Einhaltung von gerichtlichen Fristen in den Zeiten der Corona-Pandemie
Gesetzliche und gerichtliche Fristen im Zivilverfahren sind einzuhalten. Anderenfalls drohen negative Folgen bis hin zum Unterliegen im Verfahren. Eine Frist lässt sich oft vom Gericht auf Antrag verlängern lassen, wovon die Parteien ausgiebig Gebrauch machen. In den Zeiten der Corona-Pandemie sind die üblichen Abläufe bei den Parteien, ihren Prozessvertretern und bei Gerichten erheblich gestört, so dass sowohl das Einhalten von Fristen als auch die Fristverlängerungen erschwert werden. Auf welche Besonderheiten ist dabei zu achten?
Führt die Corona-Pandiemie zum fehlenden Verschulden bei der Fristversäumnis?
Auch in den Corona-Zeiten gilt, dass Verfahrensristen grundsätzlich einzuhalten sind. Eine Fristversäumnis kann aber dann ohne negative Konsequenzen bleiben, wenn die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Im Falle einer Notfrist kann das Gericht bei fehlendem Verschulden auf Antrag eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gewähren. Im Falle des nicht fristgerechten oder sonst verspäten Vortrags kann das Gericht den Vortrag trotz Verspätung berücksichtigen, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt (§ 296 Abs. 1 und 3 ZPO). Bei bestimmten Fristen genügt bereits der Nachweis, dass die Versäumnis nicht auf grober Nachlässigkeit der Partei beruht (§ 296 Abs. 2 ZPO). Genügende Entschuldigung setzt voraus, dass die Partei aufzeigt, dass sie strenge Sorgfaltsanforderungen eingehalten hat und dass ihr daher nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Trotz der Corona-Pandemie müssen die Parteien und ihre Prozessvertreter alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um Fristen einzuhalten und müssen sich auf die neue Situation einstellen. Nur wenn trotz rechtzeitiger und in notwendigem Umfang getroffener Maßnahmen eine Fristeinhaltung nicht möglich ist, kann sie als nicht verschuldet angesehen werden, z.B. bei plötzlicher Erkrankung des Rechtsanwalts oder seines Personals, bei Zusammenbruch der PC-Systeme, insbesondere bei hinzugekommenen Ausgangsbeschränkungen.
Fristverlängerungen in den Corona-Zeiten
Vor der Corona-Pandemie konnte die Partei im zivilgerichtlichen Verfahren darauf verlassen, dass eine Frist, etwa auf die Klage zu erwidern, oder zum Vortrag der anderen Partei Stellung zu nehmen, in der Regel auf entsprechenden Antrag vom Gericht rechtzeitig vor dem Fristablauf verlängert wird.
Voraussetzung ist, dass der Fristverlängerungsantrag begründet wird. Bei wiederholten Verlängerungen derselben Frist muss das Gericht vor der Entscheidung die andere Partei zumindest anhören. In den Corona-Zeiten gibt es Störungen in diesem Ablauf. Insbesondere tritt oft der Fall ein, dass ein Gericht auf einen Fristverlängerungsantrag nicht reagiert. Aufgrund der Corona-Pandemie arbeiten die Gerichte deutlich langsamer. Es kommt vermehrt dazu, dass selbst über die Fristverlängerungsanträge nicht zeitnah entschieden wird. Auch telefonisch sind viele Gerichte oft schlicht nicht zu erreichen. Was gilt und was kann in dieser Situation getan werden?
Verlängerungsfiktion
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass eine erstmalig beantragte Fristverlängerung gewährt wird, wenn erhebliche Gründe dargelegt sind. Dazu gehört insbesondere die geltend gemachte Arbeitsüberlastung der Prozessbevollmächtigten (NJW 2007, 3342). Damit kann eine Partei, die die Fristverlängerung beantragt und entsprechend begründet hat, sich darauf verlassen, dass ihr eine Fristverlängerung gewährt wird, auch wenn eine Antwort des Gerichts ausbleibt. Die gerichtliche Fristverlängerung selbst kann auch erst nach dem Ablauf der zu verlängerten Frist verfügt werden. Wichtig ist nur, dass die Fristverlängerung vor dem Fristablauf beantragt wird.
Sorgfältige Begründung des Fristverlängerungsantrags
Auf die Begründung des Fristverlängerungsantrags ist in den Corona-Zeiten besondere Sorgfalt zu verwenden, weil nicht damit zu rechnen ist, dass Gerichte Zeit haben, vor dem Ablauf der Frist darauf hinzuweisen, dass die Begründung etwa unzureichend ist. Die Gründe für die Verlängerung der Frist sind nicht bloß pauschal, sondern konkret wie möglich anzugeben. Man sollte z.B. nicht allgemein auf die Corona-Krise verweisen, sondern ihre Auswirkungen auf die Einhaltung der Frist beschreiben.
Fazit:
Die Corona-Pandemie befreit nicht generell von der Notwendigkeit, prozessuale Fristen einzuhalten. Sie begründet vielmehr die Pflicht, entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen. Die konkreten Auswirkungen der Pandemie können im Einzelfall zum fehlenden Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten führen. Bei Anträgen auf Fristverlängerungen ist besonders sorgfältig vorzugehen. Beim Beachten der Anforderungen an einen Fristverlängerungsantrag können sich die Parteien oft darauf verlassen, dass die Frist verlängert werden wird, auch wenn eine Antwort des Gerichts zunächst ausbleibt.
Felix Prozorov-Bastians