Juni 2025 Blog

Der „Turbo“ für mehr Wohnraum soll gestartet werden

Die Bundesregierung legt den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung vor. 

„Liefermodus“

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD werden Erleichterungen für den Wohnungsbau innerhalb der ersten 100 Tage angekündigt. Die Bundesbauministerin formuliert, die Regierung sei im „Liefermodus“, sie wolle dafür sorgen, dass die „Bagger rollen“. Der unter den Koalitionsparteien abgestimmte Referentenentwurf des Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung wurde am 4. Juni 2025 vorgelegt. Ein Gesetzentwurf wurde am 18. Juni 2025 vom Bundeskabinett beschlossen und soll so noch vor der parlamentarischen Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden.  Im Herbst 2025 soll das Gesetz nach dem Willen der Regierungskoalition verabschiedet werden. Ganz überwiegend wird hierbei auf die Vorarbeiten der letzten Regierung zurückgegriffen; denn „eigentlich“ sollte (eine sehr viel weitreichendere) BauGB-Novelle bereits im letzten November verabschiedet werden. 

Zulassungsmöglichkeiten „trotz“ Bebauungsplan

Nach dem Gesetzentwurf zur Neufassung des § 31 Abs. 3 BauGB sollen zukünftig zugunsten von Wohnungsbauvorhaben unbefristet und überall, also nicht nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, mit Zustimmung der Gemeinde weitgehende Befreiungen von den Vorgaben eines Bebauungsplans erteilt werden können: Befreiungen sollen sowohl im Einzelfall als auch in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle erteilt werden können und die Grundzüge der Planung müssen dabei auch zukünftig nicht gewahrt werden. Abweichungen sollen nicht nur zum Maß der baulichen Nutzung möglich sein, sondern nach der Begründung auch zur Art der baulichen Nutzung. Als Grenzen gelten hier nur die durch die Baugenehmigungsbehörde zu bewertenden nachbarlichen Interessen und öffentliche Belange. Ziel und Wunsch des Ministeriums ist es, Planungsverfahren „einzusparen“, indem auf diesem Wege zum Beispiel Befreiungen für die Aufstockungen eines ganzen Straßenzugs erteilt werden. 

Abweichungen von der Umgebungsprägung

Für den unbeplanten Innenbereich sollen die bisherigen Ausnahmeregelungen in § 34 Abs. 3a BauGB nun durch einen neuen § 34 Abs. 3b BauGB (Entwurf) nochmals ergänzt werden. Danach sollen auch Wohnungsbauvorhaben, die sich nicht in die nähere Umgebung einfügen, zukünftig mit Zustimmung der Gemeinde zugelassen werden können, wenn die Vorhaben städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sind. 

„Wohnungsbau überall“

Schließlich soll ein in seiner Geltung auf den 31. Dezember 2030 befristeter § 246e BauGB eingeführt werden. Vorbild soll ausweislich der Begründung § 246 Abs. 14 BauGB sein, der seinerzeit weitgehende Zulassungsmöglichkeiten für dringend erforderliche Flüchtlingsunterkünfte eröffnete. Mit dieser in der Diskussion als „Bau-Turbo“ beschriebenen Regelung soll die Möglichkeit eröffnet werden, auch weitere planungsrechtliche Vorgaben zur Schaffung von Wohnraum zu überwinden, wenn die Zustimmung der Gemeinde vorliegt. Dies soll auch im Außenbereich gelten, soweit die Flächen als „organische Fortentwicklung des Siedlungsbereichs“ bewertet werden können; die Begründung spricht hier zum Beispiel von einer Entfernung bis zu 100 Meter vom Innenbereich. Der Zulassungstatbestand soll auch für soziale und kulturelle Einrichtungen gelten, die den Bedürfnissen der Bewohner der Wohnungsbauvorhaben dienen, die nach Maßgabe des § 246e BauGB (neu) zugelassen werden. So kann beispielsweise auch die Kita gemeinsam mit Wohnungsbauvorhaben nach dieser Ausnahmevorschrift zugelassen werden.

Zustimmung der Gemeinde

Da alle vorstehenden Regelungen in die Planungshoheit der Gemeinden eingreifen, soll mit dem neu einzuführende § 36a BauGB abgesichert werden, dass entsprechende Baugenehmigungen nicht ohne die Zustimmungen der jeweiligen Gemeinden erteilt werden können. Eine positive Zustimmung der Gemeinde ist immer zwingende Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulassung von Wohnungsbauvorhaben nach den neuen Regelungen. Wird eine solche Zustimmung nicht erteilt, ist, anderes als beim für die „üblichen“ Abweichungsentscheidungen erforderlichen Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB, eine „Ersetzung“ durch die Bauaufsicht oder Kommunalaufsicht nicht vorgesehen. Den Gemeinden steht es darüber hinaus frei, zur Vorbereitung einer solchen Zustimmungsentscheidung eine Beteiligung der Öffentlichkeit vergleichbar der Beteiligungsverfahren in einem Bebauungsplanverfahren durchzuführen. Der Regierungsentwurf nimmt an, dass dadurch die Akzeptanz entsprechender Genehmigungen erhöht werden könne. Weiter soll ausdrücklich bestimmt werden, dass die Zustimmung an Bedingungen geknüpft werden kann. In erster Linie sind hier Verpflichtungen der Bauherrschaft etwa mit Blick auf geförderten oder preisgedämpften Wohnungsraum oder zur städtebaulichen und qualitativen Gestaltung im Gespräch. Mit der Ergänzung des Zulassungstatbestandes in § 246e BauGB (neu) sind auch Verpflichtungen zur Schaffung der notwendigen sozialen Infrastruktur denkbar. Darüber hinaus erscheinen Regelungen mit Blick auf die Erschließung naheliegend.

Abweichungen von der TA Lärm, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt, Genehmigungserfordernis bei WEG-Aufteilung

Für reguläre Planungsverfahren soll den Gemeinden mit der Ergänzung von § 9 Abs. 1 Nr.  23 lit. a, aa BauGB die Möglichkeit eröffnet werden, von der TA Lärm abweichende Immissionswerte und Emissionskontingente (für Geräusche) im Bebauungsplan selbst festzusetzen. Allerdings bleibt mit der Begründung weiterhin offen, wieweit die Regelung tatsächlich verstanden werden kann. Als Dauerthema der innerstädtischen Projektentwicklung stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Innenraumpegel maßgeblich sein kann oder zwingend auf den Lärmpegel 50cm vor einem zu öffnenden Fenster abgestellt werden muss. Hier kann die Gesetzesbegründung bisher sowohl für sehr weitreichende als auch für zurückhaltendere Auslegungen Anhaltspunkte geben. Ergänzt wird die Vorschrift durch einen neuen § 216a BauGB (Entwurf): Danach soll gelten, dass selbst dann, wenn sich solche Festsetzungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens als unwirksam herausstellten, die Baugenehmigungen für auf dieser Grundlage errichtete Gebäude fortbestehen und etwaige Immissionskonflikte durch nachträgliche Auflagen zum Lärmschutz gelöst werden sollen. Dies ist sicherlich ein hilfreicher Ansatz, damit sich die jeweilige Bauherrschaft auch traut auf der Grundlage einer solchen neuen, noch nicht „gerichtsfesten“ Praxis Genehmigungen zu erteilen und also „ins Bauen“ zu kommen.

Darüber hinaus soll die Möglichkeit durch Rechtsverordnung Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zu definieren mit einer Änderung des § 201a BauGB ebenso um fünf Jahre verlängert werden wie das Genehmigungserfordernis für die Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz in entsprechend festgelegten Gebieten (§ 250 BauGB (neu)). Die vorbeschriebenen neuen Zulassungsmöglichkeiten sollen - anders als nach der aktuellen Gesetzeslage - nicht mehr auf eine Anwendung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt beschränkt sein.

Bewertung

Die Regelungsvorschläge versprechen viel. Sie sind als Grundlage für sehr weitreichende Genehmigungspraxen auch geeignet. Die erleichterten Zulassungsmöglichkeiten sind jedoch durchgehend als Ermessensvorschriften ausgestaltet und stehen unter einem positiven Zustimmungserfordernis der jeweiligen Gemeinden. Die Vorschriften können also nur dann erfolgreich zur Baurechtschaffung genutzt werden, wenn Bauherrschaft, Bauverwaltung und (Kommunal-)Politik im Detail dasselbe Ziel für ein konkretes Vorhaben verfolgen. In der Praxis fehlt es jedoch häufig genau an dieser Einigkeit. „Zwingende“ Regelungen für Politik und Verwaltung, Baugenehmigungen für Wohnbauvorhaben zu erteilen, werden nicht eingeführt. Weiter kann festgestellt werden, dass die aktuelle Ausgestaltung der Vorschläge tief in die notwendige Konfliktbewältigung eingreift, insbesondere mit Blick auf nachbarliche Interessen. In der Folge erscheinen Klageverfahren gegen entsprechende Baugenehmigungen nicht ausgeschlossen. In der Praxis hemmt die Angst vor Klagen häufig sowohl bereits die Genehmigungserteilung als dann auch die Genehmigungsumsetzung. Vor diesem Hintergrund wären sehr klar formulierte Genehmigungsvoraussetzungen hilfreich, um Rechtsunsicherheiten durch Auslegungsspielräume zu verringern, oder „Heilungsmöglichkeiten“, wie es § 216a BauGB (neu) für die erweiterten immissionsschutzrechtlichen Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. a, aa BauGB (neu) vorsieht.

Fazit

Es würden mit Umsetzung der Regelungsvorschläge sehr weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten für die Verwaltung eröffnet. Ob dadurch im Ergebnis wirklich im wahrnehmbaren Umfang und schnell zusätzliches Baurecht geschaffen werden kann, bleibt aufgrund der aufgezeigten Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis offen. Und bis in den Herbst bleibt ohnehin offen, welche dieser Vorschläge es am Ende in den verbindlichen Gesetzestext schaffen.

Quellennachweis:
Gesetzentwurf der Bundesregierung

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