Betriebliche Altersversorgung: BAG limitiert Einschränkungen
Die bisherige arbeitgeberfreundliche höchstrichterliche Auslegung von Klauseln, die Versorgungszusagen des Arbeitgebers einschränken, ist aufgeweicht worden. Verknüpfen derartige Klauseln eine Leistungseinschränkung allein mit einer Altersgrenze, könnte dies die Nichtigkeit der Einschränkung zur Folge haben.
Hintergrund
In der betrieblichen Altersversorgung sind Versorgungszusagen gerade in größeren Unternehmen ein verbreitetes Instrument, zusätzliche Anreize für die Mitarbeiter zu schaffen. Für die Mitarbeiter bedeutet dies Mehreinnahmen, selbst wenn diese sich erst später realisieren; für den Arbeitgeber bedeutet dies bei gegenwärtig geringerem Aufwand eine zusätzliche Leistung, welche darüber hinaus einen Anreiz zur Betriebstreue bietet. Im Gegensatz zu den weit verbreiteten Arten der betrieblichen Altersversorgung wie Direktversicherung oder „Riesterrente“ bedeutet die Versorgungszusage schlicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, ab Renteneintritt bestimmte Summen zu zahlen (Leistungszusage) oder bis zum Renteneintritt Beträge zu einer Versorgungseinrichtung zu leisten (Beitragszusage).
Die Ausgestaltung dieser Zusage kann vielfältig sein und auch Witwen- und Waisengelder beinhalten, sei es im Rahmen von Renten oder einer Todesfallleistung wie bei einer Lebensversicherung.
Witwen- und Waisenversorgung
Für den durchaus üblichen Fall, dass die Versorgungszusage vorsieht, dass im Todesfall der Versorgungsempfänger während des Rentenzeitraums Leistungen an Witwen, Lebenspartner oder Waisen gezahlt werden, ist es sinnvoll, diese Zusage einzuschränken, um Risiken und damit Zahlungen zu begrenzen. So ist es empfehlenswert, versicherungstechnisch gesprochen, sogenannte „Neu-Risiken“ nicht abzusichern: Dabei handelt es sich beispielsweise um Ehen oder Lebenspartnerschaften, welche erst nach Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen werden (Späteheklausel). Auch die Versorgung von Kindern, welche erst nach Eintritt des Versorgungsfalls geboren werden, kann ausgeschlossen werden. Derartige Regelungen sind in den verschiedensten Konstellationen regelmäßig in der Vergangenheit vom BAG für wirksam erachtet worden, zuletzt durch Urteil vom 15.10.2013 (3 AZR 294/11). Das BAG hat sogar darüber entschieden, dass selbst die Wiederverheiratung mit dem eigenen, vormals geschiedenen Ehepartner nicht dazu führt, dass deren zuvor angelegter Rentenanspruch als Witwe wieder auflebt.
Begründet wurde dies vom BAG damit, dass diese Einschränkungen weder dem grundrechtlichen Gleichheitsschutz, dem Schutz von Ehe und Familie noch dem Eigentumsschutz widersprechen würden. Es sei hinnehmbar, dass auch durch eine Versorgungszusage nur solche Risiken abgedeckt würden, die sich während der sogenannten Beitragszeit ergeben können. Risiken aus der Leistungszeit, also der Zeit, in der der Arbeitnehmer Leistungsempfänger der Versorgungszusage ist und Gelder erhält, bräuchten eben nicht einbezogen zu werden. Aber auch darüber hinaus haben selbst solche Klauseln Bestand und gelten als wirksam, die etwa besagen, dass eine Ehe, welche nach Vollendung des 50sten Lebensjahres geschlossen wurde, mindestens zehn Jahre Bestand haben muss, um Versorgungsansprüche des überlebenden Ehepartners entstehen zu lassen.
Auch sogenannte Altersdifferenzklauseln wurden für zulässig erachtet, nach welchen eine Witwenrente dann nicht gezahlt werden muss, wenn der Altersunterschied der Ehepartner mehr als 25 Jahre beträgt (vgl. BAG v. 09.11.1978, 3 AZR 784/77, Urteil BAG v. 19.12.2003, AZR 186/03).
Derartige Klauseln hält das BAG in den Orientierungssätzen der Richterinnen und Richter deshalb für vertretbar, weil „der erforderliche Zusammenhang mit einleuchtenden Risikoerwägungen bestehen würde“ (BAG vom 28.07.2005, AZR 457/04).
Neue Entwicklung
Diese arbeitgeberfreundlichen Auslegungen hat das BAG nunmehr in einer Entscheidung vom August 2015 aufgeweicht. Dabei ging es um eine Klausel, in welcher allein festgehalten war, dass eine Witwenrente nur dann gezahlt wird, wenn die Ehe mit dem versorgungsberechtigten Mitarbeiter vor Vollendung dessen 60sten Lebensjahr geschlossen wurde. Während die 1. Instanz und auch das LAG die Auslegung noch nach den bisherigen Prinzipien vornahmen, entschied das BAG nun, dass eine solche Klausel gegen § 7 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße weil sie sich allein auf das Alter beziehe. Der Verweis bezieht sich auf die Ziele dieses Gesetzes, u. a. eben auf eine Benachteiligung wegen des Alters. In der bisher nur durch eine Pressemitteilung bekannten Entscheidung wird aufgeführt, dass es um eine Altersdiskriminierung des Arbeitnehmers selbst ginge, die auch nicht durch die in § 10 Ziff. 3 AGG genannten Zulassungskriterien gerechtfertigt seien. Dort sind allerdings u. a. Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Altersrente als mögliche Differenzierungskriterien genannt.
Es bleibt nun abzuwarten, wie die Entscheidungsgründe ausfallen werden und wie im Einzelnen das BAG eine Diskriminierung begründet. In jedem Fall ist aber darauf hinzuweisen, dass Versorgungszusagen mit derartigen oder ähnlichen Regelungen überprüft bzw. deren Risiken neu bewertet werden müssen, um in Zukunft unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
(BAG, Urteil vom 04. August 2015, BAG; AZR 137/13).
Dr. Holger Kühl, LL.M., Rechtsanwalt