Buy-and-Build im Venture Capital – Chancen, Risiken und rechtliche Besonderheiten
In einem Umfeld steigender Zinsen, rückläufiger Bewertungen und verschärfter Exit-Perspektiven rücken Buy-and-Build-Strategien als Wachstumsfaktor für Start-ups und Scale-ups zunehmend in den Fokus. Was noch vor wenigen Jahren fast ausschließlich Private-Equity-Häuser praktizierten, wird inzwischen regelmäßig auch von VC-Investoren aktiv vorangetrieben, um Portfoliounternehmen rasch auf kritische Größen zu heben, neue Technologien hinzuzuerwerben und fragmentierte Märkte zu konsolidieren. Die zunehmende Reife vieler Start-up-Ökosysteme, der international spürbare Druck, schnell profitabel zu werden, sowie jüngste Rechts- und Steuerreformen verleihen dem Thema zusätzliche Brisanz. Doch obwohl die konzeptionelle Klammer zu klassischen PE-Buy-and-Build-Modellen erkennbar ist, weichen die praktischen Stellschrauben im VC-Kontext in entscheidenden Punkten ab – etwa bei der üblichen Vergütung in Anteilen, den verkürzten Due-Diligence-Prozessen oder der steigenden Zahl grenzüberschreitender Transaktionen schon in frühen Phasen.
Was ist Buy-and-Build?
Buy-and-Build bezeichnet eine Wachstumsstrategie, bei der ein Unternehmen (die „Plattform“) gezielt andere Unternehmen (sog. „Add-ons“) akquiriert, um Synergien zu heben, Skaleneffekte zu erzielen und die Marktposition zu stärken. Während PE-Fonds typischerweise reife Unternehmen mit stabilen Cashflows als Plattform nutzen, sind es im Venture-Capital häufig wachstumsstarke Start-ups, die durch Akquisitionen ihre Entwicklung beschleunigen wollen. Alternativ werden oft auch Unternehmen mit einer starken Technologie als Plattform verwendet, für die die Add-ons komplementäres Geschäft und oftmals eine zusätzliche Vertriebsplattform bieten.
Unterschiede zwischen PE- und VC-Buy-and-Build
Obwohl die Buy-and-Build-Strategie mittlerweile sowohl im Private-Equity- als auch im Venture-Capital-Bereich Anwendung findet, unterscheiden sich die Rahmenbedingungen und rechtlichen Implikationen teils erheblich. Diese Unterschiede sind für die beteiligten Unternehmen – insbesondere für die Verkäufer – von zentraler Bedeutung.
Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Vergütung. Während Private-Equity-Transaktionen meist in bar abgewickelt werden (übliche Rückbeteiligungen des Managements hier unberücksichtigt gelassen), erfolgt die Vergütung im VC-Bereich (überwiegend oder vollständig) in Anteilen an der Käufergesellschaft. Dies hat mehrere Gründe:
- Start-ups verfügen oft nicht über ausreichende (Eigen-)Mittel für Barkäufe. Die beteiligten Investoren sind regelmäßig nur beschränkt bereit, zusätzliche Gelder für Add-on Transaktionen zur Verfügung zu stellen. Dies resultiert auch oftmals aus dem Umstand, dass bei Start-ups regelmäßig eine Vielzahl an Investoren beteiligt sind, während im PE-Bereich mehrere Investoren eher die Ausnahme darstellen.
- Verkäufer partizipieren durch die Anteile am zukünftigen Wachstum der Plattform, was als wertgebender Faktor gesehen wird. Da sich die Add-on Gesellschaften oft ebenfalls noch im Frühstadium befinden, ist eine Bindung des Kernteams und der Gründer der Zielgesellschaft oft von herausragender Bedeutung, was wiederum für die Vergütung in Anteilen spricht.
Diese Form der Vergütung in Anteilen bringt jedoch erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen und Folgen mit sich – insbesondere für die Zielgesellschaft und deren Gesellschafter:
- Verkäufer werden zu Mitgesellschaftern und tragen auch zukünftige Risiken des Käufers mit; dies führt dazu, dass eine mehr oder weniger umfassende (und ansonsten unübliche) Prüfung des Erwerbers und dessen wirtschaftliche und rechtliche Situation durch die Verkäufer durchzuführen ist.
- Die Bewertung der Käuferanteile, welche als Vergütung gewährt werden, wird oft zum zentralen Verhandlungspunkt. Neben der Bewertung der Zielgesellschaft erfolgt damit auch eine Bewertung der Erwerbergesellschaft.
- Liquidationspräferenzen und Verwässerungsschutz müssen sorgfältig geregelt werden. Insbesondere stellt sich immer die Frage, ob und an welcher Position des Waterfalls die an die Verkäufer neu auszugebenden Anteile der Käufergesellschaft berücksichtigt werden.
- Da oftmals nur in Anteilen „gezahlt“ wird, ist die möglichst steuerneutrale Strukturierung für das Gelingen der Transaktion wesentlich.
Ebenfalls von wichtiger Bedeutung für die Verkäufer im VC-Umfeld ist die Corporate-Governance der Käufergesellschaft. Im klassischen PE Umfeld wird der Investor regelmäßig umfassende Kontrolle ausüben wollen und die Verkäufer allenfalls über bestimmte Beteiligungsvehikel (rück-)beteiligen. Die (gesellschaftsrechtlichen) Einflussmöglichkeiten der (rückbeteiligten) Verkäufer werden dabei regelmäßig auf ein Minimum beschränkt.
Im VC-Bereich ist die Governance oftmals komplexer: Mehrere Investoren mit unterschiedlichen Interessen, Cap Tables mit verschiedenen Share Klassen und ein Gründerteam mit operativer Kontrolle führen zu einem vielschichtigen Machtgefüge. Gerade beim Erwerb von Add-ons mit ähnlicher Größe des Erwerbers ergeben sich hieraus regelmäßig noch komplexere Beteiligungsstrukturen, die umfassende Regelungen für die Gesellschafterrechte erforderlich machen (können) und inhaltlich einem Merger näher sind als einer Akquisition. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um grenzüberschreitende Transaktionen handelt, in denen die Gesellschafter der Zielgesellschaft sich nach Vollzug plötzlich in einer neuen Rechtsordnung wiederfinden.
Für Verkäufer, die im Rahmen einer VC-Buy-and-Build Strategie Anteile an dem Käufer erhalten, ist es daher entscheidend, frühzeitig Transparenz über die (zukünftige) Governance-Struktur zu erhalten und Mitbestimmungs- und Schutzrechte umfassend vertraglich abzusichern. Diese Notwendigkeit sollte bestenfalls bereits in der Frühphase der Transaktion berücksichtigt werden.
Due Diligence des Käufers durch die Zielgesellschaft?
In klassischen M&A- und PE-Transaktionen prüft der Käufer die Zielgesellschaft, nicht umgekehrt. Doch wenn der Kaufpreis in Anteilen des Käufers erfolgt, ändert sich die Perspektive: Die Verkäufer werden mit Abschluss der Transaktion zu Gesellschaftern des Käufers. Eine wirtschaftliche Beteiligung an einem Unternehmen ohne ausreichende Informationen über dessen Struktur, Finanzen, Cap Table und Governance birgt erhebliche Risiken.
Die Due Diligence im Bereich des VC-Buy-and-Build ist daher keine Einbahnstraße. Wenn die Verkäufer Anteile am Käufer erhalten, werden sie auch dort faktisch zum Investor – und sollten daher dieselben Prüfungsrechte wie ein klassischer VC-Investor wahrnehmen. Im Vorfeld sind neben den üblichen rechtlichen und kommerziellen Aspekten einer Unternehmenstransaktion daher insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Cap Table und Verwässerung: Welche Rechte haben bestehende Investoren, insbesondere mit Blick auf etwaige Liquidationspräferenzen? Wie sind essentielle Rechte, insbesondere zum Verwässerungsschutz ausgestaltet?
- Exit-Strategie: Gibt es realistische Perspektiven für einen späteren Verkauf oder Börsengang? Hier können insbesondere sog. Lock-up Perioden erhebliche Beschränkungen für die Verkäufer bedeuten.
- Ausgestaltung von Governance-Strukturen mit einem Fokus auf Vetorechte und Sonderrechte, wie etwa einem Entsenderecht für Beiräte (auch mit Blick auf zukünftige Verwässerungen).
- Geplante Finanzierungsrunden inkl. einem Forecast auf mögliche Verwässerungen und daraus resultierende Auswirkungen auf Sonderrechte.
Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Transaktionen
Buy-and-Build-Strategien im VC-Bereich sind häufig international. Dies bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich, die ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden sollten:
- Rechtswahl und Gerichtsstand: Unterschiedliche Rechtsordnungen können zu Unsicherheiten führen. Eine klare Regelung im SPA ist essenziell.
- Regulatorische Anforderungen: In einigen Ländern sind Investitionen in bestimmte Sektoren genehmigungspflichtig.
- Steuerliche Komplexität: Unterschiedliche Steuerregime können zu Doppelbesteuerung oder Compliance-Risiken führen.
- Die rechtliche Struktur einer solchen Transaktion ist erheblich aufwendiger als bei einem normalen Verkauf. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen sind zudem in der Regel zwei unterschiedliche Rechtsordnungen zu beachten. Ein erfahrenes und international vernetztes Beraterteam ist hier zwingend erforderlich.
Fazit: Buy-and-Build im VC – mit Augenmaß und rechtlicher Begleitung
Buy-and-Build ist auch im Venture Capital ein wirkungsvolles und in der Regel auch liquiditätsschonendes Instrument zur Skalierung. Doch gerade wegen der häufigen Vergütung in Anteilen und der damit verbundenen Risiken für die Zielgesellschaft ist eine sorgfältige rechtliche und steuerliche Strukturierung und Prüfung unerlässlich.

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