Mai 2025 Blog

Einwand der Nichtigkeit bei grenzüberschreitenden Patentverletzungsklagen

Sachverhalt

Ein schwedisches Gericht hatte über eine Patentverletzung zu entscheiden. Die Beklagte war eine Gesellschaft nach schwedischem Recht. Das betroffene Patent war ein europäisches Patent, welches nicht nur in Schweden, sondern auch in anderen Ländern in Kraft war. Die Klägerin klagte wegen der Verletzung nicht nur des schwedischen, sondern auch weiterer, ausländischer Patente. In Bezug auf diese rügte die Beklagte die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts, da die ausländischen Patente nichtig seien und das schwedische Gericht nicht befugt sei, über die Nichtigkeit der ausländischen Patente zu entscheiden. Das schwedische Gericht erklärte sich für unzuständig, die nachfolgende Rechtsmittelinstanz legte diese Frage zur Beurteilung dem EuGH vor.

Entscheidung

Der EuGH verwies auf Art. 4 und Art. 63 Abs. 1 Brüssel‑Ia-VO, wonach grundsätzlich die Gerichtsbarkeit am Wohnsitz bzw. Firmensitz der Beklagten international zuständig ist, hier also das schwedische Gericht. Ebenso normiert jedoch Art. 24 Nr. 4 Brüssel‑Ia-VO als Ausnahme, dass über die Gültigkeit von Patenten die Gerichtsbarkeit des Landes ausschließlich zuständig ist, in dem das Patent gültig ist. Dies ist nach dem eindeutigen Wortlaut unabhängig davon, ob die Nichtigkeit als Klage oder als Einrede in einem anderen Verfahren – hier dem Verletzungsverfahren – geltend gemacht wird. Der EuGH entschied, dass demzufolge das schwedische Gericht tatsächlich nicht befugt ist, über die Gültigkeit der ausländischen Patente zu entscheiden. Im Übrigen bleibt es aber für die Entscheidung über das Verletzungsverfahren zuständig. Dies gilt aber nur bei ausländischen Patenten in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Bei einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat kann das Gericht zwar nicht über die Gültigkeit das Patents in diesem Staat allgemein entscheiden, jedoch die Nichtigkeit als Einwand im Verletzungsverfahren inzidenter berücksichtigen. Der Unterschied ist damit zu begründen, dass die Brüssel‑Ia-VO, die auch für die Prüfung als Einrede die ausschließliche Zuständigkeit des Landes des Patents normiert, keine Anwendung auf Gerichte in Nicht-EU-Mitgliedsstaaten findet. Dort ist, vorbehaltlich Sondervorschriften, von denen im entschiedenen Fall keine existierte, lediglich ein völkerrechtliches Verbot der Einmischung zu beachten. Dieses verbietet Gerichten, ein ausländisches Patent generell für ungültig zu erklären, schließt aber eine Berücksichtigung inzidenter im Rahmen eines Verletzungsverfahrens nicht aus, da letztere nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits wirkt.

Praxishinweis

In § 61 Abs. 2 des schwedischen Patentgesetzes ist geregelt, dass wenn der Beklagte eines Verletzungsverfahrens die Ungültigkeit des Patents geltend macht, über diese erst nach entsprechender Klage entschieden werden darf. In Deutschland besteht eine vergleichbare Regelung in § 148 ZPO, wonach das Gericht das Verletzungsverfahren aussetzen kann, bis das Nichtigkeitsverfahren abgeschlossen ist. Soweit das Nichtigkeitsverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat der EU anhängig ist, sind die obigen Grundsätze daher uneingeschränkt übertragbar, so dass das deutsche Verletzungsgericht über den Einwand der Nichtigkeit aufgrund der Brüssel-Ia-VO nicht entscheiden darf. Handelt es sich jedoch um ein Patent und ein Nichtigkeitsverfahren in einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat, so ist das deutsche Verletzungsgericht zwar nicht aufgrund der Brüssel-Ia-VO gehindert, inzidenter über den Einwand der Nichtigkeit zu entscheiden. Dies ist dann vielmehr eine Frage des deutschen Rechts, des § 148 ZPO. Dieser stellt die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts. 

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