Der neue § 273a ZPO als Schutzschild für Geschäftsgeheimnisse im Zivilprozess
Am 1. April 2025 tritt der neue § 273a Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft, der den Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Zivilprozess erheblich verbessert. Diese Regelung ist Teil des Justizstandort-Stärkungsgesetzes, mit dem die Bundesregierung gerichtliche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten für Unternehmen attraktiver machen will. In diesem Beitrag beleuchten wir die neue Vorschrift und erklären den Schutzmechanismus, die Anwendung und den Mehrwert im Vergleich zu den aktuellen Geheimhaltungsmöglichkeiten.
Wie werden Geschäftsgeheimnisse über § 273a ZPO geschützt?
Der neue Paragraph ermöglicht es den Parteien, sensible Informationen, die Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses sein können, auf Antrag als „geheimhaltungsbedürftig“ einstufen zu lassen.
Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, sind alle Verfahrensbeteiligten zur Vertraulichkeit verpflichtet. Sie dürfen die geheimhaltungsbedürftigen Informationen außerhalb des Gerichtsverfahrens weder nutzen noch offenlegen. Dieser Schutz lebt über den Abschluss des Verfahrens hinaus fort. Bei Verstößen gegen diese Geheimhaltungspflicht drohen Sanktionen. Das Gericht kann bei Zuwiderhandlungen ein Ordnungsgeld von bis zu 100.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festsetzen.
Darüber hinaus kann das Gericht weitere Beschränkungen anordnen, wie beispielsweise einen eingeschränkten Zugang zur mündlichen Verhandlung und zu eingereichten Dokumenten nur für einen begrenzten Personenkreis.
Unter welchen Voraussetzungen ist der neue § 273a ZPO anwendbar?
Die Einstufung ist ab dem 1. April 2025 auf alle anhängigen zivilrechtlichen Prozesse für alle Instanzen, egal ob Amtsgericht oder Bundesgerichtshof, gleichermaßen anwendbar. Diese Einstufung schützt Informationen, die Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Nr. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) sein können.
Nach der gesetzlichen Definition ist eine Information ein Geschäftsgeheimnis, wenn sie
- weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
- Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
- bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Das Gericht prüft, ob die jeweilige Information diese Merkmale erfüllt. Das Potential, dass die offenzulegende Information ein mögliches Geschäftsgeheimnis ist, ist bereits ausreichend für einen erfolgreichen Antrag.
Was ist der Unterschied zu den bestehenden Regelungen?
Der Mehrwert der neuen Vorschrift gegenüber den aktuell bestehenden Regelungen (§§ 172 Nr. 2, 173 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)) ist erheblich. Heute kann das Gericht zwar anordnen, dass die mündliche Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Darauf besteht aber kein Anspruch. Nach der neuen Regelung hat das Gericht nur noch ein eingeschränktes Ermessen: Ist das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses glaubhaft gemacht, so ist regelmäßig nur die Stattgabe des Antrages ermessensfehlerfrei. Die ablehnende Entscheidung kann, anders als nach der bestehenden Regelung, mit sofortiger Beschwerde isoliert angefochten werden. Die gegenwärtig bestehenden Schutzmaßnahmen greifen erst ab der mündlichen Verhandlung, nur für die Informationen, die in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sind und nur gegenüber den Teilnehmern der mündlichen Verhandlung. Betroffene stecken in der Zwickmühle, entweder ihr Geschäftsgeheimnis effektiv zu schützen und bestimmte Angaben bewusst wegzulassen, was möglicherweise zum Verlust des Prozesses führen kann, oder ihre Erfolgsaussichten im Verfahren zu erhöhen, indem sie ihr Geschäftsgeheimnis dem Risiko der Offenbarung aussetzen.
Zudem verbietet der aktuelle § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG der gegnerischen Partei nicht, erlangte Kenntnisse für eigene Zwecke zu nutzen. Nach dem neuen § 273a ZPO kann auch solche Verwendung untersagt werden.
Auch der Umfang der neuen Regelung geht weiter: Aktuell bezieht sich § 172 Nr.2 GVG nur auf ein „wichtiges“ Geschäftsgeheimnis, „durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden“. In der neuen Regelung des § 273a ZPO gibt es diese beiden Einschränkungen nicht mehr. Der Schutz nach § 273a ZPO gilt unabhängig von der Wichtigkeit des Geheimnisses und ohne Interessenabwägung.
Fazit
Die Neueinführung des § 273a ZPO ist eine zeitgemäße Erweiterung der Verfahrensmöglichkeiten am Gerichtsstandort Deutschland, wie sie in anderen Rechtsordnungen und in Schiedsverfahren bereits schon bestehen. Für Unternehmen dürfte wegen des verbesserten Schutzes von Geschäftsgeheimnissen die Verfahrensführung vor den ordentlichen Gerichten interessanter werden.

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