April 2023 Blog

eForms: Nächster Schritt auf dem Weg hin zu einem europäischen Standard

Die Bundesregierung hat am 22.03.2023 ihren Entwurf der Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts (BT-Drucksache 20/6118) vorgelegt. Die angestrebte Gesetzesänderung hat damit eine weitere Hürde auf dem Weg zur Umsetzung genommen.

Der deutsche Gesetzgeber stellt im Zuge dessen nicht nur die Weichen zur Schaffung eines europäischen Standards bei der Nutzung von eForms, sondern reagiert – trotz Kritik aus der Wirtschaft - auch auf ein aktuelles Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission (Az. INFR (2018)2272).

Die Beschlussfassung des Bundesrates wird im Juni dieses Jahres erwartet.

Einführung des neuen § 10a VgV

Die weitreichendste geplante Änderung ist die Einführung des § 10a VgV als Grundregelung für das gesamte Vergaberecht sowie die entsprechende Verweisung auf den § 10a VgV in den übrigen Vergabeverordnungen (z.B. SektVO, VSVgV).

In diesem sollen zukünftig die Anforderungen bei der Erstellung und Übermittlung von Bekanntmachungen sowie der Datenaustauschstandard bei eForms gesetzlich geregelt werden.

Neu ist unter anderem, dass einige der in Tabelle 2 des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 genannten freiwilligen Angaben zukünftig auf nationaler Ebene verpflichtende Datenfelder darstellen sollen, sofern es sich um strategische Aspekte handelt.

§ 10a Abs. 4 S. 2 VgV in der Fassung des nunmehr vorgelegten Gesetzesentwurfs erläutert, was unter strategischen Aspekten zu verstehen ist.

„Strategische Aspekte der Beschaffung im Sinne des Satzes 1 sind

  1.  Aspekte der Qualität und der Innovation, einschließlich der Angabe, ob Nebenangebote zugelassen sind,
  2. soziale und umweltbezogene Aspekte, einschließlich der Datenfelder für die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge,
  3. wesentliche Aspekte der Zuschlagskriterien,
  4. mittelständische Interessen sowie
  5. die Identifizierung der Organisationseinheiten.“

Neben der Erweiterung des Umfangs der verpflichtenden Datenfelder soll mit der Einführung des § 10a VgV auch ein einheitlicher, nationaler eForm-Standard geschaffen werden.

Zu diesem Zweck ist in § 10a Abs. 5 VgV die Einrichtung des Datenservice Öffentlicher Einkauf als Vermittlungsdienst und nationaler eSender zur Übermittlung von Bekanntmachungen an das Amtsblatt der EU zur Veröffentlichung im Tenders Electronic Daily (TED) beim Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums vorgesehen.

Dieser soll unter anderem über zusätzliche Suchoptionen für interessierte Unternehmen, kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Start-Ups den Zugang zu öffentlichen Aufträgen ermöglichen bzw. erleichtern.

Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

Neben den Anpassungen des deutschen Vergaberechts an die Anforderungen der Nutzung von eForms sieht der Gesetzesentwurf die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV vor.

Die Bundesregierung reagiert hiermit auf den Umstand, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV in der derzeit gültigen Fassung Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens ist.

§ 3 Abs. 7 S. 2 VgV regelt in seiner aktuell gültigen Fassung, dass bei Planungsleistungen nur gleichartige Leistungen bei der Vergabe in mehreren Losen zusammenzurechnen sind.

Hierbei wird bewusst in Kauf genommen, dass Planungsleistungen zukünftig häufiger im Bereich der Oberschwellenvergabe liegen könnten.

Dies wird sowohl von Seiten der Wirtschaft als auch Vertretern von Städten und Kommunen teils vehement kritisiert.

So befürchtet beispielsweise die Bundesarchitektenkammer, dass die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV neben einem spürbaren zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand auf Auftraggeber- wie auf Auftragsnehmerseite zu einer Verdopplung der Verfahrensdauer führen könne. Zudem führe der erhöhte Verwaltungsaufwand auf Bieterseite zu einer Schwächung der Marktposition kleiner und mittelständischer Unternehmen.

In eine ähnliche Richtung äußert sich auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bestehend aus dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund im Rahmen einer Stellungnahme zur Verordnung vom 17.02.2023.  

Wie die Bundesregierung im Rahmen der Begründung des Gesetzentwurfes ausführt, geht sie hingegen nicht davon aus, dass die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zu einem nennenswerten Mehraufwand auf Seiten der Bieter führt. Insbesondere könnten die Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die bestehenden Gestaltungs- und Berücksichtigungsmöglichkeiten der jeweils anzuwendenden Vergabeordnung gewährleistet werden.

Ob die Kritik der Wirtschaft und der Kommunen und die mit ihr einhergehenden Befürchtungen gerechtfertigt sind oder vielmehr der Gesetzgeber mit seiner Einschätzung Recht behält, kann erst nach der Umsetzung der Verordnung beurteilt werden.

Neben § 3 Abs. 7 S. 2 VgV sollen auch die entsprechenden Regelungen in § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO sowie § 3 Abs. 7 S. 3 VSVgV gestrichen werden.

Einführung des § 46 Abs. 3 SektVO

Als dritte wesentliche Neuregelung ist die Einführung eines 3. Absatzes in § 46 SektVO geplant.

Dieser sieht vor, dass der vom Bieter nachzuweisende Mindestjahresumsatz nur dann das Zweifache des geschätzten Auftragswertes überschreiten darf, wenn aufgrund der Art des Auftragsgegenstands spezielle Risiken bestehen.

Durch die klarstellende Neueinführung des § 46 Abs. 3 SektVO sollen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen davor geschützt werden, dass ihnen der Zugang zu öffentlichen Aufträgen durch unangemessen hohe Nachweisanforderungen erschwert bzw. unmöglich gemacht wird.

Auch in diesem Fall reagiert der deutsche Gesetzgeber auf das aktuelle Vertragsverletzungsverfahren, in welchem die EU-Kommission durch die aktuelle Gesetzeslage kleinunternehmerische und mittelständische Interessen gefährdet sieht.

Sofern der öffentliche Auftraggeber von diesen erhöhten Anforderungen Gebrauch machen möchte, muss er dies im Vergabevermerk hinreichend begründen.

In Ermangelung einer Positionierung des Gesetzgebers, unter welchen Voraussetzung derartige spezielle Risiken anzunehmen sind, bleibt abzuwarten, wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff durch die Rechtsprechung ausdefiniert wird. Bis dahin verbleibt für öffentliche Auftraggeber diesbezüglich eine gewisse Rechtsunsicherheit.

Fazit

Trotz der vehementen Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind die vorgeschlagenen Anpassungen zumindest vor dem Hintergrund des Wunsches nach einer Harmonisierung des europäischen Vergaberechts konsequent.

Interessant zu beobachten dürfte sein, ob die geplanten Änderungen bei der Nutzung von eForms tatsächlich dazu führen, dass kleinen und mittelständischen Unternehmen der Zugang zu Auftragsvergaben erleichtert wird.

Des Weiteren bleibt abzuwarten, wie sich die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV in der Praxis auf die Vergabe von Planungsleistungen auswirkt. Wichtig ist insbesondere, dass der Gesetzgeber nach der Umsetzung der Verordnung kritisch beobachtet und hinterfragt, ob die bestehenden Gestaltungsoptionen zum Schutz der Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen, die das deutsche Vergaberecht öffentlichen Auftraggebern an die Hand gibt, ausreichen oder ob ein weiterer Handlungsbedarf besteht.

Die öffentlichen Auftraggeber dürften ihrerseits in Zukunft gehalten sein, bei der Vergabe von Planungsleistungen oberhalb der Schwelle eingehender zu prüfen, welche Möglichkeiten im konkreten Einzelfall bestehen, um kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu den jeweiligen Aufträgen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.

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