Oktober 2025 Blog

Der „Bauturbo“ kann gestartet werden

Seit 2024 sind weitere und neue Beschleunigungsmöglichkeiten für den Wohnungsbau im Gespräch. Nun treten weitreichende Zulassungserleichterungen in Kraft: Fast alles „kann“ - nichts „muss“.

Hintergrund und Anlass

Bereits die letzte Regierung hatte eine umfassende Überarbeitung des Baugesetzbuchs (BauGB) angekündigt und im Herbst 2024 vorgelegt; das Gesetz wurde infolge der Neuwahlen nicht mehr verabschiedet. Vor dem Hintergrund eines überlasteten Wohnungsmarktes und der Analyse, dass die Zulassungsverfahren von Wohnungsbau zu zeitaufwändig seien, kündigte die neue Regierung noch innerhalb der ersten 100 Tage Maßnahmen an. Das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ wurde im Juni 2025 in den parlamentarischen Prozess eingebracht und abschließend am 9. Oktober 2025 im Bundestag und am 17. Oktober 2025 im Bundesrat verabschiedet.

Wesentliche Inhalte

Zentrales Anliegen des Gesetzgebers ist es, die Zulassung von Wohnbauvorhaben ohne vorherige Planungsverfahren auch dort zu ermöglichen, wo Wohnungsbau bisher gar nicht oder nicht in gewünschtem Umfang genehmigt werden konnte. Denn insbesondere die zur Begrünung von Baurecht regelmäßig erforderlichen Bebauungsplanverfahren werden aufgrund ihrer Komplexität und des damit verbundenen Zeitaufwands als Hemmnis für mehr Wohnungsbau beschrieben. 

Befreiung gemäß § 31 Abs. 3 BauGB

Um dieses Ziel zu erreichen, werden zum einen bereits vorhandene Regelungsinstrumente erweitert. So sollen Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zukünftig auch dann zugunsten des Wohnungsbaus gewährt werden können, wenn die beantragten Vorhaben den Rahmen des bisherigen Plans sprengen („die Grundzüge der Planung berühren“) und im Plangebiet eine Vielzahl entsprechender Abweichungen zu erwarten sein werden („in mehreren vergleichbaren Fällen“). Anders als die Vorgängerregelung soll diese Zulassungsmöglichkeit nun unbefristet und überall zur Anwendung kommen können, nicht mehr nur in Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Zielrichtung ist es hier etwa die Aufstockung ganzer Straßenzüge ohne Planungsverfahren zulassen zu können oder rückliegende Grundstücksteile oder Innenhofflächen dem Wohnungsbau zuzuführen.

Abweichen vom Erfordernis des Einfügens, § 34 Abs. 3a, 3b BauGB

Weiter soll Wohnungsbau zum Beispiel auf Supermärkten möglich werden, auch wenn sich auf diesen Grundstücken die Wohnnutzung im Verhältnis zur bisher prägenden Einzelhandelsnutzung nicht einfügt. Umnutzungen, aber auch komplette Neubauvorhaben sollen darüber hinaus auch in Gebieten oder Bereichen umgesetzt werden können, die bisher entweder nicht für Wohnen vorgesehen waren (bisher z.B. Gewerbe), oder z.B. als Freiflächen gar nicht bebaut werden konnten.

Der „Bauturbo“: § 246e BauGB

Zum anderen soll für Neubauten, Erweiterungen oder (Nutzungs-)Änderungen zugunsten des Wohnungsbaus bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 von allen planungsrechtlichen Vorgaben abgewichen werden können. Damit soll z.B. ausdrücklich auch Wohnungsbau im Außenbereich ermöglicht werden, jedenfalls am Übergang zwischen Innen- und Außenbereich; die Gesetzesbegründung nennt einen möglichen Abstand von bis zu 100m bis zum Innenbereich, wenn die infrastrukturelle Anbindung gewährleistet ist. Statt regelmäßig einer vollständigen Umweltprüfung ist zunächst nur eine überschlägige Prüfung voraussichtlich zusätzlicher Umweltauswirkungen erforderlich. Nur wenn solche Auswirkungen festgestellt werden, bedarf es dann einer (strategischen) Umweltverträglichkeitsprüfung. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte weite Anwendungsbereich wird schließlich dadurch deutlich, dass neben Wohnnutzungen über dieses Instrument auch Kitas oder Pflegeeinrichtungen und Läden zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner zugelassen werden können. Die Vorstellung der Regierung ist es laut ihrer Begründung „bestenfalls“ über 74.000 Bebauungsplanverfahren im Jahr in Deutschland einzusparen.

Ermessen der Baugenehmigungsbehörde und Zustimmung der Gemeinde, §36a BauGB

Allerdings besteht für die Bauherrschaft auf keine der vorbeschriebenen Baumöglichkeiten ein Anspruch. Die Genehmigung entsprechender Bauanträge steht im Ermessen der zuständigen Baugenehmigungsbehörde und darf nicht ohne die Zustimmung der jeweiligen Gemeinde erteilt werden. Eine fehlende Zustimmung kann auch nicht durch eine höhere Behörde ersetzt werden. Die Gemeinde erteilt die Zustimmung, wenn das Vorhaben mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist; sie kann ihre Zustimmung unter der Bedingung erteilen, dass die Bauherrschaft sich verpflichtete, bestimmte städtebauliche Anforderungen einzuhalten. Diese Regelungen fassen eine bisher schon übliche Praxis insbesondere im Zusammenhang mit Befreiungsentscheidungen zusammen: Die Bauherrschaft muss bestimmte Verpflichtungen vertraglich übernehmen, z.B. eine Quote für den geförderten Wohnungsbau, die Erschließung, o.ä. Nur dann wird dem Bauantrag zugestimmt.

Sonstige Neuregelungen im Überblick

Das Gesetz verlängert darüber hinaus die Möglichkeiten, Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt auszuweisen, § 201a BauGB, und in diesen Bereichen die Aufteilung in WEG-Eigentum von einer Genehmigung abhängig zu machen, § 250 Abs. 1 BauGB. Für Bebauungsplanverfahren wird der Katalog der Abwägungsbelange etwas diversifiziert, §1 Abs. 6 Nrn. 8 und 9 BauGB. Die Festsetzungsmöglichkeiten mit Blick auf Immissionswerte und Geräuschkontingente werden erweitert, § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB; diese Erweiterung wird durch eine spezifische Planerhaltungsregelung in § 216a BauGB flankiert. Schließlich wurde sehr kurzfristig mit §§ 37 Abs. 2, 37a BauGB die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte erweitert.

Bewertung und Ausblick

Alles „kann“ - nichts „muss“. Damit kann der Regelungsinhalt des Gesetzes zusammenfassend beschrieben werden. Der „Bauturbo“ wird nur gemeinsam mit der jeweiligen Verwaltung gezündet werden können. Er wird also dort wirklich helfen und voraussichtlich enorm beschleunigen können, wo sich die Akteure einig sind, aber geeigneten Gestaltungsmöglichkeiten für schnelle Entscheidungen fehlten. Diese Wirkungsmöglichkeit sollte insbesondere in der Fläche nicht unterschätzt werden und es lohnt sich diese Chance zu ergreifen und vor Ort ins Gespräch zu kommen. Für (sehr) große, politisch schwierige oder besonders abwägungssensible Projekte sind die neuen Beschleunigungsmöglichkeiten kein Allheilmittel, ebenso wenig für die Fälle, in denen Politik oder Verwaltung die Vorhaben „nicht will“. Schließlich werden durch die neuen bundesrechtlichen Regelungen die landesrechtlich ausgestalteten Verfahrensabläufe und die regelmäßig kommunal zu verantwortende sachliche und personelle Ausstattung der konkreten Genehmigungsbehörden nicht unmittelbar beeinflusst. Auf dieser Ebene bedarf es weiterhin Reform- und Gestaltungswillens, um die neuen Regelungen dann auch effektiv in angemessenen Verfahrensdauern zur Anwendung bringen zu können.

(Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung, BT-Drs. 21/2109) 

 

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