Diskriminierende Kündigung in Kleinbetrieben unwirksam
In Kleinbetrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keine Anwendung findet, kann eine Kündigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unwirksam sein.
Nach dem KSchG ist die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. In Betracht kommen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe. Dieser Kündigungsschutz gilt nicht für Mitarbeiter in Betrieben, in denen nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Hier ist die Kündigung aber unwirksam, wenn sie gegen das AGG verstößt, der Arbeitgeber also den Gekündigten z.B. aufgrund seines Alters, Geschlechts oder Behinderung diskriminiert.
Für die Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitnehmers in einem Kleinbetrieb genügt, dass der gekündigte Mitarbeiter ein Indiz für eine Benachteiligung beweist und der Arbeitgeber die Vermutung einer Diskriminierung nicht widerlegen kann. Dies entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Sachverhalt
Die 1950 geborene Klägerin war seit 1991 in einer Gemeinschaftspraxis als Arzthelferin tätig, zuletzt im Labor. Sie hatte noch vier jüngere Kolleginnen. Der Arbeitgeber kündigte der Klägerin im Mai 2013 aufgrund einer Umstrukturierung der Praxis. Das Kündigungsschreiben enthielt als Begründung den Hinweis, dass die 63-Jährige „inzwischen pensionsberechtigt“ sei. Die anderen jüngeren Mitarbeiterinnen wurden weiterbeschäftigt.
Die Klägerin wendete sich mit ihrer Klage gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangte eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Der beklagte Arbeitgeber argumentierte dagegen, die Kündigung sollte lediglich freundlich und verbindlich formuliert sein. Die Kündigung sei wegen eines zu erwarteten Entfalls von 70-80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei zudem schlechter qualifiziert als die anderen Arzthelferinnen und somit mit diesen nicht vergleichbar.
Urteil des BAG
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Anders entschied nun das BAG. Die Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ im Kündigungsschreiben lasse eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters vermuten. Der Arbeitgeber habe keinen ausreichenden Beweis vorgebracht, um diese Vermutung zu widerlegen. Die Kündigung verstoße somit gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei unwirksam.
Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmerin nun weiterbeschäftigen und Annahmeverzugslohn zahlen. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin eine Entschädigung verlangen kann, konnte nicht entschieden werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Fazit
Diese Entscheidung zeigt, dass das AGG Mitarbeiter in Kleinbetrieben vor diskriminierenden Kündigungen schützt. Da hier schon genügen kann, dass der Arbeitnehmer lediglich Indizien für eine Diskriminierung vorträgt, sollte der Arbeitgeber jeden Anschein vermeiden, der auf eine solche Benachteiligung schließen lassen könnte. Es empfiehlt sich, keinen Kündigungsgrund anzugeben.
(BAG, Urteil vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14)
Karsten Kujath, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht