Erhöhte Insolvenzanfechtungsgefahr für Vermieter von Gewerbemieträumen
Mietzahlungen für ein gewerblich genutztes Betriebsgrundstück gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) als sog. existentielle Leistungen des Schuldners. Die Rechtsprechung nimmt daher bei Nichtzahlung der Miete an, dass dann erst recht weitere Zahlungen an andere Schuldner unterblieben sein müssen. All dies führe dazu, dass anzunehmen sei, dass der Vermieter bei Nichtzahlung der Miete von der Zahlungsunfähigkeit des Mieters Kenntnis habe. Die Folgen der Kenntnis für die Anfechtung von Mietzahlungen sind immens.
Hintergrund
Die Anfechtungsnorm des § 133 InsO ordnet an, dass jegliche Rechtshandlungen, die der Insolvenzschuldner innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Absicht seine Gläubiger zu benachteiligen vornimmt, vom Insolvenzverwalter rückgängig gemacht werden können, wenn der Begünstigte den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erkannt hat.
Was sich nach „kriminellen Machenschaften“ zwischen Schuldner und Gläubiger anhört, ist in der täglichen Praxis eher ein Trauerspiel für Gläubiger. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH handelt ein Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er zumindest drohend zahlungsunfähig ist, der Gläubiger erkennt diesen Vorsatz, wenn er die Umstände kennt, aus denen er auf die mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit hätte schließen müssen.
Folglich geraten Zahlungen des Schuldners an seine Gläubiger zumindest dann in den Fokus des Insolvenzverwalters, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war (was regelmäßig weit vor tatsächlicher Antragstellung der Fall ist) und sich beim betreffenden Gläubiger Rückstände aufgehäuft haben, die dann zumeist ratenweise abgetragen werden. Für die Kenntnis des Gläubigers hat der BGH in den vergangenen Jahren Fallgruppen herausgebildet, bei denen er die Kenntnis des Gläubigers annimmt. So ist z.B. eine Kenntnis anzunehmen, wenn eine Ratenzahlung erst nach Einschaltung eines Inkassobüros abgeschlossen wird (wir berichteten, November 2015), wenn es vermehrt zu Lastschriftrückgaben kommt (wir berichteten, April 2015), wenn der Schuldner nicht in der Lage ist die für die Fortsetzung seines Geschäftsbetriebes existenziellen Leistungen zu bezahlen oder wenn der Schuldner über mehrere Monate einen Rückstand beim (späteren) Anfechtungsgegner vor sich herschiebt und es ihm nicht gelingt diesen auszugleichen.
Der aktuelle Fall
Nunmehr wurde dem für das Anfechtungsrecht zuständigen IX. Zivilsenat ein Fall vorgelegt, in dem der (spätere) Insolvenzschuldner im Rahmen einer längeren Krise im März 2005 alle Gläubiger, so auch seinen Vermieter, über diese Krise informierte und mitteilte, dass die offenen Verbindlichkeiten nur in Höhe von 40% und nur in Raten bedient werden können. Wie schon in früheren Entscheidung hat der BGH eine solche Bitte ausreichen lassen, die Kenntnis des Gläubigers von einer Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Kommt es nach einer solchen „Sanierungsbitte“ zu weiteren Zahlungen, so hat der Gläubiger in einem Anfechtungsprozess nachzuweisen, dass der Sanierungsplan ernsthaft umgesetzt worden ist und der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat (es genügt nicht, dass der Gläubiger darauf vertraute, dass der Sanierungsplan umgesetzt wird). Speziell für die Miete für das Betriebsgrundstück hat der BGH erneut festgestellt, dass diese eine existenzielle Leistung darstellt. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei Grundlage des Geschäftsbetriebes des Schuldners. Wenn der Schuldner noch nicht einmal in der Lage ist diese Forderung zu begleichen, so darf der Vermieter nicht daran glauben, der Mieter sei zahlungsfähig. Folge dieses „Nebensatzes“ ist, dass der Vermieter davon ausgehen muss, dass der Schuldner andere Gläubiger, die für ihn nicht so „wichtig“ sind, benachteiligt, um die Kündigung des Mietverhältnisses zu verhindern. Dann aber sind sämtliche zukünftigen Mietzahlungen anfechtbar.
Praxistipp
Mit dieser Entscheidung wird die Luft für Vermieter von Gewerberaum dünn. Kommt es zu (erheblichen) Rückständen infiziert dies das gesamte zukünftige Mietverhältnis. Den vom BGH geforderten Nachweis, dass die einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit später überwunden worden ist wird ein externer Dritter wie der Vermieter kaum führen können, da es nicht ausreicht, dass der Zahlungsrückstand bei ihm ausgeglichen worden ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Vermieter in diesem Fall die eingehenden Zahlungen vorrangig auf die laufende Miete verrechnet, um so unter dem Begriff des „bargeschäftsähnlichen“ Rechtsgeschäftes (Leistung und Gegenleistung werden zeitnah ausgetauscht, im Rahmen von Mietverbindlichkeiten bedeutet dies wohl Zahlung zur Fälligkeit) der Anfechtung zu entgehen. Entsprechende Verrechnungen sollten dokumentiert sein, um diesen Leistungsaustausch im Anfechtungsprozess nachzuweisen. Im hiesigen Fall konnte der Vermieter nicht nachweisen, worauf er welche Zahlungen verrechnet hat und musste letztlich Mieten in einer Größenordnung von über 200 TEUR an die Insolvenzmasse zurückzahlen.
BGH v. 17. 12. 2015 – IX ZR 61/14
Ansgar Hain, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
Berlin
und
Johannes Schuhmann, Rechtsanwalt
Frankfurt a.M.