Oktober 2025 Blog

Wahl eines „Betriebswirts“ zum Aufsichtsratsmitglied anfechtbar

Die Einladung zur Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft stellte einen später gewählten Kandidaten namentlich unter Nennung seines Wohnorts und der Berufsangabe „Betriebswirt“ zur Wahl. Mehrere Aktionäre sahen hierin einen Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 4 Aktiengesetz (AktG) und erhoben Anfechtungsklage. 

Das Landgericht und das KG Berlin gaben den Klägern Recht. Der zum 1.5.1998 neu gefasste § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG gebe seitdem ausdrücklich vor, den „ausgeübten Beruf“ der zur Wahl gestellten Person anzugeben. Der Gesetzgeber sei hierbei davon ausgegangen, dass die vor der Gesetzesänderung ausreichende Angabe allein des Berufs nur unvollständig erkennen lasse, ob der Vorgeschlagene nach seiner individuellen Belastungssituation oder wegen möglicher Interessenkonflikte, die aus einer Tätigkeit in anderen, konkurrierenden Unternehmen herrühren, für das Amt geeignet ist. Daher seien allgemeine Beschreibungen des erlernten Berufs wie „Kaufmann“ oder „Apotheker“ und – wie vorliegend „Betriebswirt“ – nicht (mehr) ausreichend.

Die darin liegende Verletzung der Mindestangaben des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG sei auch keine Bagatelle. Den Aktionären werde mit derlei allgemein gehaltenen Angaben keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung gegeben, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen und dort gegebenenfalls ihr Rede-, Frage- und Stimmrecht ausüben wollen oder nicht. Die Verletzung des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG erscheine auch nicht deswegen marginal, weil die Aktionäre während der Hauptversammlung Nachfragen stellen könnten: Eine hierin zu sehende Verantwortungsverschiebung hin zu einer Art „Holschuld“ der Aktionäre verkehre die gesetzgeberische Wertung in ihr Gegenteil, da es die gesetzliche Aufgabe und Pflicht des Aufsichtsrats sei, einen den überschaubaren Anforderungen des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG genügenden Wahlvorschlag zu unterbreiten.

Anmerkung

Die in eine Kostenentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO eingebettete Begründung des KG Berlin überzeugt. Augenscheinlich hielt der Gesetzgeber die bis zum 30.6.1998 geltende Rechtslage, wonach lediglich der „Beruf“ des zur Wahl Gestellten anzugeben war, mit Blick auf das Informationsbedürfnis und die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Entscheidung der Aktionäre über eine Versammlungs- und Abstimmungsteilnahme nicht mehr für ausreichend. 

Eine solch klare Richtungsentscheidung des Gesetzgebers ist daher von Gerichten in aller Regel zu respektieren, auch wenn das OLG Frankfurt am Main (mit Billigung des BGH) die Angabe des Begriffs „Kaufmann“ lediglich als „marginalen Verstoß“ gewertet hatte, der er aus der Sicht eines verständigen Aktionärs für die Entscheidung über seine Teilnahme und die Abstimmung bei der Wahl ohne Relevanz sei (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.03.2006 – 10 U 17/05; BGH, Beschluss vom 14.05.2007 – II ZR 182/06). 

Gerade vor dem Hintergrund der letztgenannten Entscheidungen ist das konsequente Urteil des KG Berlin zu begrüßen. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts und -zwecks darf von einer marginalen Verletzung der Mindestangaben des § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG nur noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen ausgegangen werden, muss also die Anfechtbarkeit der entsprechenden Wahl die Regel sein.

(KG Berlin, Beschluss vom 24. September 2025 – 2 U 106/23)

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