Bundeskartellamt hat wettbewerbliche Bedenken gegen die Anwendung von sogenannten Preiskontrollmechanismen durch Amazon
Das Bundeskartellamt hat der Amazon.com Inc., Seattle, USA, und der Amazon EU S.à r.l., Luxemburg (gemeinsam im Folgenden „Amazon“), im Rahmen einer vorläufigen rechtlichen Einschätzung mitgeteilt, dass es die Preissteuerungsmechanismen auf dem „Amazon Marketplace“ für „wettbewerblich bedenklich“ hält (vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 02. Juni 2025).
Hintergrund
Amazon.de ist mit einem Marktanteil von rund 60 % die zentrale Plattform im deutschen Onlinewarenhandel. Damit hat Amazon eine zentrale Marktstellung inne und erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb. Neben dem Eigenhandel „Amazon Retail“ ermöglicht Amazon etwa 47.500 deutschen Drittanbietern den Verkauf über den Amazon Marketplace. Dabei kommt die sogenannte „Marketplace Fair Pricing Policy“ zum Einsatz. Diese sieht vor, dass Amazon Preisobergrenzen für Angebote von Drittanbietern festlegt. Mithilfe von Algorithmen überwacht Amazon die Preisgestaltung und greift ein, wenn Preise als zu hoch eingestuft werden – etwa durch schlechtere Platzierung in den Suchergebnissen oder vollständige Entfernung der Angebote.
Rechtliche Bewertung des Bundeskartellamts
Nach Auffassung des Bundeskartellamts sind die Kriterien zur Festlegung der Preisgrenzen intransparent und objektiv nicht nachvollziehbar. Überdies komme es immer wieder zu kurzfristigen Änderungen hinsichtlich der Preisgrenzen und es finde dahingehend keine hinreichende Kommunikation gegenüber den Anbietern statt. Zudem könnten die Preiskontrollmechanismen dazu führen, dass Händler ihre Kosten nicht mehr decken können, was eine Marktverengung zur Folge haben könnte. Auch liege es nahe, dass Amazon die Marktplatzpreise anhand der eigenen Preiskalkulationsgrundsätze koordiniere und sich die einheitliche Preisstrategie zulasten des übrigen Onlinehandels auswirke.
Die Behörde sieht Anhaltspunkte dafür, dass Amazon den Wettbewerb behindert und die unternehmerische Freiheit der Händler einschränkt. Nach gegenwärtiger Auffassung der Behörde seien diese Einschränkungen weder angemessen noch gerechtfertigt. Mit seinem Vorgehen könnte Amazon gegen das allgemeine Missbrauchsverbot aus § 19 GWB sowie gegen die Sondervorschriften für marktübergreifend bedeutende Unternehmen nach § 19a GWB verstoßen.
Während § 19 GWB greift, wenn ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine dominante Stellung innehat und diese missbraucht – etwa durch überhöhte Preise, Diskriminierung von Geschäftspartnern oder das Verdrängen von Wettbewerbern – richtet sich der 2021 neu eingeführte § 19a GWB gegen Unternehmen mit einer „überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb“. Das sind typischerweise große Digitalkonzerne wie Amazon, Google oder Meta. Die Vorschrift erlaubt es dem Bundeskartellamt, früher und gezielter gegen wettbewerbsgefährdendes Verhalten vorzugehen, auch wenn auf einem einzelnen Markt (noch) keine klassische Marktbeherrschung vorliegt bzw. ohne dass eine solche nachgewiesen werden muss. Ziel ist es, digitale Ökosysteme zu regulieren, die durch ihre Größe, Vernetzung und Datenmacht eine besondere Gefahr für den Wettbewerb darstellen.
Bereits 2022 hat das Bundeskartellamt entschieden, dass Amazon nicht nur marktbeherrschend hinsichtlich seiner Marktplatzdienstleistungen für Dritthändler, sondern auch ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist und der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB unterfällt (vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 06. Juli 2022).
Ausblick
Amazon hat nun die Möglichkeit, zu der vorläufigen Einschätzung Stellung zu nehmen. Das weitere Vorgehen des Bundeskartellamts bleibt abzuwarten.

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