Mai 2025 Blog

Dark Patterns als Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht

Der Begriff der Dark Patterns

Unter Dark Patterns werden manipulative Techniken verstanden, die in die Oberflächenstruktur von Webseiten einprogrammiert werden. Inhalte und grafische Muster werden genutzt, um Nutzer auf eine subtile Weise zu einem vom Plattforminhaber gewünschten Verhalten zu verleiten. 

Dark Patterns können vielfältige Formen annehmen. Häufig werden sie verwendet, um Nutzerdaten zugänglich zu machen, indem etwa die Einwilligung in die Verwendung Cookies sehr leicht gestaltet wird, deren Ablehnung hingegen nur über Umwege möglich ist. 

Aber auch im Bereich der Werbung sind sie ein verbreitetes Tool. Als Beispiele sind hier etwa der Einsatz von Countdowns, Suggestivfragen und Knappheitsbehauptungen zu nennen. Unter den Begriff fällt aber auch die wiederholte und mitunter aggressive Aufforderung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, das sogenannte „Nagging“. 

Rechtliche und tatsächliche Relevanz von Dark Patterns 

Solche Verhaltensweisen, bei denen Plattformbetreiber ihre gestalterische Überlegenheit ausnutzen, um Kunden auf manipulative Weise zu einer Entscheidung zu bewegen, haben in das Datenschutzrecht längst Einzug gefunden. Zudem sind sie nach Art. 25 des Digital Service Act (DSA) ausdrücklich verboten. Der DSA soll den Verbraucherschutz fördern, indem auch online ein sicheres und vertrauenswürdiges Umfeld geschaffen wird. 

Aber auch im Wettbewerbsrecht gewinnen Dark Patterns zunehmend an Relevanz: Nutzer müssen zwar hinnehmen, dass Unternehmer häufig Werbung einsetzen, die weniger auf eine rationale Überzeugung setzt und vielmehr mit Emotionen, Wünschen und Sehnsüchten arbeitet. Webseiten dürfen so gestaltet werden, dass die angebotenen Waren und Dienstleistungen dem Kunden bestmöglich präsentiert und eine positive Kaufentscheidung begünstigt wird. Dies ist grundsätzlich nicht verboten und von Verbrauchern wird erwartet, dass sie sich auf alltägliche Manipulationsversuche einstellen und mit diesen umgehen können. Eine Grenze ist allerdings dann erreicht, wenn die Manipulation eine gewisse Schwere aufweist und einen der Verbotstatbestände des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) erfüllt. 

Dark Patterns dürften als besonders geeignet gelten können, die Auswahlentscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, da sie gezielt menschliche Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster ausnutzen, um so die normalerweise stattfindenden Entscheidungsprozesse der Nutzer zu untergraben und sie zu Handlungen zu verleiten, die sie sonst nicht ergriffen hätten. Emotionen wie Angst, Stress oder Freude werden in manipulativer Weise ausgenutzt, um Verbraucher zu einem weniger rationalen und eher impulsiven Handeln zu verleiten. Nutzer werden beispielsweise durch künstliche Dringlichkeit unter Druck gesetzt, durch zahlreiche unechte und besonders positive Kundenbewertungen zum Kauf verleitet oder durch eine verwirrende Navigation gezielt frustriert, sodass sie schließlich von einer geplanten Handlung, wie beispielsweise einer Kündigung, Abstand nehmen. 

Dark Patterns im UWG 

Das UWG adressiert Dark Patterns nicht ausdrücklich und zielgerichtet. Dennoch kann zumindest ein Teil der unterschiedlichen Formen von Dark Patterns unter verschiedene Verbotstatbestände des Gesetzes gefasst werden. 

So sind einige gängige Formen der Dark Patterns von der sogenannten “Schwarzen Liste“ des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfasst und stellen bereits darüber einen Verstoß gegen das Lauterbarkeitsrecht dar. Die Schwarze Liste benennt geschäftliche Handlungen, die gegenüber Verbrauchern stets unzulässig sind, d.h. anders als sonst im UWG ungeachtet der spezifischen Umstände des konkreten Falles. Nr. 7 etwa verbietet unwahre Angaben über eine vermeintlich begrenzte Verfügbarkeit von Waren und versteckte Kosten für beworbene Zusatzleistungen stellen einen Verstoß gegen das Verbot aus Nr. 21 dar. 

Andere Dark Patterns hingegen lassen sich den Tatbeständen der schwarzen Liste nicht zuordnen, weshalb im Einzelfall geprüft werden muss, ob sie gegen die Verbotstatbestände der §§ 4 ff. UWG verstoßen. In Betracht kommt dann insbesondere ein Verstoß gegen § 4a Abs. 1 UWG, welcher aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet sind, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, für unlauter erklärt. Gem. § 4a Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung. Da es gerade Zweck der Dark Patterns ist, die Entscheidungsfreiheit der Kunden zu beeinträchtigen, erscheint ein Verstoß gegen § 4a UWG regelmäßig zumindest naheliegend. Allerdings fordert § 4a Abs. 1 UWG, dass die Entscheidungsfreiheit erheblich eingeschränkt wird. Wann die Schwelle zur Erheblichkeit überschritten ist, kann pauschal nicht beantwortet werden und ist vielmehr im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu ermitteln. Erheblich ist die Beeinträchtigung etwa dann, wenn sich Pop-up-Fenster öffnen, die den Bildschirm großflächig einnehmen und durch den Nutzer nur schwer oder gar nicht weggeklickt werden können. Werden bestimmte Schaltflächen hingegen optisch bloß etwas hervorgehoben, kann der Kunde sie aber ohne Weiteres ignorieren, ist dies in der Regel eine zulässige Form des Marketings. 

Aktuelles Urteil des OLG Bamberg zum unlauteren Einsatz von Dark Patterns 

Beispielhaft ist vor diesem Hintergrund eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des OLG Bamberg zu nennen. Mit seinem Urteil hat das Gericht der CTS Eventim AG & Co. KGaA (Eventim) untersagt, ihre Kunden im Wege einer manipulierenden Gestaltung ihrer Online-Plattform zum Abschluss einer kostenpflichtigen Ticketversicherung zu drängen. 

Eventim bietet seinen Kunden die Ticketversicherung im Rahmen des Kaufprozesses bisher an zwei Stellen an: Zunächst kann die Versicherung ausgewählt werden, während sich der Kunde seinen Warenkorb ansieht. Dort ist das Angebot der Ticketversicherung blau hervorgehoben und kann durch Anklicken eines weißen Kästchens ausgewählt werden. Nach Ansicht des Gerichts stellt dies jedoch keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar. Der Kunde werde dadurch weder manipuliert, getäuscht noch anderweitig in seiner Fähigkeit eingeschränkt, eine freie und informierte Entscheidung zu treffen. Anbietern stehe es frei, Kunden weitere Dienste anzubieten. Erst dann, wenn ein angemessen aufmerksamer und kritischer Nutzer in seiner Entscheidung in einem Ausmaß behindert werde, dass er sein Verhalten entsprechend dem Ziel des Betreibers anpasst, sei die Erheblichkeitsschwelle überschritten. 

Einen Verstoß gegen das UWG sah das Gericht jedoch darin, dass dem Kunden, nachdem er die Option „Weiter zur Kasse“ wählt, erneut der Abschluss einer Ticketversicherung empfohlen wird. In einem Pop-Up-Fenster wird dem Kunden die Versicherung zur Vermeidung von „Ärger und Frust über ein verpasstes Event“ angetragen. Entscheidet er sich erneut dagegen, ist der Button mit der Aufschrift „Ich trage das volle Risiko“ zu wählen. Das Gericht sah in diesem Verhalten ein Dark Pattern im Sinne des Art. 25 Abs. 3 lit. b DSA, welches geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher wesentlich zu beeinflussen. Der DSA sei zwar nicht direkt anwendbar, da die Vorschriften zum Lauterbarkeitsrecht vorrangig greifen. Die im DSA normierten Regelbeispiele seien im Rahmen des UWG allerdings als Auslegungshilfe heranzuziehen. Nach Ansicht des Gerichts führe die Kombination der nochmaligen Nachfrage, des auffälligen Designs und des suggestiven Texts in der Gesamtschau dazu, dass der Nutzer in seiner Möglichkeit, eine freie Entscheidung zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt wird. Eventim nutze als Anbieter seine strukturelle Überlegenheit aus, um den Nutzer zum gewünschten Verhalten zu drängen und verstoße so gegen das Verbot unzulässiger Beeinflussungen gem. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG. 

Relevanz für die Praxis 

Dark Patterns sind zwar bereits seit einigen Jahren Gegenstand der juristischen Diskussion. Klare Leitlinien haben sich insbesondere im UWG bislang aber noch nicht herausgebildet, da es weitgehend einer Beurteilung im Einzelfall bedarf und die Kreativität der werbenden Industrie die Gerichte vor Herausforderungen stellt. Das Urteil des OLG Bamberg weist einen Weg, wie diesen Herausforderungen durch eine Zusammenschau verschiedener, möglicherweise direkt nicht anwendbarer, Rechtsgrundlagen begegnet werden und wie die Grenze zwischen geschicktem Marketing und unlauterem Verhalten abgesteckt werden kann. 

Es ist damit zu rechnen, dass Dark Patterns aufgrund ihrer besonderen Relevanz zunehmend in den Fokus von Wettbewerbern und vor allem auch (Verbraucher-)Verbänden geraten. Dies gilt umso mehr, je klarer die Grenzen gezogen werden können. 

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