BGH muss über Kündigung von Bausparguthaben durch die Bausparkasse entscheiden
In der Auseinandersetzung zwischen Bausparkassen und Bausparern über die Kündigung von Bausparverträgen durch die Bausparkasse, bei denen Zuteilungsreife bereits seit mehr als zehn Jahren eingetreten ist, muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in Abweichung von anderen, teilweise obergerichtlichen Entscheidungen eine Kündigung der Bausparkasse für unwirksam erklärt und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Sachverhalt
Derzeit bestehen in Deutschland eine Vielzahl von Bausparverträgen, bei denen die Zuteilungsreife seit langem eingetreten ist, die Bausparer angesichts der attraktiven, deutlich über der Verzinsung etwa von Festgeldern liegenden Zinssätze für ihr Guthaben jedoch das Recht auf Gewährung eines Bauspardarlehens nicht in Anspruch nehmen.
In dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zugrunde liegenden Fall hatte eine Bausparerin 1978 einen Bausparvertrag abgeschlossen, bei dem sie für die eingezahlten Sparraten in der Ansparphase einen Guthabenzins von 3 % p.a. erhielt. Der Vertrag war im Jahr 1993 zuteilungsreif. Die Bausparerin nahm ein Bauspardarlehen indes nicht in Anspruch und stellte vor Erreichen der Bausparsumme die Zahlung der Sparraten ein. Nach weiteren fast 22 Jahren kündigte die Bausparkasse den Vertrag und wollte das Guthaben auszahlen.
Entscheidung
Das Gericht hat die Kündigung für unwirksam erklärt. Im Ausgangspunkt geht auch das Oberlandesgericht Stuttgart davon aus, dass es sich beim Bausparguthaben in der Ansparphase um ein Darlehen des Bausparers an die Bausparkasse handelt. Weiter bestätigt das Gericht, dass die Bausparkasse den Vertrag jedenfalls dann ordentlich kündigen kann, wenn der Vertrag „vollbespart“ ist, die Bausparsumme also vollständig angespart ist.
Hier lag eine Vollbesparung jedoch nicht vor, weshalb sich die Bausparkasse auf das gesetzliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers berief, nach dem ein Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz in jedem Fall zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden kann (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Andere Gerichte – unter anderem die Oberlandesgerichte Hamm, Koblenz, Köln und Celle – haben ein solches Kündigungsrecht der Bausparkasse bejaht und für die Zehnjahresfrist auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife abgestellt.
Demgegenüber ist das Oberlandesgericht Stuttgart der Auffassung, dass die Zuteilungsreife mit einem vollständigem Empfang der Darlehensvaluta durch die Bausparkasse nicht gleichzusetzen sei, da der Bausparer auch nach Zuteilungsreife bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme weiter zur Zahlung der Sparraten verpflichtet sei. Auch der Schutz der Bausparergemeinschaft und die Tatsache, dass die Bausparkasse damit einer überlangen Zinsbindung für das Guthaben ausgesetzt wird, die das gesetzliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers eigentlich verhindern soll, rechtfertige keine andere Entscheidung.
Ausblick
Da das Oberlandesgericht Stuttgart mit seinem Urteil von anderen obergerichtlichen Hinweisbeschlüssen und Entscheidungen abweicht sowie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Damit wird nun dieser entscheiden müssen, ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen Bausparkassen ein Kündigungsrecht in diesen Fällen zusteht.
(OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2016 – 9 U 171/15)
Dr. Patrick Wolff, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Hamburg