Außerordentliche Kündigung eines Mietvertrages durch den Mieter wegen Entziehung des Mietgebrauchs infolge einer Gebietsabsperrung?
Außerordentliche Kündigung eines Mietvertrages durch den Mieter wegen Entziehung des Mietgebrauchs infolge einer Gebietsabsperrung?
Wir müssen angesichts der grassierenden Pandemie in nächsten Wochen damit rechnen, dass nicht mehr nur vereinzelte Ausgangssperren und Quarantäneanordnungen verhängt, sondern ganze Städte und Gemeinden abgeriegelt und isoliert werden. Kann das ein Grund sein, Mietverhältnisse über Gewerbeimmobilien, deren Mietzweck auf einem überregionalen Austausch von Waren und Personen fußt (Hotels, Logistikzentren, Ladenlokale in Bahnhöfen und Flughäfen) zu kündigen?
Ein Mieter kann seinen Mietvertrag außerordentlich kündigen, wenn ihm der vertragliche Gebrauch der Mietsache nicht gewährt oder wieder entzogen wird; § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2. Fall BGB. Die Gebrauchsentziehung muss erheblich sein, stellt aber dann auch einen wichtigen Grund dar, ohne dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung gesondert zu prüfen wäre.
Kann der Mieter also fristlos kündigen, wenn er aufgrund einer behördlichen Gebietsabsperrung die Mietsache nicht mehr nutzen darf?
Nach der bisherigen Rechtsprechung führt ein behördliches Gebrauchshindernis nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: (1) Die behördliche Maßnahme muss ihren Grund in der konkreten Beschaffenheit der Mietsache haben. (2) Der Vermieter muss auf Grund des Mietvertrags verpflichtet sein, für diejenigen Umstände einzustehen, auf deren Fehlen oder Vorliegen sich die behördliche Maßnahme bezieht. (3) Die Behörde ist tatsächlich tätig geworden und der vertragsgemäße Gebrauch ist hierdurch tatsächlich beeinträchtigt.
In der aktuellen Situation wird es regelmäßig an Voraussetzung (1) fehlen. Denn zur Begrenzung der Virusausbreitung erlassene behördliche Nutzungsuntersagung dürften gerade nicht auf den Zustand der konkreten Mietsache oder auf sonstige Umstände in der Sphäre des Vermieters gestützt werden. Im Falle einer solchen behördlichen Nutzungsuntersagung kommt der Entzug des Mietgebrauchs offensichtlich nicht aus der Sphäre des Vermieters oder aus der Beschaffenheit der Mietsache. Ein Kündigungsrecht des Mieters erscheint daher grundsätzlich fernliegend. Anders könnte es sein, wenn der Vermieter den Grund der Nutzungsuntersagung gesetzt hat. Ein Verschulden des Vermieters ist dabei keine zwingende Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung des Mieters. Wie überall gilt aber auch hier und gerade jetzt, dass der Mieter besser beraten ist, wenn er zeitnah das Gespräch mit dem Vermieter über eine Anpassung der Vertragsbedingungen an die neue Lage führt. Denn bei verständiger Würdigung liegen die Interessen des Mieters und des Vermieters in diesem Szenario gleich, nämlich durch gegenseitiges Ab- und Zugeben eine Fortsetzung der Nutzung wirtschaftlich zu ermöglichen, anstatt einseitig vollendete Tatsachen zu schaffen, zumal diese oft ihrem Urheber auf die Füße fallen, wenn sich die Situation und mit ihr die Rechtslage unerwartet wieder ändern.