungen und russische Tochtergesellschaften (u.a. beteiligter Banken) in großen Summen (mehrere Mio. EUR) erwirkt. Mit Art. 5ab VO 833/2014, der durch das 14. Sanktionspaket mit Wirkung zum 25. Juni 2024 in Kraft trat, wurde ein vollständiges Transaktionsverbot mit in Anhang XLIII gelisteten russischen POE, die Klage gegen POE in der EU nach den betreffenden Normen der der russischen Arbitrageprozessordnung (Wirtschaftsprozessordnung) eingereicht haben, eingeführt. Anhang XLIII ist aber noch leer und wurde auch nicht durch die jetzigen Änderungen gefüllt. 

Verlängerungen von Übergangszeiträumen / Russland-Exit

Zusätzlich wurden die bestehenden Übergangszeiträume in Art. 3m Abs. 6, 8 UAbs. 4, Art. 5aa Abs. 3 lit. d), Abs. 3a, Art. 11 Abs. 4, Art. 12b Abs. 1, 1a, 2, 2a VO 833/2014, die andernfalls zum 31. Dezember 2024 ausgelaufen wären, um ein weiteres Jahr verlängert. Damit soll vor allem die Möglichkeit für den Abzug von Investitionen aus Russland offengehalten werden. Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) 2024/3192 empfiehlt in diesem Zusammenhang Folgendes:

„Die Wirtschaftsteilnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass Russland ein Land ist, in dem keine Rechtsstaatlichkeit mehr herrscht, und dass die Russische Föderation mehrere Rechtsvorschriften erlassen hat, die auf Vermögenswerte von Unternehmen aus „unfreundlichen Ländern“, auch Mitgliedstaaten, abzielen. Dies könnte dazu führen, dass Vermögenswerte aus der Union in Russland verloren gehen, ohne dass die Möglichkeit für einen geordneten Rückzug besteht. Aufgrund der Risiken, die mit der Aufrechterhaltung von Geschäftstätigkeiten in Russland verbunden sind, wird den Wirtschaftsteilnehmern aus der Union empfohlen, Geschäftstätigkeiten in Russland abzuwickeln und/oder keine neuen Tätigkeiten aufzunehmen.“

Neue Sanktionen gegen Belarus

Die Durchführungsverordnung (EU) 2024/3177 ergänzt die Verordnung (EG) Nr. 765/2006 und erweitert die Liste der sanktionierten POE aus Belarus. Insgesamt wurden 26 natürliche Personen und zwei juristische Personen in Anhang I hinzugefügt. Diese Sanktionen umfassen ebenfalls Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten sowie Bereitstellungsverbote. Die betroffenen Personen und Organisationen s sollen die russischen militärischen Operationen aktiv unterstützen, von ihnen profitieren oder die EU-Sanktionen  umgehen. 

Bewertung

Umwälzende Neuerungen wurden durch das 15. Sanktionspaket nicht eingeführt. Den umfangreichen neuen Listungen von POE insbesondere aus Drittstaaten wie China ist durch sorgfältige Überprüfung der Geschäftspartner Rechnung zu tragen. Sofern Erwägungen bezüglich eines Russland-Exits bestehen, gibt es nunmehr die Möglichkeit für bestimmte Exporte, Importe oder Leistungserbringungen unter den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 bis Abs. 2a VO 833/2014 Ausnahmegenehmigungen bis zum 31. Dezember 2025 zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Bemerkenswert ist die ausdrückliche Empfehlung des Rates der Union an die EU-Wirtschaftsteilnehmer, ihre bestehenden Geschäftstätigkeiten in Russland abzuwickeln bzw. keine neuen Tätigkeiten aufzunehmen.

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