Bundesumweltministerium plant Durchführungsgesetz für europäische Verordnung zur Wiederherstellung der Natur
Im Juni dieses Jahres hat das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869“ (DurchführungsG W-VO) veröffentlicht.
Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur
Zustandekommen
Die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869 (Text von Bedeutung für den EWR), abgekürzt als W-VO; auch sog. „Nature Restoration Law“ oder „Renaturierungsgesetz“)ist Teil des europäischen „Green Deal“ und trat am 18. August 2024 in Kraft. Ihrem Beschluss ging ein langwieriges Verfahren voraus: Nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags im Juni 2022 folgte ein intensiver Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament. Im November 2023 einigten sich die Institutionen auf einen Kompromisstext, den das Parlament im Februar 2024 annahm. Der EU-Umweltrat stimmte im Juni 2024 zu.
Die W-VO soll nicht nur den Verlust der Biodiversität verlangsamen, sondern schafft einen Rechtsrahmen für aktive Maßnahmen zur Erholung von Ökosystemen. „Wiederherstellung“ wird in Art. 3 Nr. 3 W-VO definiert als „Prozess der aktiven oder passiven Unterstützung der Erholung eines Ökosystems in Richtung oder zur Erreichung eines guten Zustands“. Die Vorgaben betreffen u. a. geschädigte Land-, Küsten-, Süßwasser- und Meereslebensräume (Art. 4, 5), städtische Gebiete (Art. 8), landwirtschaftliche Ökosysteme (Art. 11) und Wälder (Art. 12).
Wiederherstellungsverpflichtungen für Lebensraumtypen
Nach Art. 4 Abs. 1 W-VO müssen die Mitgliedstaaten Lebensraumtypen an Land sowie in Küsten- und Süßwassergebieten aus Anhang I, die sich in keinem guten Zustand befinden, wiederherstellen:
- bis 2030 auf mindestens 30 % der Flächen,
- bis 2040 auf 60 %,
-
bis 2050 auf 90 % (quantifiziert im nationalen Plan nach Art. 15 W-VO).
Bis 2030 sind dabei vorrangig Natura-2000-Flächen zu berücksichtigen.
Art. 4 Abs. 2 W-VO erlaubt Ausnahmen für sehr häufig vorkommende und weit verbreitete Lebensraumtypen, die mehr als 3 % des Staatsgebiets abdecken. In diesen Fällen gelten abgesenkte Ziele (ein Drittel bis 2030, zwei Drittel bis 2040, 80 % bis 2050), sofern der günstige Erhaltungszustand nicht gefährdet wird.
Nach Art. 4 Abs. 4 W-VO sind die Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, Lebensraumtypen auch auf bislang nicht besiedelten Flächen neu zu etablieren, um eine „günstige Gesamtfläche“ zu erreichen (30 % bis 2030, 60 % bis 2040, 100 % bis 2050). Art. 4 Abs. 5 W-VO erlaubt im begründeten Ausnahmefall eine Absenkung des endgültigen Ziels auf 90 %.
Art. 5 Abs. 1, Abs. 4 W-VO gibt identische Zeit- und Flächenziele für die Wiederherstellung und den Wiederaufbau der in den Gruppen 1-6 des Anhangs II aufgeführten Meeresbiotope vor.
Wiederherstellungspläne
Die W-VO verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erstellung nationaler Wiederherstellungspläne.
- Art. 14 W-VO regelt die Erstellung: Die Mitgliedstaaten müssen vorbereitende Überwachung und Forschung durchführen, Flächen quantifizieren und kartieren sowie Indikatoren festlegen. Die Pläne sind offen, transparent und inklusiv unter Beteiligung der Öffentlichkeit zu erstellen.
- Art. 15 W-VO bestimmt die Inhalte: Die Pläne decken den Zeitraum bis 2050 ab und enthalten Zwischenfristen zu den Zielen der Art. 4–13 W-VO, die vorgesehenen Maßnahmen, Angaben zu Ausnahmeregelungen, Indikatoren, Finanzierung und sozioökonomischen Auswirkungen.
- Art. 16 W-VO verpflichtet die Mitgliedstaaten, den ersten Entwurf bis spätestens 1. September 2026 der Kommission vorzulegen.
- Art. 17 W-VO sieht eine Bewertung durch die Kommission vor: Innerhalb von sechs Monaten prüft sie den Entwurf, gibt ggf. Anmerkungen; binnen weiterer sechs Monate ist der endgültige Plan fertigzustellen, zu veröffentlichen und der Kommission zu übermitteln.
- Art. 19 W-VO verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihre Pläne spätestens alle zehn Jahre zu überprüfen und ggf. anzupassen.
Das deutsche Durchführungsgesetz
Obwohl EU‑Verordnungen wie die W‑VO nach Art. 288 AEUV grundsätzlich unmittelbar gelten und keine nationale Umsetzung erfordern, plant das BMUKN mit dem DurchführungsG W‑VO zusätzliche, klarstellende Rechtsvorschriften. Diese dienen insbesondere dazu, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern zu präzisieren und ein rechtskonformes Verfahren zur Erstellung, Überprüfung und Fortschreibung des nationalen Wiederherstellungsplans gesetzlich zu verankern.
Im Zentrum steht ein neues Kapitel 1a im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) mit den §§ 7a–7d BNatSchG-E. Deren Inhalte sind:
- § 7a BNatSchG-E etabliert die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern bei der W‑VO‑Umsetzung. Beide Ebenen sollen kooperieren und je ihren angemessenen Beitrag zur Zielerreichung gemäß Art. 4–13 W‑VO leisten.
- § 7b BNatSchG-E definiert das Verfahren zur Erstellung des nationalen Wiederherstellungsplans: Die relevanten Behörden bereiten die Angaben und Beiträge vor und übermitteln sie an das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Dieses unterstützt das BMUKN bei der Planaufstellung. Der entworfene Plan wird von der Bundesregierung beschlossen, anschließend an die EU-Kommission übermittelt – und nach deren Anmerkungen finalisiert und im Bundesanzeiger veröffentlicht.
- § 7c regelt Überwachung und Berichterstattung. Die Behörden liefern jährlich bis zum 28. Februar Daten an das BfN, das Berichte erstellt und ein zentrales Flächenverzeichnis mit Geodaten führt.
- § 7d ermächtigt das BMUKN zum Erlass von Rechtsverordnungen, u. a. zu Indikatoren, Bezugswerten und Datenübermittlung.
Damit schafft der Entwurf eine verbindliche Grundlage für die fristgerechte Erstellung, Fortschreibung und Umsetzung des nationalen Wiederherstellungsplans in Deutschland. Er soll sicherstellen, dass Bund und Länder ihre Verantwortung koordiniert wahrnehmen und die EU-Vorgaben effizient umgesetzt werden. Gelingt dies, könnte das neue Kapitel im Bundesnaturschutzgesetz weit über ein bloßes Verwaltungsinstrument hinauswachsen – nämlich zu einem wichtigen Hebel für die Wiederbelebung geschädigter Ökosysteme, die Stärkung der Biodiversität und die nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land.

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