Oktober 2025 Blog

BGH zur reformierten Reparaturklausel im Geschmacksmusterrecht – engerer Anwendungsbereich und veränderter Sorgfaltsmaßstab

Im Zentrum der (teilweise) am 1. Mai 2025 in Kraft getreten EU-Designrechtsreform steht die – bisher in Art. 110 GGV und jetzt in Art. 20a UGV geregelte –  sogenannte Reparaturklausel. In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals zu dem, im Vergleich mit der Vorgängerregelung des Art. 110 GGV, geänderten Anwendungsbereich und -inhalt der in Art. 20a UGV neugefassten Reparaturklausel Stellung genommen (Urteil v. 9.10.2025, I ZR 116/24). Das Urteil enthält wichtige Anhaltspunkte für den zukünftigen Umgang mit der Reparaturklausel, sowohl für OEMs und OES als auch für auf dem Aftermarket tätige Hersteller und Händler von Ersatzteilen. 

Hintergrund der Entscheidung

Die Klägerin ist Inhaberin eines (Unions-) Geschmacksmusters für das Gehäuse eines Kraftfahrzeugschlüssels. Die Beklagte hat mit dem Geschmacksmuster identische Schüsselgehäuse im Internet angeboten und verkauft. Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung ihres Geschmacksmusters gerichtlich auf u.a. Unterlassung des Vertriebs, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. 

Die Beklagte hatte sich im Wesentlichen mit dem Argument verteidigt, dass es sich bei dem Schlüsselgehäuse um ein von der Reparaturklausel des Art. 110 GGV bzw. des – während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen – Art. 20a UGV erfassten Erzeugnisses handelt.      

Sowohl das Landgericht Düsseldorf als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf haben der Klägerin recht gegeben. 

Die „Reparaturklausel“ 

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die sogenannte "Reparaturklausel" im Geschmacksmusterrecht. Diese Klausel besagt im Wesentlichen, dass sich der Inhaber eines Geschmacksmusters nicht gegen den Vertrieb eines Bauteils zur Wehr setzen kann, dass ausschließlich dazu dient, ein komplexes Produkt zu reparieren und ihm wieder sein ursprüngliches Aussehen zu verleihen.

Alte Rechtslage (bis 30. April 2025)

Der BGH hat für die alte Rechtslage festgestellt, dass das Angebot der Beklagten – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – grundsätzlich von der Reparaturklausel gedeckt gewesen wäre. Das Schlüsselgehäuse stelle ein Bauelement des komplexen Erzeugnisses "Kraftfahrzeugschlüssel" dar, und werde zumindest auch mit Ziel verwendet, die Reparatur des Kraftfahrzeugschlüssels zu ermöglichen. Für die Anwendbarkeit der Reparaturklausel sei es unschädlich, wenn es sich hierbei nur um eines von mehreren realistischerweise in Betracht kommenden Motiven handelt.

Der weite Anwendungsbereich des Art. 110 Abs. 1 GGV hänge maßgeblich mit der Einbeziehung formungebundener Bauelemente zusammen. Einer Aushöhlung des Geschmacksmusterschutzes werde durch die vom Gerichtshof der Europäischen Union ergänzend formulierten Sorgfaltspflichten hinreichend vorgebeugt. Eben diese Sorgfaltspflichten habe die Beklagte aber verletzt indem sie es versäumt habe, klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass in das Schlüsselgehäuse ein Geschmacksmuster aufgenommen ist, dessen Inhaberin sie nicht ist, und das Schüsselgehäuse ausschließlich zur Reparatur des Originalschlüssels bestimmt ist.

Letztlich habe die Beklagte auch nicht mit geeigneten Mitteln, insbesondere vertraglicher Art, dafür Sorge getragen, dass die nachgelagerten Benutzer die fraglichen Bauelemente nicht für eine Verwendung vorsehen, die mit den Voraussetzungen nach Art. 110 Abs. 1 GGV unvereinbar wäre.

Allein die Angaben "TOP Preis + Leistung" und "qualitativ hochwertiges Bauteil als 1:1 Ersatz" seien jedenfalls zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten nicht ausreichend gewesen. 

Neue Rechtslage (ab 1. Mai 2025)

Zum 1. Mai 2025 hat sich die Rechtslage mit in Krafttreten des Art. 20a UGV geändert. Die neue Reparaturklausel ist deutlich enger gefasst und gilt nur noch für "formgebundene" Bauelemente, also solche, deren Form durch das Erscheinungsbild des komplexen Erzeugnisses prinzipiell unveränderlich festgelegt und damit vom Kunden nicht frei wählbar ist. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters nur beschränkt wird, um zu verhindern, dass den Inhabern von Geschmacksmustern tatsächlich Erzeugnismonopole gewährt werden.

Bei dem Schlüsselgehäuse – so der BGH – handele es sich um ein „formungebundenes“ Bauelement. Zwar gäbe es technische Einschränkungen (Platz für Elektronik und Schlüsselbart), aber grundsätzlich bestehe Gestaltungsspielraum. Das Schlüsselgehäuse falle daher nicht mehr unter die neue Reparaturklausel.

Der BGH hielt es darüber hinaus für erheblich zweifelhaft, dass die Beklagte den – gegenüber der zu Art. 110 Abs. 1 GGV ergangenen Rechtsprechung – zwar gelockerten Sorgfaltspflichten gemäß Art. 20a Abs. 2 UGV genügt hat. Danach müsse eine Verkäuferin wie die Beklagte, um sich mit Erfolg auf die Reparaturklausel des Art. 20a Abs. 1 UGV berufen zu können, den Verbraucher durch eine klare und sichtbare Angabe auf dem Erzeugnis oder in einer anderen geeigneten Form ordnungsgemäß über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Erzeugnisses informieren, so dass er eine bewusste Wahl zwischen konkurrierenden Erzeugnissen treffen kann, die für die Reparatur verwendet werden können.   

Bei Angeboten im Internet spreche vieles dafür, dass diese Informationen auch schon im Angebot und nicht allein auf der Verpackung des Erzeugnisses gegeben werden müssten, weil der Verbraucher nur dann die vom Unionsgesetzgeber bezweckte bewusste Wahl zwischen konkurrierenden Erzeugnissen treffen könne. Das Internetangebot der Beklagten habe die notwendigen Informationen jedoch nicht enthalten. 

Auswirkungen auf die Ansprüche

Im Ergebnis hat der BGH das Bestehen der mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche bis zum 30. April 2025 angenommen.

Mit der Rechtsänderung sei die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr entfallen, weil die neue Rechtslage eine völlig andere tatsächliche und rechtliche Bewertung erfordere. Es könne nicht angenommen werden, dass die Beklagte das Schlüsselgehäuse unter Berücksichtigung des auf formgebundene Bauteile beschränkten Anwendungsbereichs der neugefassten Reparaturklausel überhaupt hergestellt und vertrieben hätte. 

Praxishinweise 

Auf dem Aftermarket tätige Hersteller und Händler von Ersatzteilen, insbesondere im Kraftfahrzeugsektor, müssen sich hinsichtlich des nun (wieder) auf „must-match“-Teile (d.h. formgebundene Bauteile) beschränkten Anwendungsbereich der mit Art. 20a UGV neugefassten Reparaturklausel im Klaren sein. Speziell für den Kraftfahrzeugsektor bedeutet dies, dass der Anwendungsbereich der Reparaturklausel im Wesentlichen wieder auf – die vom Kunden nicht frei wähl- und austauschbaren – so genannten „body parts“ oder „crash parts“ wie Karosseriebleche, Glasscheiben und Beleuchtungsteile zurückgeführt wird. Jederzeit austauchbare und flexibel gestaltbare Teile, wie z.B. Felgen oder Radkappen, sind hingegen nicht mehr vom Anwendungsbereich der Reparaturklausel erfasst. 

Ebenfalls zu beachten sind die nunmehr in Art. 20a Abs. 2 UGV gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten. Mit Erfolg auf die Reparaturklausel kann sich nur berufen, wer den Verbraucher durch eine klare und sichtbare Angabe auf dem Erzeugnis oder in einer anderen geeigneten Form ordnungsgemäß über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Erzeugnisses informiert hat, sodass dieser eine bewusste Wahl zwischen konkurrierenden Erzeugnissen treffen kann, die für die Reparatur verwendet werden können. Wo, wann und wie diese Information genau zu erfolgen haben, hängt von den konkreten Umständen ab. Für Angebote im Internet hat der BGH bereits zu verstehen gegeben, dass die Informationen bereits im Angebot und nicht allein auf der Verpackung des Erzeugnisses zu geben sind. 

Die Entscheidung macht die vom europäischen Gesetzgeber mit der Reform verfolgten Kurs deutlich: Der Geschmacksmusterschutz soll nicht durch eine zu weit gefasste Reparaturklausel ausgehöhlt werden, aber gleichzeitig soll der Reparaturmarkt für formgebundene Ersatzteile funktionsfähig bleiben. 

(BGH, Urteil vom 9.10.2025 – I ZR 116/24)

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