Doch keine Steuerbeihilfe für Apple?
Der Apple-Konzern kommt im Hinblick auf die Rückzahlung vermeintlicher irischer Steuerbeihilfen – vorerst – „ungeschoren“ davon: Mit Urteil vom 15. Juli 2020 erklärte das in erster Instanz zuständige Gericht der Europäischen Union (EuG) einen von der Republik Irland und Apple-Tochtergesellschaften im Wege der Nichtigkeitsklage angefochtenen Rückzahlungsbeschluss der Europäischen Kommission für nichtig (Rechtssache T-778/16 und T-892/16).
Die Kommission hatte in Steuervereinbarungen zwischen Irland und Apple wegen angeblich künstlicher verringerter Steuerbeträge eine unzulässige Beihilfe gesehen und die Rückforderung beschlossen in Höhe einer Rekordsumme von rund 13 Mrd. Euro. Das Gericht urteilte nun, der Kommission sei es nicht gelungen nachzuweisen, dass die Steuervereinbarungen einen beihilferechtswidrigen Steuervorteil durch eine selektive Begünstigung der Apple-Töchter im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gewähren. Das Urteil des EuG ist noch nicht rechtskräftig. Die Kommission kann innerhalb von zwei Monaten den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz anrufen; es steht zu erwarten, dass sie dies tun wird.
Kommission sieht beihilfenrechtswidrige Steuervorteile
Im August 2016 hatte die Kommission beschlossen(Az. SA.38373), dass Irland dem Apple-Konzern beihilfenrechtswidrige Steuervorteile gewährt habe. Die irische Steuerbehörde hatte zwei Steuervorbescheide (sog. „Tax Rulings“) zugunsten der zur Apple-Gruppe gehörenden Unternehmen Apple Sales International (ASI) und Apple Operations Europe (AEO) erteilt. Die Tax Rulings sind Vereinbarungen zwischen einer Steuerbehörde und den Unternehmen über die Modalitäten der Steuerzahlung. Die irischen Steuervorbescheide aus den Jahren 1991 und 2007 bestätigten die von ASI und AOE angewandten Methoden zur Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Gewinne in Irland, die sich auf die Handelstätigkeit, insbesondere Vertrieb und Logistik, ihrer jeweiligen irischen Zweigniederlassungen bezogen.
Aus Sicht der Kommission hat die irische Steuerbehörde künstliche Methoden zur Berechnung von Gewinnen gebilligt, die nicht den wirtschaftlichen Realitäten entsprechen. Bei den Steuervorbescheiden handele es sich somit um einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil für ASI und AEO. Daher forderte die Kommission die Rückerstattung unrechtmäßiger Steuervorteile von rund 13 Mrd. Euro, um die Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, wiederherzustellen.
EuG annuliert Rückzahlungsbeschluss der Kommission
Der EuG folgte dieser Argumentation nicht. Dem Gericht zufolge konnte die Kommission nicht nachweisen, dass die erzielten Gewinne in Irland angefallen sind und daher dort hätten versteuert werden müssen. Die Wertschöpfung habe in Irland stattgefunden. Das geistige Eigentum sei in den USA entwickelt worden, während die Zweigniederlassungen in Irland nur Logistik und Vertrieb durchführten. Nach Ansicht des Gerichts wurden die Gewinne überwiegend in den USA erzielt und auch dort versteuert.
Weiter Verfahren
Die Kommission ist bereits in mehreren Fällen mit den Beihilfevorschriften gegen ihrer Auffassung nach unrechtmäßigen Steuerpraktiken der Mitgliedstaaten vorgegangen, um Niedrigsteuerwettbewerb in der EU zu verhindern (vgl. hierzu etwa GvW Newsletter Oktober 2017, April 2017 und Oktober 2015). Hinsichtlich der Steuervereinbarungen von Starbucks in den Niederlanden hatte das EuG ebenfalls einen Verstoß gegen Beihilfenrecht verneint (Urteil v. 24. September 2019, T-760/15, T-636/16). Dieses Urteil ist rechtskräftig. Indes bestätigte das Gericht, dass FIAT in Luxemburg selektive Steuervorteile begleichen muss (Urteil v. 24. September 2019, T-755/15 und T-759/15). Diese Sache ist noch beim EuGH anhängig (Rechtssache C-885/19 P). Weitere Nichtigkeitsklagen von Amazon und Luxemburg gegen einen Rückforderungsbeschluss der Kommission in Höhe von 250 Millionen Euro sind beim EuG anhängig (Rechtssachen T-318/18, T-816/17).
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission in Sachen Apple Rechtsmittel einlegt und ob der EuGH die Beschlüsse der Kommission zu nationalen Steuerpraktiken letztlich bestätigen wird.
Der beihilfenrechtliche Kontrollstrahl der Kommission ist nicht auf Steuervorbescheide beschränkt. In ihrer „Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe“ widmet die Kommission „besonderen Fragen in Bezug auf steuerliche Maßnahmen“ ein umfangreiches Kapitel und geht darin – neben Steuervorbescheiden – insbesondere auf die folgenden steuerlichen Themen ein: Abschreibungsvorschriften, Pauschalbesteuerung besonderer Tätigkeiten, Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung, Verbrauchsteuern, Genossenschaften, Organismen für gemeinsame Anlagen, Steueramnestie und Steuervergleiche.
Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen und Behörden unter anderem im steuerlichen Bereich mögliche beihilfenrechtliche Risiken im Blick behalten und sich insoweit absichern.
(EuG, Urteil vom 15. Juli 2020, Irland u.a. gegen Europäische Kommission, Rechtssachen T-778/16 und T-892/16, ECLI:EU:T:2020:338)
Renata Rehle, Rechtsanwältin
Dr. Gerd Schwendinger, Rechtsanwalt
beide Hamburg