August 2025 Blog

Bestätigung völkerrechtlicher Klimaschutzpflichten und Rechtsfolgen bei Verstößen

Der Internationale Gerichtshof hat in seinem Gutachten vom 23. Juli 2025 die bestehenden völkerrechtlichen Pflichten zum Klimaschutz klargestellt und die denkbaren rechtlichen Folgen bei deren Verletzung aufgezeigt.

Hintergrund und zu beantwortende Fragen

Hintergrund ist die Resolution 77/276 aus dem Jahr 2023, mit welcher die UN-Generalversammlung beschloss, den Internationalen Gerichtshof (IGH) um ein Gutachten zu den folgenden Fragen zu ersuchen (verkürzt):

„a) Welchen Verpflichtungen unterliegen die Staaten nach dem Völkerrecht, um zugunsten der Staaten und der heutigen und der kommenden Generationen den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt vor anthropogenen Treibhausgasemissionen zu gewährleisten; 

b) welche Rechtsfolgen ergeben sich aus diesen Verpflichtungen für Staaten, die durch ihre Tätigkeit oder Untätigkeit dem Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt erheblichen Schaden zugefügt haben, gegenüber Staaten bzw. Völkern und Einzelpersonen?“

Bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zum Klimaschutz (Frage a)

Zur Beantwortung der Frage, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen Staaten im Zusammenhang mit dem Klimawandel treffen, leitet der IGH die bestehenden Pflichten aus den aus seiner Sicht unmittelbar relevantesten Regelwerken ab. Zwischen diesen Regelwerken bestehe dabei kein lex-specialis-Verhältnis.

Zunächst prüft der IGH die Pflichten der Staaten im Rahmen der Klimaschutzverträge (das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über den Klimawandel – UNFCCC, das Kyoto Protokoll und das Parier Übereinkommen). Die Pflichten nach den Klimaschutzverträgen bestimmen sich nach dem Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten und variieren je nach Entwicklungsstand des jeweiligen Landes. Die entwickelten Länder (sog. Annex-I-Staaten wie Deutschland) haben weitergehende Pflichten als Entwicklungsländer. Der Entwicklungsstand wirke sich auch auf den anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab aus. 

Unabhängig von ihrer konkreten Kategorisierung stehe fest, dass es sich bei allen Pflichten aus den Klimaschutzverträgen um „echte“, verbindliche Pflichten handelt. Hauptpflicht ist dabei wohl die Ausarbeitung und Befolgung national festgelegter Beiträge (nationally determined contributions, NDCs) gemäß Art. 4 Abs. 2 des Pariser Übereinkommens. 

Staaten verfügen bei der Ausgestaltung ihrer Pflichten in der Regel über einen Ermessensspielraum, der jedoch durch den im Einzelfall maßgeblichen, angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel aber strengen Sorgfaltsmaßstab begrenzt sei. Für die NDCs bedeute dies, dass jede Vertragspartei alles in ihrer Macht Stehende tun müsse, um sicherzustellen, dass ihre Beiträge zum Klimaschutz den höchstmöglichen Ambitionen entsprechen.

Im Anschluss legt der IGH dar, dass sich aus dem Völkergewohnheitsrecht die Pflichten zur Verhinderung erheblicher Schäden am Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt und zur Zusammenarbeit ergeben. Diese gelten auch dann, wenn Staaten nicht Vertragspartei der Klimaschutzverträge sind. Weitere Regelwerke beinhalten darüber hinaus ähnliche Klimaschutzpflichten. 

Konsequenzen der Verletzung der genannten Pflichten (Frage b)

Bei der Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen sich aus einer Verletzung der aufgeführten Pflichten ergeben, macht der IGH deutlich, dass sein Gutachten nur die allgemeinen Rechtsfolgen umreißt. Die konkrete Feststellung der Verantwortung einzelner Staaten oder Staatengruppen bliebe künftigen Klagen vorbehalten.

Völkerrechtswidrig sei nicht die Emission von Treibhausgasen an sich, sondern Handlungen oder Unterlassungen, die unter Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen eines Staates erhebliche Schäden am Klimasystem verursachen. Die Folgen der Pflichtverletzung ergeben sich aus den allgemeinen Regeln über die Staatenverantwortlichkeit.

Problematisch bei einer Staatenverantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel seien die Fragen der Zurechnung und der Kausalität. Der IGH stellt fest, dass auch im Klimakontext eine völkerrechtswidrige Handlung oder Unterlassung (etwa die fehlende Regulierung privater Akteure) im Einzelfall wissenschaftlich nachweisbar und dem Staat zurechenbar sein kann. Die Frage der Kausalität sei relevant im Rahmen der Wiedergutmachung. Es müsse ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Handlung des Staates und einem bestimmten Schaden bestehen. 

Zudem stellt der IGH klar, dass die Verpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz einen erga omnes Charakter haben. Dadurch könne jeder Staat eine Pflichtverletzung durch einen anderen Staat geltend machen, unabhängig von einer eigenen Schädigung.

Als denkbare Rechtsfolgen rechtswidriger Handlungen nennt der IGH– im konkreten Fall abhängig von der Verletzung und der Art des Schadens – die Verpflichtung zur Unterlassung und zur Nichtwiederholung und die vollständige Wiedergutmachung einschließlich der Rückgabe, der Entschädigung und/oder der Genugtuung.

Keine Auswirkungen des Gutachtens auf Deutschland

Das IGH-Gutachten dürfte weder die deutschen Klimaschutzmaßnahmen noch die nationale Rechtsprechung wesentlich beeinflussen.

Der IGH stellt klar, dass völkerrechtliche Pflichten in Bezug auf den Klimawandel einzuhalten sind. Es besteht allerdings keine Pflicht der Staaten, konkrete Maßnahmen durchzuführen. Aus dem Gutachten ergibt sich insoweit nichts Neues. Auch in Zukunft hat Deutschland in der Ausgestaltung seiner konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz einen Ermessensspielraum, der durch die jeweils einzuhaltende Sorgfaltspflicht begrenzt ist. 

Selbst wenn der IGH die erga omnes Wirkung der völkerrechtlichen Klimaschutzverpflichtungen betont, ist nicht zu erwarten, dass es zu einem Anstieg von völkerrechtlichen Klagen von Staaten gegen andere Staaten kommen wird. Im Rahmen solcher Klagen werden jedenfalls die Fragen der konkreten Pflichtverletzung, Zurechenbarkeit und Kausalität im Vordergrund stehen. 

Ein Anstieg klimaschutzbezogener Klagen zur Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen ist auch im innerstaatlichen Kontext nicht zu erwarten. Zwar könnten – wie dem Klimabeschluss des BVerfG zugrundeliegend (Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18) – Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 20a GG geltend gemacht werden, die über Art. 59 Abs. 2 GG bzw. Art. 25 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG völkerrechtlich „aufgeladen“ sind (vgl. BVerfG, a.a.O., Juris RdNr. 201). Eine konkrete, einklagbare Verpflichtung Deutschlands zur Umsetzung bestimmter Maßnahmen folgt daraus jedoch nicht. Die Vorgaben des Pariser Übereinkommens wurden zudem 2019 gemäß § 1 Satz 3 KSG in die nationale Gesetzgebung integriert und sind auch in diesem Rahmen zu beachten. Bereits vor Veröffentlichung des IGH-Gutachtens war somit klar, dass Deutschland völkerrechtliche Verpflichtungen im Bereich des Klimaschutzes zu erfüllen hat. Materiell-rechtliche Änderungen ergeben sich aus dem Gutachten nicht. Aus diesem Grund sind weder ein Anstieg klimaschutzbezogener Klagen noch eine Änderung der innerstaatlichen Rechtsprechung diesbezüglich zu erwarten.

Das Gutachten des IGH stellt für Deutschland daher keinen „Wendepunkt“ dar, sondern bestätigt völkerrechtliche Verpflichtungen, die bereits zuvor national anerkannt und berücksichtigt wurden.

Quellennachweis
International Court of Justice, Obligations of States in Respect of Climate Change, Advisory Opinion, 23 July 2025

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