Juni 2025 Blog

Brüsseler Spitzen: EU Kommission droht mit Rücknahme des Green Claims-Richtlinienvorschlags

In einem beispiellosen Vorgang hat die EU Kommission am 20. Juni 2025 im Rahmen einer Pressekonferenz mitgeteilt, den Green Claims-Vorschlag zurückzuziehen zu wollen. Vorangegangen war der Mitteilung ein entsprechender Aufruf dreier Fraktionen des EU-Parlaments. Gefolgt ist der Erklärung die Absage des für den 23. Juni 2025 angesetzten dritten (und als letzten erwarteten) Trilogs durch den Rat. Auch wenn derzeit unklar ist, wie es nun weitergeht: Der Vorgang legt nahe, dass der Green Deal zur Disposition steht. 

Die Green Claims-Richtlinie als Bestandteil des Green Deals 

Mit dem sog. European Green Deal oder Green Deal wollte die EU Kommission von der Leyen bekanntermaßen einen Rahmen schaffen, um bis 2050 die Klimaneutralität der EU zu erreichen. 

Einen Baustein des Green Deals sollte die Green Claims-Richtlinie mit den folgenden Zielsetzungen bilden: 

  • Schaffung eines Rahmens, um Nachhaltigkeitsaussagen EU-weit zuverlässig, vergleichbar und überprüfbar zu machen;
  • Schutz von Verbrauchern vor Greenwashing;
  • Beitrag zur Schaffung einer kreislauforientierten und grünen EU-Wirtschaft, indem Verbraucher fundierte Kaufentscheidungen treffen können;
  • Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Umweltleistung von Produkten. 

Vorgestellt hat die EU Kommission einen ersten entsprechenden Vorschlag im März 2023. 

Ergänzt werden sollte die Richtlinie durch die – zwischenzeitlich in Kraft getretene – Richtlinie (EU) 2024/825 hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen (EmpCo-Richtlinie). Diese ist bis März 2026 durch die Mitgliedstaaten umzusetzen und wird in Deutschland zu Anpassungen insbesondere im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) führen.

Die Kritik 

Von vielen Seiten kritisiert wurden die hohen Anforderungen, die der Vorschlag der EU Kommission an die Werbung mit Umweltaussagen stellt, gerade auch für kleinere Unternehmen. Insbesondere wurde befürchtet, dass die Richtlinie zu sog. Green Hushing führt, also dem Absehen von Nachhaltigkeitsaussagen, da der Aufwand für deren Beleg nach den Anforderungen der Green Claims-Richtlinie zu hoch erscheint. 

Kritik begegnete ferner das Verhältnis von Green Claims-Richtlinie und EmpCo-Richtlinie, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass zwei Generaldirektionen der EU Kommission am Werke waren, die Generaldirektion Justiz und Verbraucher mit der EmpCo-Richtlinie und die Generaldirektion Umwelt mit der Green Claims-Richtlinie. 

Der Gang des Gesetzgebungsverfahrens 

Dem Vorschlag der EU Kommission folgte das vorgesehene sog. Trilog-Verfahren, also die Abstimmung und Verhandlung durch Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der EU Kommission.

Nach zwei Sitzungen sollte zunächst am 10. Juni 2025 erneut getagt werden. Dann sollte das Trilog-Verfahren nach kurzfristiger Verschiebung am 23. Juni 2025 fortgesetzt werden. Dabei sollte es dem Vernehmen nach im Wesentlichen noch um den Schutz von Kleinstunternehmen und die Vereinfachung der Richtlinie gehen. Insbesondere war offenbar weitestgehend erwartet worden, dass in diesem Termin Einigung über die ausstehenden Punkte erzielt würde. 

Der Paukenschlag 

Offenbar in der 25. Kalenderwoche 2025 wandten sich drei Fraktionen des EU-Parlaments an die EU Kommission und forderten diese auf, den Vorschlag der Green Claims-Richtlinie zurückzuziehen. 

Am 20. Juni 2025 erklärte sodann Maciej Berestecki, Sprecher der EU Kommission, im Rahmen einer Pressekonferenz: „In the current context, indeed the Commission intends to withdraw the Green claims proposal”. Ob die Mitteilung auf Veranlassung der EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfolgte oder auf Weisung der Umweltkommissarin Jessika Roswall, scheint unklar zu sein.

Der Europäische Rat nahm die Erklärung der EU Kommission jedenfalls am 23. Juni 2025 zum Anlass, wenige Stunden vor dem angesetzten Trilog, diesen abzusagen. 

Sodann erfolgten Stellungnahmen insbesondere von Vertretern von EU Kommission und EU Parlament, die jeweils das Bestreben zum Ausdruck bringen sollten, Kleinstunternehmen zu schützen und für Vereinfachung der Richtlinie zu sorgen, sowie das Unverständnis über die Position der anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen. 

Die Einordnung 

Der Vorgang ist beispiellos, da Mitteilungen wie die der EU Kommission am 20. Juni 2025 üblicherweise nicht Gegenstand einer Pressekonferenz sind. Es wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass eine solche Ankündigung, wenn es denn eine solche wirklich ist und bleibt, zunächst im Rahmen des (nicht-öffentlichen) Trilogs erfolgt. 

Beispiellos ist die Ankündigung aber auch mit Blick auf Zeitpunkt und insbesondere den Stand des Gesetzgebungsverfahrens, da ja weitgehend davon ausgegangen wurde, dass am 23. Juni 2025 Einigung über die ausstehenden Punkte erreicht würde. 

Ob sich die EU Kommission im Übrigen einen Gefallen damit getan hat, der Aufforderung dreier Fraktionen des EU-Parlaments nur wenige Tage später jedenfalls dem Anschein nach Folge zu leisten, mag überdies diskutiert werden. 

Wie geht es (für Sie) weiter? 

Wie es mit der Green Claims-Richtlinie weitergeht, ist derzeit unklar. Von einer Seite wird Erleichterung geäußert, von anderer Bestürzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die EU Kommission eine 360°-Wende vollzieht. Genauso wenig kann ausgeschlossen werden, dass die Green Claims-Richtlinie ad acta gelegt oder noch einmal grundlegend überarbeitet (im Zweifel also erheblich beschnitten) wird. Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei GvW Graf von Westphalen aus dem Bereich Wettbewerbsrecht und ESG werden die weitere Entwicklung für Sie verfolgen. 

Wie auch an anderer Stelle deutlich wird, ist aber klar, dass der Green Deal ebenso wie nationale Vorschriften unter geänderten politischen Verhältnissen in der Diskussion und zur Disposition stehen. 

Wie auch immer es für die Green Claims-Richtlinie ausgeht: Für Nachhaltigkeitsaussagen gilt im Inland erst einmal weiterhin das UWG nach den Maßgaben, die insbesondere der BGH mit seinem Urteil „klimaneutral“ im vergangenen Jahr konkretisiert hat und die durch die bereits in Kraft getretene EmpCo-Richtlinie weiter verschärft werden. 

(BGH, Urteil vom 27.06-.2024 – I ZR 98/23, Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“) 
(Pressekonferenz der Berichterstatter des EU Parlaments, Sandro Sandro Gozi and Tiemo Wölken on the reaction to the cancellation of the last trilogue on Green Claims Directive vom 23. Juni 2025, abrufbar hier)
(Sprecherin der EU Kommission Paula Pinho zu der möglichen Rücknahme des Green Claims Richtlinienentwurfs am 23. Juni 2025, abrufbar hier und hier

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