BauGB-Novelle: Klimaschutz, Wohnungsbau und Einzelhandel
Der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) wurde lange erwartet und nunmehr am 30. Juli 2024 als Referentenentwurf in die Länder- und Verbändeanhörung gegeben. Im Folgenden wird ein Überblick über einige der zahlreichen Änderungsvorschläge gegeben:
Klimaschutz und Klimaanpassung
Der Klimaschutz und die Klimaanpassung finden nunmehr gesondert und besondere Bedeutung als Anlass für städtebauliche Maßnahmen und im Abwägungsprozess. Ziel ist es, erhöhte Hitzebelastungen und Schäden aus Starkregenereignissen zu vermeiden und zu verringern. Mit neuen Festsetzungsmöglichkeiten soll die Realisierung insbesondere von grün-blauer Infrastruktur realisiert werden können. Pflanz– und Maßnahmengebote, die der Bebauungsplan festsetzt, sollen zukünftig durch Bescheid verpflichtend gegenüber den jeweiligen Grundstückseigentümer:innen durchgesetzt werden können. Es sollen auch ergänzende Anforderungen bei der Zulassung von Innenbereichsvorhaben gemäß § 34 BauGB gestellt oder Satzungen zu diesem Zweck erlassen werden können. In der Baunutzungsverordnung (BauNVO) soll die Möglichkeit zur Festsetzung eines Versiegelungsfaktors eingeführt werden. Schließlich soll ein Gebiet, das einen erheblichen Anpassungsbedarf an die Auswirkung des Klimawandels aufweist, als (förmliches) Sanierungsgebiet festgesetzt werden.
Wohnungsbau
§ 201a BauGB eröffnete zunächst befristet auf Ende 2026, dass durch Landesverordnungen Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch die Landesregierungen festgestellt werden konnten. Für diese Bereiche galten (bisher befristet) Sonderregelungen des BauGB. Zukünftig sollen bei einer entsprechenden Landesregelung auch alle oder einzelne Gemeinden die Möglichkeit haben, entsprechende Regelungen als Satzungen erlassen zu können. Die Regelung soll insgesamt „entfristet“ werden; die zukünftigen Rechtsverordnungen oder Satzungen sollen jeweils eine Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren haben.
Zu den Sonderregelungen für angespannte Wohnungsmärkte zählt unter anderem die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 31 Abs. 3 BauGB. Danach kann in diesen Gebieten im Einzelfall eine Befreiung auch ohne Erfüllung der dafür regelmäßig geltenden städtebaulichen Voraussetzungen erteilt werden. Als Ergänzung wird vorgeschlagen, dass vom Einzelfallerfordernis abgesehen werden kann, wenn es sich um die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gebäudes (insbesondere Aufstockung) handelt oder ein Gebäude errichtet werden soll, das nach seiner Art nach dem Bebauungsplan zulässig wäre (also in allen Gebieten, in denen Wohnen zulässig ist). Weitere Voraussetzung soll dann allerdings eine Prognose sein, dass solche Befreiungen auch in vergleichbaren Fällen erteilt werden sollen und die Befreiung öffentlich bekannt gemacht wird.
Eine weitere Sonderregelung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ist der Umwandlungsschutz, mit welchem die Länder einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum nach dem WEG einführen können. Diese Möglichkeit wird bis Ende 2027 verlängert.
Für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) soll zukünftig bei der Nutzungsänderung hin zur Wohnnutzung und insgesamt für bauliche Anlagen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall abgewichen werden können, wenn sie sich der Art nach in die Umgebung einfügen.
Um Konflikte insbesondere zwischen Wohnbebauung und gewerblichen Nutzungen im Bebauungsplan rechtssicherer zu bewältigen, soll es Möglichkeiten zur Festsetzung von bestimmten Immissionswerten oder Emissionsmengen geben, die nicht überschritten werden dürfen. Weiter sollen Emissionskontingentierungen für Gewerbe- oder Industriegebiete insgesamt festsetzbar sein.
Aufgenommen werden sollen einzelne, bisher dem so nicht fortgeführten sektoralen Bebauungsplan der Wohnraumversorgung vorbehaltene Festsetzungsmöglichkeiten. So sollen u.a. Flächen festgesetzt werden können, für die sich ein Vorhabenträger explizit dazu verpflichtet die Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindungen, einzuhalten
Allgemeine Verfahrensregelungen und Vereinfachungen
Die Grundsätze des Aufstellungsverfahrens für Bauleitpläne werden insgesamt systematisch neu gefasst. Die Regelungen zur Digitalisierung, die bereits mit den letzten Novellen eingeführt wurden, werden noch einmal ergänzt und vereinheitlicht. Zu einzelnen Planverfahren werden Klarstellungen und Ergänzungen aufgenommen. In bebauten Ortsteilen soll über einen (sektoralen) Bebauungsplan eine Änderung ausschließlich der bisher zulässigen Nutzungsarten gesteuert werden können.
Hinsichtlich der Regelungen zum gemeindlichen Vorkaufsrecht soll eine Neuregelung aufgenommen werden, die das Thema Share-Deal im Blick hat. Danach soll die Verpflichtung zur Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft dem Kauf von Grundstücken gleichgestellt werden
Erwähnenswert erscheint schließlich der Vorschlag einer bundeseinheitlichen Definition des Vollgeschosses und des Staffelgeschosses. Bisher wurde auf die jeweils geltenden landesrechtlichen Regelungen abgestellt.
„Nahversorger“ und Einkaufszentren
Eine Erweiterung der „Nahversorger“ soll erleichtert werden. Einzelhandelsbetriebe mit einer Geschossfläche von bis zu 1.500m² können zukünftig auch dann außerhalb von Kern- und Sondergebieten zulässig sein, wenn diese Größe vornehmlich durch eine Erweiterung des Lebensmittelsortiments sowie der Vergrößerung der Gänge und des Kassenbereichs in den Verkaufsräumen erreicht wird. Für neue wie bestehende Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe sollen zukünftig sowohl im Kern- als auch im Sondergebiet die maximale Verkaufsfläche festgesetzt werden können; eine bundeseinheitliche Definition der Verkaufsfläche ist ebenfalls vorgesehen.
Wie geht es weiter?
Das Ministerium macht Tempo: Bereits bis Ende 2024 soll das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag abgeschlossen sein. In den bisherigen Stellungnahmen werden viele klarstellende Regelungen begrüßt. Zu den inhaltlichen Vorschlägen gehen die Meinungen erwartungsgemäß auseinander. So bleibt abzuwarten, welche der vorgestellten oder welche noch nicht bekannten Regelungen sich in der politischen Diskussion tatsächlich durchsetzen werden. Die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) findet sich hier.