Dieselfahrverbote in den Innenstädten?
Das Bundesverwaltungsgericht wird am kommenden 22. Februar darüber verhandeln, ob Düsseldorf und Stuttgart dazu verpflichtet sind, Dieseldurchfahrtverbote umzusetzen, um festgestellten Grenzwertüberschreitungen schnellstmöglich begegnen zu können.
Den Entscheidungen des obersten deutschen Verwaltungsgerichts in diesen beiden Verfahren wird Vorbildwirkung beigemessen für die Luftreinhalteplanung in allen deutschen Städten, in denen Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte festgestellt wurden. Nach Berichten in den Medien handelt es sich dabei um mindestens 90 Kommunen in Deutschland.
Zum Hintergrund
Bereits seit 1996 gibt es europäische Vorgaben für die Luftreinhaltung. Die 2008 verabschiedete Luftqualitätsrichtlinie schreibt verbindliche Grenzwerte u.a. für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Feinstaub vor. Diese Werte müssen spätestens seit dem 1. Januar 2010 überall in Deutschland und unabhängig von der Immissionsquelle eingehalten werden. Die europäischen Regelungen bestimmen einheitlich die Methoden und Kriterien der Luftqualitätsmessungen. Sie geben vor, dass bei festgestellten Überschreitungen wirksame Maßnahmen ergriffen werden müssen, um schnellstmöglich die Einhaltung der Werte sicherzustellen. Darüber hinaus ist die Öffentlichkeit über die Überwachung und die im Einzelfall ergriffenen Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte zu informieren.
Worum geht es in den anstehenden Verfahren?
Es handelt sich um zwei aus zwischenzeitlich fast 20 Prozessen, die in den letzten Jahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig wurden. Die jeweiligen Kommunen werden in der Regel von Umweltverbänden verklagt, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um schnellstmöglich die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Diese Verfahren wurden möglich, nachdem das Bundesverwaltungsgericht 2013 entschieden hatte, dass jeder Einzelne und anerkannte Umweltverbände das Recht haben, die Aufstellung und Fortschreibung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen (Az. 7 C 21/12).
Die aktuellen Gerichtsverfahren spitzen sich nunmehr auf zwei Fragen zu. Die erste Frage ist, ob Dieseldurchfahrtsverbote an den Stellen, an denen die Grenzwerte überschritten werden, das einzige wirksame Mittel sind, um schnellstmöglich die Grenzwertüberschreitung zu vermeiden. Dann wäre die jeweilige Kommune verpflichtet, ein solches Fahrverbot umzusetzen. Dies haben die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart in den Ausgangsverfahren für die von ihnen geprüften Einzelfälle so festgestellt. Damit stellt sich die zweite Frage, nämlich ob es für die jeweilige Stadt oder Gemeinde rechtlich möglich ist, dieses Fahrverbot verbindlich anzuordnen. Die beklagten wie auch sonst eine Vielzahl der Kommunen stellen sich auf den Standpunkt, dass ihnen bisher die Rechtsgrundlage fehle, um Durchfahrten für Dieselfahrzeuge zu verbieten. Hierzu bedürfe es einer bundesrechtlichen Regelung, z.B. durch die in der politischen Diskussion als sog. „Blaue Plakette“ bekannte Normierung.
Mögliche Entscheidungen des BVerwG
In den anstehenden Gerichtsverhandlungen werden nun erstmals Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Fragen erwartet. Das Gericht wird sich damit auseinandersetzen, ob die Grenzwerte zwingend auch dann einzuhalten sind, wenn sie ausschließlich durch ein Dieseldurchfahrtverbot erreicht werden können. Zu dieser Frage könnte gegebenenfalls auch der Europäische Gerichtshof eingeschaltet werden. Sollte diese Frage durch das Bundesverwaltungsgericht bejaht werden, dann wäre im Weiteren darüber zu befinden, ob die jeweilige Kommune verpflichtet ist, ein Dieseldurchfahrtverbot auszusprechen, wenn es sich im konkreten Fall als einzige wirksame Maßnahme darstellt, die Grenzwertüberschreitung kurzfristig zu vermeiden. Wenn das Bundesverwaltungsgericht dieser, von einigen Verwaltungsgerichten eingenommenen Position folgte, dann entscheidet das Gericht letztverbindlich darüber, ob die Städte und Gemeinden dieses Verbot bereits jetzt mit geltenden Straßenverkehrszeichen umsetzen können, oder ob es der Bundesregierung obliegt, die Grundlagen für entsprechende Verbote zu schaffen.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Es ist möglich, dass mit rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den im Februar verhandelten Fällen in verschiedenen Städten Deutschlands Dieseldurchfahrtverbote an entsprechend belasteten Straßenabschnitten kurzfristig eingeführt werden müssen. Ihre Geltungsdauer würde voraussichtlich davon abhängen, wie schnell andere Maßnahmen zur Immissionsminderung in den Innenstädten greifen. Weiter wären Gestaltungen der Durchfahrtsverbote z.B. durch ihre Beschränkung auf bestimmte Verkehrsarten, bestimmte Verkehrszeiten und/oder bestimmte Kraftfahrzeugtypen denkbar.
(Bundesverwaltungsgericht, mündliche Verhandlung am 22. Februar 2018 zu den Verfahren zum Luftreinhalteplan Düsseldorf - Az. 7 C 26.16 - und Stuttgart - Az. 7 C 30.17 -)
Dr. Sigrid Wienhues, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht
Hamburg